Freitagfragen zum Wochenstart

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Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

die Beantwortung der Freitagsfragen im Brüllmausblog ist eigentlich eine Art festes Freitagsritual. Nur am letzten Freitag – da hatte ich irgendwie keine Lust. Und am Samstag auch nicht. Und gestern schon mal gar nicht. Also dann eben heute, zum Wochenstart.

Die Fragen und Antworten lauten:

1.) Was war diese Woche richtig gut?

Nun, wie gesagt, eigentlich hätte ich die Freitagsfragen ja schon am Freitag beantwortet. Da ich das heute erst tue, muss ich natürlich auch das vergangene Wochenende für die Beantwortung berücksichtigen und kann daher sagen: Mir diese Frage in einer Woche zu stellen, in der mein heißgeliebter SV Werder mit 2:6 zu Hause gegen die Pillendreher aus Vizekusen eingegangen ist, ist mal mindestens mutig!

Aber stellen wir uns mal vor, ich hätte diese Frage am letzten Freitag beantwortet, dann hätte ich die Woche Revue passieren lassen und hätte geantwortet: „Eigentlich nix!“ Dann wiederum hätte ich mir gedacht, dass das ja eigentlich gar nicht sein kann und dass man sich ja auch über die kleinen Dinge im Leben freuen soll, hätte die Frage unter diesem Gesichtspunkt erneut betrachtet und dann geantwortet: „Nee, eigentlich wirklich nix!“

Dann wiederum wäre mir eingefallen, dass das so tatsächlich nicht stimmt, denn zwei gute Dinge gab es in der letzten Woche schon. Als da wären ein spontaner Abend in netter Runde am letzten Mittwoch sowie ein schönes, wenn auch viel zu kurzes Telefongespräch am letzten Freitag.

Ich hätte auch nichts dagegen, wenn die folgende Woche aus fünf solcher Abende und mindestens fünf dieser Telefongespräche bestünde, aber das wird wohl nichts. Wenn die folgende Woche rum ist, mache ich redensartlich drei Kreuze.

Schon der heutige Morgen deutete an, dass die Folgewoche nicht in die Liste meiner Lieblingswochen eingehen würde, wenn ich denn eine solche hätte:

Es ist drei Uhr früh am Montag Morgen. Eigentlich könnte ich noch ein paar Stunden schlafen – wenn ich es denn könnte. Stattdessen geht mein Hirn schon mal die anstehende Woche durch. Irgendwann war ich dann so von mir genervt, dass ich schon mal aufstand und den Fernseher anwarf, auf der Suche nach den Nachrichten. Auf dem Weg dorthin präsentiert mir ein unbedeutender Sender sein Programm für den November, das ein Mann anpreist, mit den Formulierungen „gegen den Herbstblues“ und „dunkle Herbsttage gibt es bei uns nicht!“. Ich sehe aus dem Fenster in die Dunkelheit und fühle mich bemüßigt, die ersten Worte des Tages zu sprechen: „Ach, Schnauze, Du Penner!“

Dann schalte ich weiter und komme an einem Werbespot vorbei, in dem ein mir bislang unbekannter Anbieter von – ganz offensichtlich – Autoversicherungen nervtötende Darsteller etwas von „Für meine Autoooversicheruuuuung …“ singen lässt. Erste Gewaltfantasien brechen sich Bahn, auch weil man Gewaltfantasien mittlerweile mit „f“ schreibt.

Kurz danach bin ich dann im Nachrichtensender angekommen und muss gleich zu Beginn das Gesicht von Jörg Meuthen ertragen, der davon redet, seine AfD werde, wie bisher, weiterhin „gute und konstruktive Oppositionsarbeit“ machen. Ich möchte lachen, fürchte aber, dass er das ernst meint.

