Buch: „Die dritte Frau“
Autor: Wolfram Fleischhauer
Verlag: Droemer Knaur
Ausgabe: Taschenbuch, 272 Seiten
Der Autor: Wolfram Fleischhauer wurde 1961 in Karlsruhe geboren. Bei Droemer erschienen seine vier Romane über Malerei (Die Purpurlinie), Literatur (Die Frau mit den Regenhänden), Tanz (Drei Minuten mit der Wirklichkeit), und Philosophie (Das Buch, in dem die Welt verschwand) mit bis heute ungebrochenem Erfolg. In seinen Gegenwartsromanen Torso, Schweigend steht der Wald und Das Meer verbindet Wolfram Fleischhauer aktuelle gesellschaftliche Themen mit dramatischer Spannung. Nun hat er den Faden seines Erstlings Die Purpurlinie (1996) wieder aufgenommen. (Quelle: Droemer Knaur)
Das Buch: Vor Jahren schrieb ein junger Autor einen historischen Roman über das geheimnisvolle Renaissance-Gemälde »Gabrielle d’Estrées und eine ihrer Schwestern«. Trotz jahrelanger Recherchen gelang es ihm nur zum Teil, das Rätsel um den Tod der schönen Herzogin zu lösen, die wenige Tage vor ihrer Hochzeit mit dem französischen König Heinrich IV. unter bis heute ungeklärten Umständen starb. Nun aber werden dem Autor unbekannte Quellen zugespielt – und zwar von einer direkten Nachfahrin der zweiten Frau auf dem Gemälde.
Unaufhaltsam gerät der Autor in den Bann der geheimnisvollen Camille Balzac, und es entspinnt sich ein obsessives Spiel aus Verlockung und Zurückweisung, an dessen Ende der Sturz in den Abgrund droht: zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Liebe und Hass, Dichtung und Wahrheit – Mann und Frau.
Der Roman über das rätselhafteste Gemälde des Louvre und eine obsessive Liebe knüpft thematisch an Wolfram Fleischhauers Bestseller »Die Purpurlinie« an – »Die dritte Frau« ist jedoch ein völlig eigenständiger Roman, ohne Vorkenntnisse zu lesen. (Quelle: Droemer Knaur)
Fazit: Nun ging Wolfram Fleischhauers Roman „Die Purpurlinie“ seinerzeit zwar an mir vorbei, für mich als durchaus (kunst)geschichtlich interessierten Leser war dieser Umstand aber noch lange kein Grund, mich nicht dem quasi Nachfolger „Die dritte Frau“ zuzuwenden. Und da es das aktuelle Jahr in literarischer Hinsicht – aber auch wirklich nur in dieser – wirklich gut mit mir meint, war es dem Gesetz der Serie folgend irgendwie wenig überraschend, dass mir der Roman ausnehmend gut gefiel.
Darin präsentiert Fleischhauer seiner Leserschaft einen Protagonisten in Form eines namenlosen Autors, der einerseits als Ich-Erzähler fungiert, und andererseits vor vielen Jahren einen erfolgreichen Roman über das im Louvre befindliche Gemälde „Gabrielle d´Estrées und eine ihrer Schwestern“ eines unbekannten Künstlers geschrieben hat. Neckisches Werk. Das Gemälde, nicht der Roman.
Viele Jahre später befindet sich der besagte Autor irgendwo zwischen Schaffenskrise und Schreibblockade, hadert mit der Scheidung von seiner Frau, hält sich mit Übersetzungstätigkeiten über Wasser und weiß eigentlich gar nicht so genau, wie es – insbesondere in beruflicher Hinsicht – denn nun weitergehen soll.
Seine Literaturagentin rät ihm, den Ansatz zu einem neuen Buch in seinen bisher veröffentlichten Werken zu finden. In diesem Zusammenhang erinnert sich der Autor an einen vor einigen Jahren bei ihm anlässlich der französischen Übersetzung seines Erfolgsromans eingegangenen Briefs eines empörten Lesers, der eher einem Verriss des Buches als einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem Buch gleichkommt. Der diffuse Hinweis des Verfassers, im Besitz entsprechender Quellen zu sein, genügt unserem Protagonisten, nach Frankreich aufzubrechen, nur um dort festzustellen, dass der Leserbriefschreiber verstorben und der Autor nun mit dessen Enkelin Camille vorlieb nehmen muss. Der Autor versucht, in den Besitz der Quellen aus dem Nachlass von Camilles Großvater zu kommen – und damit fangen seine Schwierigkeiten erst so richtig an.
