Buch: „Natchez Burning“
Autor: Greg Iles
Verlag: Aufbau-Verlag
Ausgabe: Taschenbuch, 1024 Seiten
Der Autor: Greg Iles wurde 1960 in Stuttgart geboren. Sein Vater leitete die medizinische Abteilung der US-Botschaft. Mit vier Jahren zog die Familie nach Natchez, Mississippi. Mit der »Frankly Scarlet Band«, bei der er Sänger und Gitarrist war, tourte er ein paar Jahre durch die USA. Mittlerweile erscheinen seine Bücher in 25 Ländern. Greg Iles lebt heute mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Natchez, Mississippi. Fünf Jahre hat er kein Buch herausgebracht, da er einen schweren Unfall hatte, nun liegen im Aufbau Taschenbuch seine Thriller „Natchez Burning“, „Die Toten von Natchez vor“ und „Die Sünden von Natchez“ vor. (Quelle: Aufbau-Verlag)
Das Buch: Penn Cage, Bürgermeister von Natchez, Mississippi, hat eigentlich vor, endlich zu heiraten. Da kommt ein Konflikt wieder ans Tageslicht, der seine Stadt seit Jahrzehnten in Atem hält. In den sechziger Jahren hat eine Geheimorganisation von weißen, scheinbar ehrbaren Bürgern Schwarze ermordet oder aus der Stadt vertrieben. Nun ist mit Viola Turner, eine farbige Krankenschwester, die damals floh, zurückgekehrt – und stirbt wenig später. Die Polizei verhaftet ausgerechnet Penns Vater – er soll sie ermordet haben. Zusammen mit einem Journalisten macht Penn sich auf, das Rätsel dieses Mordes und vieler anderer zu lösen. (Quelle: Aufbau-Verlag)
Fazit: „Haha – niemals wieder wirst Du dieses Buch anfangen (…)“ war die Reaktion einer geschätzten Bloggerkollegin, nachdem ich seinerzeit verkündete, „Natchez Burning“ abgebrochen zu haben, durchaus aber die Möglichkeit in den Raum stellte, irgendwann, wenn ich mal ganz viel Zeit habe, einen zweiten Versuch zu unternehmen. Ebenso verkündete ich seinerzeit, dass ich zukünftig auch allgemein konsequent die Lektüre von Büchern abbrechen werde, wenn sie mir nicht gefallen. Ein Entschluss, den ich in der Folge dann doch nie in die Tat umsetzte. Ich lese halt Bücher zu Ende, was soll ich machen!? Wenn ich dereinst vor meiner Schöpferin stehe und Alanis mich fragt, was ich mit meiner Zeit angefangen habe, werde ich sagen müssen, dass ich unzählige Stunden darin investiert habe, Bücher zu Ende zu lesen, die ich nicht wirklich gut fand, und ob es das dann wert war, wird man sehen.
Aber zurück zur Ausgangsäußerung, mit der also angezweifelt wurde, dass ich jeeeemals wieder „Natchez Burning“ lesen würde. Nun ja, „Herausforderung angenommen!“, hätte Barney Stinson wohl gesagt, und so machte ich mich frohen Mutes erneut ans Werk. An dieses umfangreiche, sehr, sehr umfangreiche, viel zu umfangreiche Werk …
Dabei waren die Gründe, die Lektüre seinerzeit abzubrechen, schon wirklich zahlreich. Dazu zählte in erster Linie die unheimlich redundante Erzählweise. Darüber schrieb ich in dem damaligen entsprechenden Beitrag:
„So erfährt der Leser im Prolog, was damals in den 60ern in Natchez passiert ist. Anschließend erzählt die damals beteiligte Person A der Person B, was damals in Natchez passiert ist, ergänzt um wenige Details. Der Leser weiß das aber ja bereits aus dem Prolog. Dann erzählt Person B dem Protagonisten Person C, was er im Gespräch mit Person A erfahren hat. Das wiederum weiß der Leser aber ja bereits aus dem Prolog und dem Gespräch zwischen Person A und Person B. Person C nun, man ahnt es bereits, erzählt zu Hause seiner bald Angetrauten, Person D, was er im Gespräch mit Person B erfahren hat. Das wiederum weiß der Leser aber ja bereits aus dem Prolog, dem Gespräch zwischen Person A und Person B sowie dem Gespräch zwischen Person B und Person C.“
Auch wenn diese redundante Erzählweise ihre Vorteile haben mag, sagte doch eine ganz zauberhafte Person hierzu sinngemäß, dass diese Art zu erzählen zumindest die Möglichkeit bietet, längere Lektürepausen zu machen, ohne etwas zu vergessen, weil einem die wesentlichen Handlungselemente ja zigmal vorgekaut würden – und das war auch tatsächlich so -, so muss man konstatieren, dass das im Grunde genommen aber wirklich einfach schlecht erzählt ist. Und das ist schade, denn einerseits hat das Buch dadurch einen Umfang bekommen, der die einen abschrecken und die anderen zur vorzeitigen Aufgabe animieren wird, und andererseits geht dadurch die eigentlich lesenswerte Geschichte etwas unter.