Reflexartig schalte ich um, auch weil mir einfällt, dass ich den Nachrichtensendern „n-tv“ und „Welt“ nicht sonderlich viel Liebe entgegenbringe. Bei den Sendern des ÖR angekommen, ist das Bild des Schreckens ähnlich, nur etwas anders. Man thematisiert, dass die AfD in Hessen etwas über 13 % erreicht habe

– bei der Gelegenheit: Herzlichen Glückwunsch dazu, liebe Hessen – *slow clap*

und blendet eine Rede des hessischen AfD-Kandidaten Rainer Rahn ein. Urplötzlich fährt es mir kalt den Rücken runter: Sekundenlang habe ich, Rahns angesichtig, die Vermutung, Jürgen Möllemann sei von den Toten auferstanden und habe sich Rudi Völlers Frisur geklaut. Aber es ist nicht Möllemann, es ist Rahn.

Kurz danach geht es thematisch nach Brasilien, wo bewiesen wird, dass die Menschen auch andernorts in der Lage sind, Idioten zu wählen.

Resigniert schalte ich den Fernseher wieder aus und starre weiter aus dem Fenster. Das Gefühl macht sich breit, es mit keiner guten Woche zu tun zu haben. Nicht nur, dass mein Körper mir auf mittlerweile gleich zwei Arten zu verstehen gibt, dass er unter Stress-Dauerbeschuss steht und mein Immunsystem erschossen werden müsste, wenn es ein Pferd wäre, steht die folgende Woche auch unter dem Einfluss diverser Termine, auf die ich gerne verzichten möchte, bei denen Abwesenheit allerdings keine Option ist, und der Tatsache, dass im Laufe der Woche der November beginnt. Und der November und ich, wir sind keine so guten Freunde. Aber hey, „dunkle Herbsttage gibt es bei uns nicht!“ Am Arsch!

2.) Hast Du ein Testament oder planst, eines zu verfassen?

Muhahahahahahah! :-) Nein, mal ernsthaft: Ich habe keines. Das hat den einfachen Grund, dass ich nichts zu vererben habe. Ich besitze schlicht praktisch nichts. Okay, wenn alles gut läuft, könnte ich im Laufe der Woche Eigentümer eines neuen Autos sein – sollte das innerhalb der nächsten Tage nicht der Fall sein, denke ich ernsthaft darüber nach, mein kaputtes jetziges Auto, notfalls selbst, zu reparieren, nur um damit dann mit dem fröhlichen Ausruf „Hier ist Jacky!“ in den Eingangsbereich des Autohändlers zu scheppern. Ich schwanke noch in meiner Beurteilung, ob das eine gute Idee ist.

Jedenfalls, abgesehen davon ist mein wertvollster Besitz wahrscheinlich schon mein PC, der vor vier Jahren mit viel gutem Willen als Mittelklasse-PC durchging. Möglicherweise ist schon der Inhalt meines Steam-Accounts mehr wert als der PC.

Also kurz: Ich habe keines, weil ich keines brauche.

3.) Wie erklärst Du Dir Verschwörungstheorien?

Gute Frage! Ich frage mich auch immer wieder, warum es bestimmten Menschen offensichtlich einfacher fällt, komplizierte Gedankenkonstrukte eher glauben zu können als die offensichtliche Wahrheit.

Das fängt schon bei den „Lügenpresse“-Schreihälsen und ihrem Verhältnis zu den Medien an. Ich war kürzlich Teilnehmer einer in einem Kommentarbereich geführten Diskussion über den Rundfunkbeitrag. Und dort tauchten besagte Schreihälse zu zuhauf auf. Nichts scheint Volkes Seele übrigens so sehr zum Kochen zu bringen wie dieser Rundfunkbeitrag. Man könnte den Deutschen morgen Bier und Benzin verbieten, die Wut darauf wäre weniger groß als die über die Beibehaltung des Rundfunkbeitrags.

