Buch: „Die Entdeckung des Unendlichen“
Autor: David Foster Wallace
Verlag: Piper
Ausgabe: Taschenbuch, 416 Seiten
Der Autor: David Foster Wallace, geboren 1962 in Ithaca/New York, gilt als postmoderner Kultautor und Chronist des amerikanischen Way of life. Seine Romane, Essays und Storys „gehören zum intellektuell und künstlerisch Verwegensten, was die moderne amerikanische Literatur in den vergangenen Jahren hervorgebracht hat“ (Der Spiegel). Im September 2008 nahm sich David Foster Wallace in seinem Haus in Kalifornien das Leben. (Quelle: Piper)
Das Buch: David Foster Wallace, Legende der amerikanischen Gegenwartsliteratur, erzählt die Geschichte des Unendlichen. Dieses Buch ist eine philosophische Einführung in ein großes Thema der Mathematik und zugleich eine Verneigung vor der Totalität des Kosmos und der menschlichen Geisteskraft: Wie das Unendliche denken? (Quelle: Piper)
Fazit: Menschen, die mich näher kennen, wissen, dass ich alles andere als ein mathematisches Genie bin. Ich habe die Mathematik in Schulzeiten in einem Zustand, der mir sicherlich ohne Aufhebens Zutritt zu Dantes fünftem Kreis der Hölle gewährt hätte, bis einschließlich der Klasse 12 absolviert bzw. durchlitten. Als ich der Lehrkraft eröffnete, dass es das dann in mathematischer Hinsicht für mich war, sagte besagter Mathelehrer in verächtlich-sarkastischem Ton vor versammelter Mannschaft: „Och, schade, die Stütze des Kurses verlässt uns!“, wofür er sich heute noch eine Schelle verdient hätte.
Aber er hatte ja recht, denn hinsichtlich der Vermittlung von Mathekenntnissen war mit mir zu dem Zeitpunkt schon lange nichts mehr anzufangen. Aber: Ich fordere mich gerne! Gut, in erster Linie nur in literarischer Hinsicht, aber was solls!? Und weil das so ist, habe ich in der Vergangenheit bereits schon den einen oder anderen Roman, das eine oder andere Sachbuch mit mathematischem Sujet gelesen. Anzuführen wären hierbei beispielsweise Simon Singhs Buch „Fermats letzter Satz“ oder Patrick Hofmanns Roman „Nagel im Himmel„.
Zugegeben, in die Kernbereiche der jeweiligen mathematischen Thematik bin ich dabei üblicherweise nicht vorgedrungen, will sagen, dass ich den Autoren in dieser Hinsicht nicht vollumfänglich folgen konnte. Aber das ist ja kein Grund, es nicht trotzdem nochmal zu probieren. Und so stand ich also vor langer, laaaaanger Zeit – seit ebenso laaaaanger Zeit lag das Buch nämlich nach drei erfolglosen Leseversuchen auf meinem Stapel ungelesener Bücher – in der Buchhandlung meines Vertrauens und ergriff frohen Mutes Wallace Buch, auf dass dieser Autor nun geeignet sei, sämtliche mathematischen Defizite bei mir hinwegzufegen und … nun ja, den Versuch war es wert.
Dabei gibt sich Wallace ja redlich Mühe. Zugegeben, seine Erwähnung, dass das Buch ein Versuch sei, Cantors Mathematik auch denen verständlich nahezubringen, die keine mathematische Hochschulbildung besitzen, war sicher gut gemeint, wirkt für jemanden, der bereits an der normalen Oberstufenmathematik gescheitert ist, allerdings nahezu einschüchternd. Zu recht, wie sich später herausstellen sollte …
Der Einstieg jedoch gelingt tatsächlich recht gut. Wallace beschäftigt sich erfreulich ausgiebig mit der Geometrie der alten Griechen und ähnlichen Grundlagen. Die ganze Sache auflockernd kommen dabei beispielsweise auch nochmal die Paradoxa des Zenon zur Sprache – u. a. die Geschichte mit Achilles und der Schildkröte, die Älteren werden sich erinnern. Auffällig ist hierbei der extensive Gebrauch von Fußnoten in Form von „FESI“-Abschnitten. „FESI“=Falls es Sie interessiert“ Diese Abschnitte dienen der Vertiefung des Gelesenen, stellen aber für entsprechend vorgebildete Teile der Leserschaft keinen Erkenntnisgewinn dar und können daher weggelassen werden.
