
Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,
juhu, es ist wieder Freitagsfragenzeit im Brüllmausblog. Und diesmal wird es viel Text, ich sags nur wieder vorher. Halten wir uns darüber hinaus aber nicht lange mit Vorreden auf, die Fragen und Antworten lauten:
1.) Wie ordnest Du (Physisches oder mentales) Chaos?
Gegen ein gewisses physisches Chaos, ob im privaten oder beruflichen Umfeld, ist überhaupt nichts einzuwenden. Würde man mir ein starres Ordnungsprinzip aufzwingen, das unter anderem zum Inhalt hat, Dinge, die man gebraucht hat, sofort nach der Nutzung wieder dahin zu legen, wo man sie her hat, würde ich im Brustton der Überzeugung sagen: „So kann ich nicht arbeiten!“ Eine wie auch immer aussehende Planung zur Ordnung erübrigt sich beim phyischen Chaos also.
Was das mentale Chaos angeht, so mache ich gerade die spannende Erfahrung, dass mein eigenes mentales Chaos bzw. dessen Ordnung offenbar nachrangig zu behandeln ist, man das mentale Chaos des Gegenübers dagegen natürlich augenscheinlich prioritär zu betrachten hat, selbst wenn man bezüglich der Ursachen für letzteres Chaos eine leicht abweichende Meinung vertritt, aber das gehört hier eigentlich nicht her, also lassen wir das.
Zur Odnung des mentalen Chaos haben sich im Grunde mehrere Strategien durchgesetzt. Entweder ich ziehe mich in die metaphorische Höhle zurück und denke solange über die Ursachen für das Chaos nach, bis mir eine Lösung eingefallen ist.
Oder ich versuche, vorübergehend erst mal ein bisschen Abstand zu gewinnen, und dafür hat sich Lesen eigentlich immer bewährt.
Die dritte Möglichkeit ist, dass ich mit jemandem darüber rede. Dabei ist dann wichtig: Zumeist will ich nur drüber reden! Ich möchte dann ebenso wenig zuhören, wie ich an „Meiner Meinung nach solltest Du …“-Lösungsansätzen interessiert bin. Sollte ich das doch sein, frage ich nach.
Ja, ich bin schwierig. :-)
2.) Wofür trägst Du keine direkte Verantwortung, aber fühlst Dich dennoch verantwortlich?
Hach, für so vieles! Das ist dann zumeist aber weniger eine persönliche Art der Verantwortung, sondern eher die Frage, inwieweit meine Generation der etwa 40-jährigen es vergeigt hat. Wenn ich die Menge von Jungspunden bei den FFF-Demos sehe, frage ich mich schon: „Hätten wir das, meinetwegen auch zu anderen Themen, nicht vielleicht in den 90ern schon machen sollen?“
Zugegeben, auch damals gab es schon die eine oder andere Aktion, die Sinn hatte. Ich erinnere da mal an die ganzen Lichterketten in der ersten Hälfte der 90er, die aus gegebenen und tragischen Anlässen stattfanden. 1992 waren an einer solchen Lichterkettenaktion in München 400.000 (!) Menschen beteiligt. 400.000! In der Folge 300.000 in Essen, 250.000 in Hamburg, 100.000 in Nürnberg etc. pp.
Und heute? Da kann man froh sein, wenn sich ein paar Hundert Menschen an einer Gegendemo zu einem Neonaziaufmarsch beteiligen. Man kriegt heute keine 400.000 Menschen mehr auf die Straße, schon gar nicht – oder nicht mal – für das Anzünden einer Kerze.
Wann und warum ist das passiert?
In meiner Wahrnehmung hat man sich so etwa ab kurz vor der Mitte der 90er in eine Art Nachwende-Wohlfühloase zurückgezogen. Die Wende war vollbracht, das politische Tauwetter setzte sich fort, der Zweite Golfkrieg war vorbei, die Täter der Mordanschläge von Mölln waren dingfest gemacht und verurteilt – ja gut, ein 19-jähriger nach Jugendstrafrecht, der natürlich – ebenso wie sein eigentlich lebenslänglich verurteilter Kumpan – selbstredend lange schon wieder draußen ist, aber hey … – und wurden, ebenso wie die für die Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen verantwortlichen geistig minderbemittelten Dorfdeppen, mittels der oben genannten Lichterketten in ihre Schranken gewiesen, die Lage war ruhig, der Weltfrieden schien in erreichbarer Nähe.