Nicht selten ist in diesem Zusammenhang dann von „Staatsmedien“ die Rede. Ich wünsche diesen Menschen dann immer, dass sie nicht mal in einem Staat leben müssen, in dem es wirklich Staatsmedien gibt. Wenn ich mir zum Beispiel diese putzige nordkoreanische Nachrichtensprecherin ansehe, die während ihrer Moderation immer irgendwie auf und ab wippt, als würde sie gerade mindestens auf einem Massagekissen, möglicherweise aber auch, mit Verlaub, auf einem Dildo sitzen und die dann Berichte ansagt, in denen gezeigt wird, wie überzeugend wirkende nordkoreanische Jubelperser zum Ausdruck bringen, wie lieb sie Kim Jong-un doch haben, dann brauche ich keine Koreanisch-Kenntnisse um zu begreifen, dass der Beitrag nicht unter dem Titel „Kim Jong-un ist doof!“ steht. Aber sobald wir die AfD in der Regierungsverantwortung haben, werden wir ähnliche Bilder auch hier sehen können …

Klar kann und soll man mediale Berichterstattung kritisch sehen – man darf zum Beispiel fragen, warum gewählte Präsidenten im Duktus der Medien, sofern sie, also die Präsidenten, jetzt nicht unbedingt lupenreine Demokraten zu sein scheinen, umgehend in „Machthaber“ umbenannt werden – aber den ÖR zu unterstellen, wissentlich Lügen zu verbreiten – wobei natürlich alles eine Lüge darstellt, was nicht sofort ins Weltbild der „Lügenpresse“-Schreier passt -, ist schon hart.

Was mich an diesen Menschen, insgesamt an Anhängern diverser Verschwörungstheorien, am meisten aufregt, ist deren oft überhebliche Arroganz, mit der sie den Eindruck erwecken, sie allein seien im Besitz der alleinigen, allgemeingültigen Wahrheit und alle, die im Hirn noch rund laufen, seien einer „Gehirnwäsche“ unterzogen worden, und würden schon noch „aufwachen“, sobald sie nur „besser informiert“ seien.

4.) Die Wahl der Qual: Einen Monat ohne Internet oder umziehen müssen?

Da wähle ich doch ganz eindeutig den Monat ohne Internet. Ein nicht unwesentlicher – oder sagen wir besser „nicht unwichtiger“ – Teil meines persönlichen Umfeldes hat es im Laufe der letzten Jahre vorgezogen, aus der Gegend wegzuziehen, allerdings geografisch so ungünstig, dass ein Umzug in eine Richtung umgehend eine Distanzvergrößerung in mehrere andere Richtungen bedeuten würde, ich wüsste also gar nicht, wo ich hinziehen sollte. Deshalb nehme ich lieber den Monat ohne Internet.

 

Das war es auch schon wieder, liebe Leserinnen und Leser. Ich werde jetzt einen erneuten Versuch unternehmen, den Marienkäfer zu retten, den offensichtlich jemand in meinem Büro übers Wochenende eingesperrt hat. Der erste Versuch glückte nicht, erzeugte nur den Ausruf meines mich am geöffneten Fenster stehend sehenden Chefs: „Tun Sie es nicht, Sie sind doch noch so jung und das Leben ist so schön!“ :-)

In diesem Sinne:

Gehabt euch wohl!

 

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Wem der große Wurf gelungen, mische seinen Jubel ein: Marrakesch-Richtlinie umgesetzt

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

bevor es jemand sagt: Mir ist völlig bewusst, dass die Überschrift eine Verkürzung von Schillers Original darstellt. Aus, sagen wir mal hochtrabend – denn wenn andere hochtrabend können, kann ich das auch, dazu später mehr -, dramaturgischen Gründen war diese Verkürzung notwendig. Ich bin mir sicher, good old Schiller hätte nichts dagegen.