Zunächst mal muss man lobend hervorheben, dass es Wolfram Fleischhauer gelingt, den Inhalt seines Buches „Die Purpurlinie“ in angemessenem Umfang einfließen zu lassen, ohne es vollständig nochmal nachzuerzählen. Kenner des Buches sehen damit ihre Erinnerungen aufgefrischt, Neulinge verfügen so über genug Informationen, um „Die dritte Frau“ separat zu lesen. Dazu kommt, dass der Roman mächtig Lust darauf macht, ggf. auftauchende Lücken in den Kenntnissen der Leserschaft zu den historischen Gegebenheiten, denen die Handlung zugrunde liegt, durch ausgiebigen Suchmaschineneinsatz zu schließen.
Inhaltlich machten mir zu Beginn zwei Dinge besondere Freude, die sich im Grunde abseits der eigentlichen Handlung bewegen. Zum einen wäre da die Metaebene zu nennen, auf der sich das Buch bewegt, denn u. a. aus der Existenz von „Die Purpurlinie“ oder dem Vorhandensein diverser Quellen zu den historischen Begebenheiten im persönlichen Archiv von Wolfram Fleischhauer, lässt sich wenig schwerlich ableiten, dass der namenlose Autor ein Alter Ego von Fleischhauer selbst zu sein scheint.
Zum anderen ist das der Einblick in den Literaturbetrieb, den uns der Autor über die Diskussionen zwischen dem Protagonisten und seiner Literaturagentin Moran gewährt. An dieser Stelle sei die Erwähnung gestattet, dass beide ein ähnlich düsteres Bild über die Zukunft des historischen Romans als Genre malen wie ich das zuweilen tue. Nur fürs Protokoll …
Allerdings mag man einiges an diesem Roman als eher sperrig empfinden. So taugen weder der namenlose Autor noch seine Mitstreiterin Camille so wirklich als Sympathieträger. Der Autor hadert sehr mit sich selbst, dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest, während Camille zwar durchaus geheimnisvoll rüberkommt, aber eben auch so ein bisschen befremdlich wirkt. Nun ist mir persönlich vollkommen wurscht, ob Figuren sympathisch wirken, aber es gibt ja Leserinnen und Leser, denen das wichtig ist, deswegen sei es hier erwähnt. Für mich persönlich ungleich wichtiger ist, ob die Figuren nachvollziehbar und in sich schlüssig sind, was man im Falle der Protagonisten absolut bejahen kann.
In stilistischer Hinsicht könnte ich von der Verwendung der ansonsten eigentlich tunlichst zu vermeidenden Floskel Gebrauch machen, dass sich der Roman „flüssig“ lesen lasse, denn das ist unbestreitbar so. Nun ist „flüssig“ nicht unbedingt ein Qualitätskriterium, weswegen mir ergänzend gestattet sei, zu erwähnen, dass ich mich bei der Lektüre – bei dieser Einschätzung spielen sicherlich auch das Setting sowie einzelne Handlungselemente eine Rolle – ein bisschen an Hanns-Josef Ortheil erinnert fühlte, mit Anleihen einer früheren Version von Martin Suter sowie Spuren von Dan Brown. Letztere sind natürlich auch Wolfram Fleischhauer bewusst, weswegen er seine Protagonisten das auch in mehr oder weniger sarkastischer Form explizit ansprechen lässt.
Inhaltlich möchte ich eigentlich nichts preisgeben, was über die Informationen zu Beginn hinausgeht, bei 272 Seiten läuft man sonst Gefahr, zu viel zu verraten.
In Summe ist es aber schon beeindruckend, was Wolfram Fleischhauer alles in diese 272 Seiten gepackt hat. Wer Romane mit (kunst)historischem Hintergrund mag und darauf verzichten kann, dass darin der immer selbe Professor der religiösen Ikonologie und Symbolologie atemlos von einem Schauplatz zum nächsten hetzt, um dubiose Codes zu knacken, dürfte mit „Die dritte Frau“ zufrieden sein.
Geblieben ist für mich jedenfalls ein überzeugendes Leseerlebnis. Und die Erkenntnis, mal wieder was von Ortheil lesen zu wollen …
Ich danke dem Verlag für die freundliche Übersendung des kostenlosen Rezensionsexemplars. Dass es sich um ein Rezensionsexemplar handelt, beeinflusst meine Meinung selbstredend nicht.
Demächst in diesem Blog: „Zwölf Ausschweifungen“ von Sören Heim. War eigentlich vor Wolfram Fleischhauer geplant, nun muss sich Sören aber, aus Gründen, noch so ein, zwei Tage gedulden.