Bereits hier zeigten sich beim Rezensenten kleine Ausfallerscheinungen im Basiswissen, denn: „Welche Zahlenmengen gab jetzt noch gleich und welche Zahlen gehören dazu.“? Die Gründe für diese Ausfallerscheinungen sind allerdings in erster Linie im massiven zeitlichen Abstand zum Matheunterricht zu finden und waren mittels Suchmaschinennutzung flugs auszubügeln.
Das Lesetempo ließ dann in der Folge allerdings deutlich nach, denn Wallace bewegt sich von den Griechen weg und diversen Mathematikern, die alle in irgendeiner Weise für Cantors Erkenntnisse wichtige Vorarbeiten geleistet haben, zu. Hier war ich zeitweise lange mit einzelnen Seiten, einzelnen Formeln beschäftigt, um selbige wirklich zu verinnerlichen, was dazu führte, mich zwischenzeitlich zu fragen, ob ich nicht lieber Prousts Gesamtwerk oder das Telefonbuch von Olpe im Sauerland auswendig lernen sollte …
Gänzlich vorbei war es für mich dann, als sich Wallace erstmals seinem Protagonisten und dessen Arbeit zuwendet. Der mehrseitige Abriss über Cantors Lebenslauf entzog sich selbstredend nicht meinem Verständnis, alles Folgende jedoch schon. Innerhalb weniger Seiten hatte ich als Leser das Gefühl, zusehends mit Formeln beworfen zu werden, die nie gesehene Symbole beinhalteten und sich nicht nur deswegen meinem Verständnis entzogen. Zusehends fragte ich mich halt eben auch, warum ich mir das antue. Und meine linke Gehirnhälfte, mit der Lektüre selbst vollauf beschäftigt, begann bereits zu winseln und stimmte der mir selbst gestellten Frage vehement zu: „Genau! Wieso eigentlich?“ Mein limbisches System forderte derweil ein, sich doch lieber das Nachtprogramm von Sport1 anzusehen, während meine rechte Gehirnhälfte lapidar verlauten ließ, für all das nicht zuständig zu sein. Nach der Ankündigung des Nachhirns, sich mit den anderen solidarisch zu erklären und seine Tätigkeit umgehend einzustellen, was recht unerfreuliche Folgen hätte haben können, und dem sich daraus entwickelnden zerebralen Generalstreik, sah ich mich zum Einlenken gezwungen.
Tja, und an der Stelle war es das dann für mich, so etwa ab Seite 160 war absehbar, dass alles Folgende für mich keinen Erkenntisgewinn, sondern schlicht eine massive Überforderung und vollständige Zeitverschwendung darstellen würde.
Ich werde also wohl nie erfahren, wie Georg Cantor mathematisch das Unendliche bewiesen hat. Und wenn, dann würde ich es nicht verstehen. Mit dieser Erkenntnis ausgestattet und zudem seit jüngster Vergangenheit um die Erfahrung reicher, dass ich nach Jahren der entsprechenden Abstinenz mittlerweile echt schlecht Schach spiele, sollte ich vielleicht die Erkenntnis ableiten, mich von allen die Logik betreffenden Dingen weitgehend fernzuhalten und mich banaleren Dinge zuzuwenden.
RTL II oder so, irgendwas, was mich halt nicht überfordert …
Demnächst in diesem Blog: Keine Ahnung, vielleicht „Erebus“ von Michael Palin …