Vor knapp zwei Wochen schrieb ich einen Beitrag über die Umsetzung der Marrakesch-Richtlinie und der Kritik an der selben. Bis zum 11. Oktober hätte die Bundesrepublik eigentlich Zeit gehabt, die Richtlinie in nationales Recht zu gießen. Aber Dinge, die entweder gut werden sollen oder aber für den Großteil der Bevölkerung augenscheinlich jetzt nicht soooo wichtig sind, nehmen ja gerne mal etwas mehr Zeit in Anspruch. Deshalb hat der Bundestag den Gesetzentwurf zur Marrakesch-Richtlinie erst am vergangenen Donnerstag umgesetzt. Um 22:30 Uhr (!) begann der Austausch im Parlament um die Ausgestaltung der Richtlinie, was meine – völlig aus der Luft gegriffene – Vermutung zulässt, man habe diesen Tagesordnungspunkt so lange nach hinten verschoben, bis jeder ernsthafte parlamentarische Widerstand zu diesem Zeitpunkt schon sanft entschlummert ist.

Nun aber ist sie umgesetzt, die Marrakesch Richtlinie. Die ursprüngliche Fassung wurde nochmals überarbeitet, die eigentlichen Streitpunkte – nämlich, dass das Gesetzt nicht für eine ausreichend große Personengruppe greift – man also weiterhin einfach die „falsche“ Behinderung haben kann -, sowie insbesondere die Vergütungspflicht, die (Blinden-)Bibliotheken auferlegt wurden, wenn sie barrierefreie Ausgaben literarischer Werke erstellen – sind allerdings immer noch enthalten. Vielen Dank für nichts, möchte man da mal ganz unsachlich einwerfen.

Faszinierend zu sehen ist, wie unterschiedlich das Ergebnis denn nun betrachtet wird. Zum Einen wäre da die Tatsache, dass, neben den Regierungsparteien, auch die AfD für den Entwurf gestimmt hat. Ich persönlich hätte mir ja die Frage gestellt, was an einem Entwurf – insbesondere wenn es um Fragen bezüglich der Behindertenrechte geht, denn ich erinnere mich noch lebhaft an die Anfrage der AfD aus dem April hinsichtlich des Zusammenhangs von Behinderungen, Migration und Inzucht – wohl nicht stimmt, wenn dieser die Zustimmung der AfD findet, und ob man diesem dann nicht instinktiv ablehnend gegenüberstehen und ihn nochmals überarbeiten sollte. Hat man bei den Regierungsparteien aber nicht getan.

Zum Zweiten ist da die öffentliche Wahrnehmung, beispielweise in der Presse, die bei dieser Thematik weiterhin eigentlich kaum stattfindet. Lediglich der „Spiegel“ schreibt hierzu einen Artikel. Oder zumindest etwas Ähnliches. 11 Zeilen, mehr nicht. Zur Kontroverse um die Richtlinie verliert der „Spiegel“ leider kein Wort. Wer jetzt nur diese 11 Zeilen liest, könnte glatt den Eindruck bekommen, die Umsetzung in der jetzigen Form wäre etwas Gutes. Sollte jetzt nochmal Widerstand gegen die Richtlinie aufkommen, könnten Leser dieses Artikel sich denken: „Was beschweren sich die Behinderten denn jetzt schon wieder? Der Zugang zur Literatur soll erleichtert werden, steht da!“

Die Sicht der Oppositionsparteien ist nun wieder eine andere. Dass „Die Linke“, namentlich in Person von Sören Pellmann, dem behindertenpolitischen Sprecher der Linksfaktion, not amused über den Ausgang ist, konnte man bereits bei „kobinet-Nachrichten“ nachlesen. Pellmanns Pendant bei den „Grünen“, Cornelia Rüffer, sieht das ähnlich und beklagt in erster Linie die verpassten Chancen, welche man mit der Umsetzung der Richtlinie gehabt hätte.

