Buch: „Ich bringe Dir die Nacht“
Autorin: Catherine Ryan Howard
Verlag: Rowohlt
Ausgabe: Taschenbuch, 444 Seiten
Die Autorin: Catherine Ryan Howard, geboren 1982, stammt aus Cork in Irland. Sie hat zwei Reisegeschichten veröffentlicht und Seminare bei der Faber Academy, den Guardian Master Classes und Publishing Ireland absolviert und auch geleitet. Sie arbeitet als freie Social-Media-Marketingexpertin für Penguin Ireland. Nebenbei machte sie ihren Abschluss in English Studies am Trinity College in Dublin. (Quelle: Rowohlt)
Das Buch: Zehn Jahre sitzt der berüchtigte Kanal-Killer von Dublin bereits im Gefängnis, da wird erneut die Leiche einer jungen Frau aus dem Wasser geborgen. Ein Nachahmer? Die Ermittler wenden sich an den Häftling, doch Will Hurley will nur mit einem Menschen sprechen: seiner ersten Liebe Alison.
Mühsam hat sich Alison nach Wills Verurteilung ein neues Leben aufgebaut. Als die Polizei um ihre Hilfe bittet, lehnt sie ab. Wie soll sie diesem Serienkiller entgegentreten, der ihr Freund war? Aber es geht um Leben und Tod. Alison kann nicht weglaufen. Auch wenn die Vergangenheit weit schlimmere Geheimnisse birgt, als sie ahnt. (Quelle: Rowohlt)
Fazit: Ich habe in der jüngeren Vergangenheit einige Bücher gelesen, die mich begeistert haben. Ich habe einige Bücher gelesen, die mich noch nachhaltig beschäftigen und beschäftigen werden. Davon wird noch zu reden bzw. schreiben sein. Und ich habe Bücher gelesen, die ich sehr bald wieder vergessen haben werde, ohne, dass sie schlecht waren, da sie mich zumindest für den Moment ansprechend unterhalten haben. Und in diese letzte Kategorie gehört „Ich bringe Dir die Nacht“.
Catherine Ryan Howard teilt ihren Roman in Kapitel, die aus der Sicht von Alison erzählt werden, größtenteils in der Gegenwart, zum Teil aber auch in der Vergangenheit zur Zeit der Morde spielen und die sinnigerweise mit „Alison, heute“ und „Alison, damals“ überschrieben sind. Diese pragmatische Erzählweise funktioniert recht gut, zumal sie die Gelegenheit bietet, Charaktere zu schildern, die in der Gegenwart bereits tot sind.
Charaktere wie Alisons beste Freundin Liz zum Beispiel. Und gerade diese Figur ist für mich ein einziges Ärgernis. Während die übrigen Charaktere weitgehend überzeugen, fällt Liz vollkommen unten durch. Die Autorin bemüht sich, Liz also möglichst fieses Biest hinzustellen, die Alison häufig herablassend behandelt und die insgesamt nicht als ein auch nur im Ansatz netter Mensch rüberkommt. Das kann man ja machen, für mich wirkt das aber eher so, wie die zweifelhafte Charakterisierung in einem klischeebeladenen YA-Roman, wobei ich damit nichts gegen das Genre selbst gesagt haben will. Nun ist ja auch nicht jeder Mensch wirklich nett und es mag ja sein, dass Liz eben wirklich ein bisschen ätzend ist. Hier wirkt es nur leider überzeichnet.
Allerdings wirft es eine interessante Frage auf. Bei mir als Leser rief die Information, dass Liz ebenfalls unter den Opfern des „Kanal-Killers“ ist, allenfalls ein Schulterzucken hervor. Dann hat sie eben Pech gehabt. Alison selbst fällt allerdings auch irgendwann auf, dass Liz sie nicht gerade freundlich behandelt und sie sinniert im Rückblick über die Frage, inwieweit das neue Bild, das sie von ihrer Freundin bekommt, ihre Trauer um sie beeinflusst. Abseits der eigentlichen Kriminalhandlung – denn trotz der beharrlichen Einordnung von Rowohlt als „Thriller“ würde ich „Ich bringe Dir die Nacht“ eher als Krimi einordnen – hat das Buch hier unerwartete Stärken.
Abseits des charakterlichen Totalausfalls wirken die Charaktere allerdings, ich erwähnte es, durchgehend positiv. Alison ist eine sehr nachvollziehbare Hauptfigur, die man gerne persönlich kennen würde. Und auch ihr damaliger Freund Will, der nunmehr im Knast sitzt, ist gut getroffen, hat etwas Geheimnisvolles und latent Unheimliches.
Die Handlung bezeichnet „Sunday Independent“ als „Klug konstruiert und ungeheuer eindringlich“. Ja und nein, möchte ich da sagen. Ja, klug konstruiert ist der Roman durchaus, er lässt die Leser lange im Unklaren hinsichtlich der Schuldfrage und auch die bis zur Klärung dieser Frage laufenden Ermittlungsarbeiten der Garda-Beamten überzeugen durch Spannung und sind in sich schlüssig.
„Ungeheuer eindringlich“ finde ich „Ich bringe Dir die Nacht“ dagegen nicht. Ich persönlich finde eher, dass das Buch so etwas ist, wie ein gemütlicher Sommerabend, den man in angenehmer Gesellschaft von Freunden verbracht hat. Ein Abend, an dem man nach Hause geht uns sagt: „Hach, das war schön.“ Allerdings kein Abend, über den man nach 10 Jahren sagt: „Weißt Du noch …?“
Wertung:
Handlung: 7 von 10 Punkten
Charaktere: 7,5 von 10 Punkten
Stil: 8 von 10 Punkten
Spannung: 7,5 von 10 Punkten
Gesamtwertung: 7,5 von 10 Punkten
Demnächst in diesem Blog: „Eine irische Familiengeschichte“ von Graham Norton.