Und irgendwie ab da muss sich die Weltsicht durchgesetzt haben, dass es fürderhin nicht mehr nötig ist, auf die Straße zu gehen, nur weil einem etwas nicht passt …
Wirklich nennenswerte Demos in großer Zahl gab es, zumindest in meiner Wahrnehmung, dann erst wieder ab 2004 vor der bzw. gegen die Einführung des sogenannten „Hartz 4“. Und mal völlig davon abgesehen, dass dagegen jegliche Form des Protestes absolut gerechtfertigt ist, lernen wir daraus: Zu Demos geht der Deutsche nur noch, wenn es ihm an den Geldbeutel geht …
Denn im Jahr 2015 hat es nach BKA-Angaben über 1.000 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte gegeben. Im Jahr darauf lag die Zahl knapp unter 1.000. Nach 312 im Jahr 2017 sank die Zahl im Jahr 2018 auf etwa 150, woraufhin sich die „Welt“ zur Schlagzeile „Zahl der Anschläge auf Asylunterkünfte geht auch 2018 zurück“ hinreißen ließ. Ja, genau, ihr mich auch, „Welt“. Ich empfehle die Lektüre des genannten Artikels allein wegen der Kommentare darunter, die ein Gespür dafür vermitteln, welche Arschlöcher in diesem Land so rumlaufen und mag ihre Zahl noch so gering sein.
Wo war in dieser gesamten Zeit auch nur eine einzige entsprechende gesamtgesellschaftliche Reaktion in einer Größenordnung der Lichterketten von damals? Und wenn es sie nicht gab, warum dann nicht? Lief gerade das Dschungelcamp, oder was!? Ich verstehs nicht …
Mit solch weltbewegenden Fragen bin ich aber nicht alleine. Sehen wir mal nach:
Wir befinden uns in der Hölle, dem Stammsitz der „Fate LLP“, dessen Eigentümer und Geschäftsführer S. Atan sich gerade auf die Suche nach seinem Assistenten, Prokuristen und allgemeinem Lakaien Lübke macht.
„Ach, hier sind Sie, Lübke. Ich hätte nicht gedacht, dass ich Sie mal in der Cafeteria treffe. Was machen Sie denn hier? Sie sitzen hier mit einem Gesicht wie sieben Tage Regenwetter vor ihrem Glas mit … was immer das ist und …“
„Glühwein.“
„Im Sommer?“
„Ja, im Winter kriegt man das Zeug ja nicht mehr weg!“
„Auch wieder wahr. Was betrübt sie denn so, Lübke?“
„Ach, haben Sie sich mal Gedanken gemacht, inwieweit wir hier verantwortlich sind für all das Schlechte da draußen?“
„Nun … ja! Das ist immerhin … ähm, Teil des Jobs!?“
„Ja, eben. Und hatten sie dabei nie irgendwelche moralischen Bedenken?“
„Bedenken? Nein! Sehen Sie es mal so: Ohne uns hätten Typen wie der RWB-Spinner …“
„Der wer?“
„Na, der Reisswolfblog-Spinner, kurz RWB-Spinner. Ich bin dazu übergegangen, das abzukürzen, einfach, weil es schmissiger ist. Und außerdem dem RWBS – ha, noch kürzer – viel Tipperei erspart. Darüber hinaus kürzt man heutzutage zeitgemäß sowieso viel ab, so werden Serien und Bands zu „TBBT“ und „NKOTB“.“
„NKOTB und „zeitgemäß“ in einem Satz und Kausalzusammenhang zu benutzen, würde ich schon fast als verwegen bezeichnen.“
„Es geht ums Prinzip, Lübke! Und um auf ihre Ursprungsfrage zurückzukommen: Warum sollten wir ein schlechtes Gewissen haben!? Sehen, der „Bis-zur-letzten-Patrone“-Innenminister hat doch auch keins, wenn es um das Fehlverhalten von Polizisten geht. Deswegen weigert er sich doch standhaft, eine Untersuchung durchzuführen, weil ja nicht sein kann, was nicht sein darf. Und solange der Innenhorst so drauf ist, mache ich mir gar keine Gedanken. Außerdem …“
„Ja, Chef, was außerdem?“
„Außerdem macht der Job doch auch irgendwie Spaß, oder nicht!? Wenn sich alle darüber aufregen, dass die Welt so schlecht geworden ist, und man dabei seine Hand im Spiel hatte, das hat doch was, oder nicht!? Glauben Sie denn, ohne mein Eingreifen hätte der FC Bayern München acht Meisterschaften in Folge erreicht?“
„Das waren Sie?“
„Ja, sicher!“
„Das heißt, der vielbeschworene Fußballgott ist in Wahrheit …“
„Genau!“
„Das erklärt vielleicht auch die Saison des SV Werder … Hm, das wusste ich nicht …“