Eine ganz besondere Sicht der Dinge nimmt aber die SPD ein, die behauptet, mit der Umsetzung sei ein großer Wurf für die kulturelle Teilhabe von Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung gelungen.“ Und da sind wir dann wieder bei „hochtrabend“. Wenn man seitens der SPD in diesem Zusammenhang von einem „großen Wurf“ spricht, dann hat das bei mir den selben Effekt, den es hat, wenn Kalle Rummenigge mit dem Grundgesetz wedelt und etwas von der „Würde des Menschen“ faselt, nämlich den, dass ich mich frage: „Geht es nicht vielleicht auch eine Nummer kleiner?“ Also, im Grunde genommen frage ich mich eher: „Habt ihr Lack gesoffen?“, aber wenn ich das äußere, wedelt der Kalle wieder mit dem Grundgesetz.

Wenn das, was da verabschiedet wurde, ein „großer Wurf“ ist, fragt man sich doch darüber hinaus, was ein „kleiner Wurf“ gewesen wäre? Gemeinschaftliches Vorlesen an jedem ersten Dienstag im Monat auf dem Marktplatz morgens zwischen 8:00 und 9:00 Uhr? Natürlich als „gepoolte“ Leistung!?

Zumindest gab es im Zusammenhang mit der Verabschiedung der Richtlinie einen zusätzlichen „Entschließungsantrag“, der „Bund und Länder dazu auffordert, die finanzielle Förderung für ebendiese Bibliotheken zu erhöhen.“, wie es die SPD schreibt. Na, da werden sie auf Länderebene aber kuschen! Ich stelle mir gerade vor, wie „mein“ von mir ansonsten recht geschätzter Ministerpräsident Weil ein entsprechendes Schreiben von der Bundesregierung bekommt:

„Chef, der Bund fordert uns auf, die (Blinden-)Bibliotheken finanziell besser auszustatten!“

„Ähm, okay … – können die uns irgendwie dazu … na ja … zwingen?“

„Ich denke nicht.“

„Okay, dann legen Sie es auf Wiedervorlage, irgendwann so 2025.“

Eigentlich würde ich in diesem Zusammenhang gerne mal die Meinung der Kanzlerin hören. Aber die ist gerade damit beschäftigt, Ausnahmeregelungen hinsichtlich der Fahrverbote für Diesel zusammenzuklöppeln.

Merke: Barrierefreies Fahren für Diesel-Fahrzeuge kriegen wir schon irgendwie hin, barrierefreies Lesen augenscheinlich nicht!

Ja, das ist einerseits whataboutism, das wiederum ist andererseits mir aber auch völlig egal. :-)

Gehabt euch wohl.

 

Happy birthday toooo meeeee #4

Errungenschaft: 4. Jahrestag

Hallo, liebe Leserinnen und Leser,

ich könnte jetzt bedeutungsschwangeres Geschwafel voller Pathos von mir geben, während ihr euch bei der Lektüre „Also sprach Zarathustra“ von Richard Strauss anhört. Ich könnte mich, und das ziehe ich eindeutig vor, aber auch kurz fassen, indem ich sage:

Heimlich, still und leise und von mir fast unbemerkt, ist mein Blog heute 4 (in Worten: vier) Jahre alt geworden. Einmal mehr vielen lieben Dank an alle, die mein Geschreibsel lesen, seien sie nun seit Anbeginn dabei, später dazugekommen oder mir noch gänzlich unbekannt.

Das war es auch schon.

Ich wünsche allseits ein schönes Wochenende.

Gehabt euch wohl.

„Hell-Go-Land“ von Tim Erzberg – Whodunit

Buch: „Hell-Go-Land“

Autor: Tim Erzberg

Verlag: HarperCollins

Ausgabe: Taschenbuch, 350 Seiten

Der Autor: Kindesentzug, Körperverletzung, schwere Brandstiftung … Wer seit seiner Kindheit solche Erfahrungen gemacht hat, betrachtet die menschlichen Abgründe mit anderen Augen: Das Verbrechen ist keine andere Welt, es ist Teil des Normalen.
Tim Erzberg entschloss sich nach dem Jurastudium, Literaturagent zu werden. Er vertrat unter anderem den berühmtesten deutschen Strafverteidiger Rolf Bossi, und Zvi Aharoni, den Mann, der Adolf Eichmann aus Argentinien entführte, sowie mehrere ehemalige Geheimagenten.