Nimmt man diese Redundanz nämlich weg, fällt auf, dass Greg Iles durchaus spannend erzählen kann. Und diese Feststellung beschränkt sich nicht nur auf die Geschichte, sondern insbesondere auch auf Dinge, die keine wesentlichen Handlungselemente sind, beispielsweise in Form einer immer wieder mal mehr, mal weniger subtil durchscheinenden Kritik am amerikanischen Justizsystem. Ich meine, mich sogar erinnern zu können, dass Iles an einer kurzen Stelle so nebenbei darauf hinweist, dass die Richter an hierarchisch untergeordneten Gerichten im Staat Mississippi noch nicht mal studierte Juristen sein müssen …
Auch bei der elementaren Handlung fällt auf, dass Iles durchaus komplexe, spannende Plots entwickeln kann, denn die Geschichte rund um die Morde an Schwarzen in den 60ern, die hat schon was. Nur leider hält der Autor seine Leserschaft offenbar für dusseliger als sie ist, sonst würde er seinen Plot ja nicht in wesentlichen Teilen dauernd wiederholen … – aber mittlerweile wiederhole ich mich auch, kommen wir also weg von der Geschichte und ihrer Redundanz und wenden uns den Charakteren zu.
Und da treffen wir auf strahlendes Licht, ebenso aber auch auf Schatten, die so dunkel sind wie Vantablack. Positiv zu erwähnen ist hier beispielsweise der Journalist Henry Sexton, der schon seit Jahrzehnten versucht, den Mördern aus den 60ern auf die Schliche zu kommen und der ein bisschen an Redford und Hoffman als Woodward und Bernstein erinnert.
Auf der genau gegenüberliegenden Seite gibt es da aber eben auch Tom Cage, Vater des Protagonisten, und Arzt in Natchez. Und ein begnadeter, so scheint es, vermutlich, weil in Mississippi wenigstens die Ärzte noch studierte Mediziner sein müssen, aber lassen wir das. Aber nicht nur das, Tom Cage scheint auch so eine Art lokaler Heiliger zu sein. Die Überidealisierung, die bei dieser Figur, insbesondere durch den Protagonisten Penn Cage, durchgeführt wird, die war schon schwer erträglich. Einen Konflikt der Hauptfigur zwischen seiner persönlichen Wahrnehmung des eigenen Vaters und dem möglichen Dreck, den besagter Vater seit den 60ern am Stecken haben könnte, hätte man auch gut – vermutlich sogar besser – darstellen können, wenn man aus dem erwähnten Vater nicht so eine Art Sankt Lukas, Schutzpatron der Kranken, gemacht hätte.
So wird über den später auf der Flucht befindlichen Tom Cage an einer Stelle sinngemäß gesagt, dass er an unzähligen Orten sein könne, weil sicherlich die Hälfte seiner Patienten – und damit viele hundert Leute – ihn aus Dankbarkeit bei sich aufnehmen würden … Jetzt stellen wir uns mal folgende Situation vor: Ihr sitzt zu Hause vor dem Fernseher und seht euch eine Diskussionsrunde auf arte an, da klingelt es an der Tür und dort steht euer Hausarzt und sagt: „Hallo! Sie wissen, wer ich bin? Ihr Hausarzt! Ich habe ihr/e (hier beliebiges Leiden einfügen) geheilt. Die Sache ist die: Ich bin auf der Flucht vor der Justiz. Dürfte ich eine Weile bei Ihnen bleiben?“ Ich wüsste ja, was ich täte, aber vermutlich sind die Menschen in Mississippi anders drauf …
Letztlich klingt das alles vielleicht deutlich negativer als es gemeint ist, denn hinter all den unnötigen Wiederholungen und den kitschig-überhöhten Idealistenfiguren verbirgt sich eben eine wirklich gute Geschichte von tragischer Aktualität. Ob es diese dann wert ist, sich durch über 1.100 Seiten zu arbeiten. muss jede/r für sich selbst wissen. Von mir gibt es dazu ein klares, definitives „Vielleicht!“ …
Demnächst in diesem Blog: „Die Pest“ von Albert Camus.