„Sie wissen vieles nicht, Lübke. Einfach, weil ich vieles rein zu meinem Privatvergnügen mache. Nehmen Sie „Wirecard“, oder wie ich sie nenne: Firma, die nur eine gute Woche zwischen Bilanzerstellung und Insolvenzantrag braucht. Seit 2019 schon wusste man im Bundesfinanzministerium, dass die BaFin gegen Wirecard ermittelt. Jetzt raten Sie mal, wer denen das gesagt hat …!“
„Oha.“
„Ja, genau. Oder hier, der Gouverneur von Georgia, Brian Kemp. Der hat kürzlich den Bürgermeistern und Bürgemeisterinnen in seinem Staat verboten, in ihren jeweiligen Städten eine Maskenpflicht einzuführen. Glauben Sie, der ist wirklich so dämlich, das aus eigener oder politischer Überzeugung zu tun?“
„Ist Gourverneur Kemp Republikaner?“
„Nun … ja!?“
„Dann ja, dann glaube ich, dass der wirklich so dämlich ist.“
„Punkt für Sie – aber Fakt ist, dass ich, sagen wir, Druckmittel besitze, um Gourverneur Kemp tun und lassen zu können, wozu immer ich Lust habe.“
„Und welcher Art sind diese Druckm…“
„Das wollen Sie nicht wissen!“
„In was haben Sie denn noch alles ihre Hände drin?“
„Och, beispielsweise in hessischen Polizeicomputern oder im thüringischen Landesverfassungsgericht …“
„Wahnsinn …Auch in Regierungen? Bolsonaro?“
„Nein, der ist leider wirklich irre. Aber sonst … ja, in einigen.“
„Und all das belastet Sie nicht im Geringsten?“
„Ach, wo kämen wir denn da hin!? Manche Bloggerkolleginnen des RWBS glauben ja, ich sei das Resultat eines fehlgeschlagenen Experiments, aber Fakt ist, Lübke, Fakt ist, dass ich ein knallhartes Bewerbungsverfahren durchlaufen musste, dass es ein unbarmherziges Auswahlverfahren gab, bis mir Luzifer den Laden hier überschrieben hat.“
„Wie gehts dem eigentlich?“
„Och, ganz gut, der regiert halt sein Land. Fun fact ist, dass gemäß einer aktuellen Umfrage viele der Kirchgänger unter seinen Untertanen der Aussage zustimmen, er sei „der von Gott Gesalbte„. Schon witzig irgendwie …
„Nun ja …“
„Ach, Lübke, nicht so negativ. Und werden Sie endlich Ihre Gewissensbisse los. Sehen Sie es doch mal so: Wir machen hier einen wichtigen Job!“
„Inwiefern?“
„Na, wenn wir nie dafür sorgen würden, dass mal etwas Schlechtes passiert, wenn immer alles Friede, Freude, Eierkuchen wäre, dann würde sich doch bald niemand mehr für irgendwas engagieren, niemand würde mehr darauf drängen, Missstände aus der Welt zu bringen, alle würden Dinge wie Demokratie als gegeben ansehen, für die sich nicht nur nicht kämpfen lohnt, sondern für die man nicht mal mehr einzutreten bräuchte. Würden Sie in einer solchen Welt leben wollen?“
„Hm, so gesehen …“
„Na also! So, und jetzt nehmen Sie sich den Rest des Tages frei und genehmigen sich, wenn Sie möchten, noch den einen oder anderen Glühwein, ich bin für den Rest des Tages sowieso anderweitig beschäftigt.“
„Womit denn?“
„Na, gleich habe ich eine Videokonferenz mit den sparsamen Vier, um den EU-Gipfel vor die Wand zu fahren und dann …“
„Ja …?“
„… dann muss ich mir noch überlegen, wie ich es schaffe, Kai Havertz doch noch zum FC Bayern München zu transferieren …“
3.) Wie isst Du Spaghetti?
Mit ´nem Akkuschrauber? ;-) Nein, handelsüblich mit der Gabel, gerne aber auch unterstützt durch einen Löffel.
4.) Die Wahl der Qual:
Würdest Du lieber in einem defekten Skilift oder einem Aufzug feststecken?
Puh, das finde ich beides ganz übel. Aber vor dem Hintergrund, dass ich es mit Kälte nicht so habe – und ein Skilift vorzugsweise in eher kühlen Gefilden steht – und mit Höhe noch sehr viel weniger und ich eigentlich so etwas wie einen Skilift ohnehin nur für eine mindestens siebenstellige Geldsumme oder aber durch Androhung körperlicher Gewalt betreten würde, nehme ich mal den Aufzug.
Das war es dann auch schon wieder.
Ich wünsche allseits einen schönen Restfreitag und ein anschließendes, möglichst schönes Wochenende.
Gehabt euch wohl.
Bleibt gesund.
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