Seine dunklen Erfahrungen verarbeitet Tim Erzberg in Geschichten, in denen es nicht einfach nur Gut und Böse gibt. (Quelle: HarperCollins)

Das Buch: Ein kaltblütiger Mörder, eine unerfahrene Polizistin, eine Insel voller Opfer. Ein roter Fels im sturmgepeitschten Meer. Darauf Deutschlands abgeschiedenster Polizeiposten. Hier ist ihre neue Dienststelle. Hier war ihr Zuhause. Bis der Albtraum über Anna Krüger hereinbrach. Kaum jemand weiß von ihrer Rückkehr nach Helgoland. Doch schon an ihrem ersten Arbeitstag erwartet sie eine grausame Überraschung, die Anna klarmacht, dass es keine Flucht vor der Vergangenheit gibt. Nicht für sie. Nicht an diesem Ort. (Quelle: HarperCollins)

Fazit: Die Lektüre von „Hell-Go-Land“ liegt für mich schon einige Wochen zurück, meine diesbezügliche Dokumentation ist beklagenswert und lückenhaft wie meine naturwissenschaftlich-mathematischen Kenntnisse und dennoch kann ich mich noch bemerkenswert gut an Erzbergs Krimi erinnern. Das spricht dafür, dass es sich dabei um ein gutes Buch handelt, und das ist es letztlich auch – bis auf eine Kleinigkeit, die allerdings persönlicher Natur ist. Dazu später mehr.

Schon der Einstieg in den Roman gelingt dem Autor sehr überzeugend. Direkt nach Annas Rückkehr nach Helgoland beginnt ein großer Sturm aufzuziehen. In nur wenigen Sätzen schildert Erzberg eindringlich die Urgewalten des Meeres und des Wetters, denen Deutschlands einzige Hochseeinsel ausgesetzt ist. Diese Schilderungen ziehen sich durch den ganzen Roman und sorgen für genau die Stimmung, die ein solcher Krimi braucht.

Zum Zweiten schafft Erzberg durch das Heraufziehen des mehrtägigen Sturms das Szenario eines handelsüblichen whodunit-Krimis, eines Genres, dem ich schon lange sehr zugetan bin.

Die handelnden Personen in „Hell-Go-Land“ sind ebenfalls gut gelungen. Insbesondere Anna Krüger ist eine authentische, zwar mit ihrer Vergangenheit handernde aber dennoch bodenständige Ermittlerfigur, die man eigentlich mögen muss. Auch über ihre Polizeikollegen sowie die meisten Nebenfiguren lässt sich eigentlich nicht viel Negatives sagen.

Die Authentizität, die für die Hauptfigur gilt, gilt auch für die Dialoge, die lebensecht und ungekünstelt daherkommen.

Und im weiteren Verlauf stellt sich heraus, dass auch die Handlung sehr gut konstruiert ist, die Aufklärung der Geschehnisse in sich logisch und nachvollziehbar und durchgehend spannend, wenn – und da kommen wir zur eingangs erwähnten Kleinigkeit – wenn es Einem nicht so ergeht, wie mir: Wohl noch nie hatte ich für mich die Frage nach dem Täter, der Täterin, den Tätern, den Täterinnen oder den Täterinnen und Tätern (habe ich noch eine mögliche Konstellation vergessen? Ich will ja nicht zu viel verraten.) so früh geklärt! Das wird Zufall sein, weil ich nicht gut darin bin, aber ich hatte eine Vermutung hinsichtlich Motiv und Personalie und wurde darin letztendlich bestätigt. Das wiederum sorgte auch für eine ganz andere Wahrnehmung beim Lesen, weil man dauernd abklärt, ob die eigene Vermutung mit neu hinzugekommenen Informationen übereinstimmt.

Da ich aber ausschließe, dass es der Mehrheit der Leserschaft so ergeht wie mir, kann ich Erzbergs „Hell-Go-Land“ wärmstens empfehlen. Ein Buch, das perfekt zu den nun bald anbrechenden regnerischen Herbsttagen passt. Die muss es ja schließlich geben, irgendwann wird es schon regnen.

Wertung:

Handlung: 8,5 von 10 Punkten

Charaktere: 8 von 10 Punkten

Stil: 9 von 10 Punkten

Atmosphäre: 9,5 von 10 Punkten

Gesamtwertung: 8,75 von 10 Punkten

Demnächst in diesem Blog: „Hexenmacht – Die Krone der Sterne II“ von Kai Meyer.

Wie man erfolgreich Leser vergrault: Deutschland und barrierefreies Lesen

Hallo, liebe Leserinnen und Leser,

wenn eine Literaturkritikerin die Leserinnen und Leser in Deutschland unterschwellig beleidigt – wie in meinem gestrigen Beitrag zu lesen war -, dann ist das eine Sache. Dass der aufmerksame Beobachter derzeit betrachten kann, dass es Gruppen von Lesern gibt, denen von staatlicher Seite Knüppel zwischen die Beine geworfen werden, wenn es um den Zugang zu Literatur geht, ist nochmal eine ganz andere.

Reden wir also mal über die Marrakesch-Richtlinie. Die was? Die Marrakesch-Richtlinie! Ohne mit Gesetzestexten, Paragrafen und Fachchinesisch um mich zu werfen, versuche ich den Inhalt der Richtlinie mal vereinfachend runterzubrechen:

Die Marrakesch-Richtlinie sieht vor, lese- oder sehbehinderten Menschen den Zugang zur Literatur zu vereinfachen bzw. überhaupt erst zu ermöglichen. So soll es (Blinden-)Bibliotheken beispielsweise ermöglicht werden, Hörbuch- oder Brailleschriftausgaben von Büchern zu erstellen – das Ganze, ohne den Urheber befragen zu müssen – und diese dann lese- oder sehbehinderten Menschen zur Verfügung zu stellen. Angesichts der Tatsache, dass nach Angaben der Bundesregierung nur etwa 5 % der weltweit veröffentlichten Werke der Literatur in barrierefreier Form vorliegen, ist das ein hehres Ziel.

Der entsprechende Vertrag wurde 2013 ausgehandelt, trat 2016 in Kraft, wurde schließlich auch von Deutschland unterschrieben und nunmehr EU-weit ratifiziert. Bis zum 11. Oktober (also morgen!) hat die Bundesregierung nun noch Zeit, die Richtlinie entsprechend umzusetzen.

Und da liegt nun der sprichwörtliche Hase im Pfeffer, wer auch immer ihn dort hingelegt hat.

Schon im August berichtete aerzteblatt.de – ein von mir ansonsten eher selten frequentiertes Medium -, dass, laut eines Berichts der Internationalen Bibliotheksvereinigung, Deutschland bislang EU-weites Schlusslicht sei, wenn es um die Umsetzung der Marrakesch-Richtlinie gehe.

Angesichts des Standes der Umsetzung der Inklusion an Schulen wundert mich das kaum. Seinerzeit hat man – meines Wissens 2009 – die entsprechende Behindertenrechtskonvention unterzeichnet, die Frage nach der Umsetzung der Inklusion aber erst mal nach hinten verschoben, dann weiter nach hinten und dann mit einem freundschaftlichen „Ihr macht das schon!“ an die Schulen selbst weitergereicht.

Und so etwas ärgert mich. Mich ärgert auch, dass das Durchwinken des Bundesteilhabegesetzes (ein Wort, das nicht mal die Rechtschreibprüfung erkennt – nur so nebenbei …)  im letzten Jahr von der Masse der Bevölkerung weitgehend unbemerkt geschehen ist. Klar, es betrifft die meisten Menschen ja auch nicht. Jedenfalls heute nicht. Morgen könnte das schon der Fall sein. So weit denkt aber niemand. Andererseits rufen gefühlt jeden zweiten Dienstag Leute bei Experten an, die im öffentlich-rechtlichen Fernsehen auftauchen und Fragen der Menschen zu den Themen Testament, Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht beantworten, weil die Menschen offensichtlich im Hinterkopf haben, dass ihnen ja mal was passieren könnte. Das muss ich nicht verstehen …

Aber kommen wir wieder zurück zur Marrakesch-Richtlinie. Der Knackpunkt bei der Diskussion ist nun folgender:

Der Zugang zu Werken der Literatur für lese – und sehbehinderte Menschen soll auch nach dem Willen der Bundesregierung vereinfacht werden. (Blinden-)Bibliotheken dürfen also in Zukunft barrierefreie Formate von Texten erstellen und diese auch weltweit mit anderen Einrichtungen austauschen, wie es auf der Internetseite des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz heißt. Das Problem liegt in dem diesen Ausführungen folgenden Satz: „Zugleich sind Nutzungen durch befugte Stellen auf Grundlage des neuen Rechts angemessen zu vergüten, damit die Rechtsinhaber einen finanziellen Ausgleich erhalten.“

Die Einhaltung dieser Vergütung durch das Deutsche Patent- und Markenamt soll „nicht im Gesetz, sondern in einer gesonderten Rechtsverordnung geregelt werden.“ Was im Klartext bedeutet: Noch mehr Bürokratie und noch mehr Kosten. Nicht nur der Behindertenbeauftrage Jürgen Dusel ist not amused, wie auch bei kobinet-nachrichten.org zu lesen war.

Es ist ja nicht so, dass Bibliotheken finanziell auf Rosen gebettet sind. Sollte dem doch so sein, bitte ich um Benachrichtigung und Korrektur. In der Konsequenz bedeutet das nun also, dass die (Blinden-)Bibliotheken ihrer Kundschaft barrierefreie Formate zukommen lassen dürfen, dieses aber wohl in der Zukunft aus finanziellen Gründen nicht können, womit sich für die Zielgruppe effektiv mal gar nichts ändert. Und wenn, dann nicht zum Positiven, sofern die (Blinden-)Bibliotheken in Zukunft möglicherweise auch für ihren schon vorhandenen Bestand zahlen sollen, wobei das eine reine Mutmaßung meinerseits ist.

Ich stelle mir das zukünftig folgendermaßen vor:

„Guten Tag, ich hätte gerne das Berliner Architekten- und Baukammergesetz in Brailleschrift.“

„Hammwa nich!“

„Ja, aber, es gibt doch die Marrakesch-Richtlinie – könnten sie da nicht eine barrierefreie Ausgabe erstellen!? Ich brauche die wirklich dringend.“

„Dürfen wa, könn wa aba nich – is zu teuer!“

 

Ich würde ja zu gerne mal wissen, um welche Summen es da geht, die den Rechtsinhabern entgingen und ob sie wirklich am Hungertuch nagen würden, wenn ihnen die Nutzungsentgelte fehlen würden. Ich habe leise Zweifel …

Bereits 2001 hat man in Großbritannien den Eintritt für alle Museen des Landes gestrichen, den Zugang also kostenlos gestaltet. Das ist eine Art Zugangserleichterung zur Kultur durch den Staat, für den sich die „Dancing Queen“ Theresa May zu recht feiern lassen könnte und der ihr berechtigten Grund zum Tanzen gäbe, wenn sie denn an dieser Entscheidung beteiligt gewesen wäre. Hierzulande erschwert man Menschen, die in der allermeisten Fällen ganz andere Schwierigkeiten haben, den Zugang zur Literatur durch Gesetzgebung, die eigentlich eine Vereinfachung darstellen sollte.

Nein, ich muss es wirklich nicht verstehen.

 

Gehabt euch wohl!

Buchhandel, quo vadis? Teil II

Hallo, liebe Leserinnen und Leser,

nachdem ich mich in meinem gestrigen Beitrag mit der Tatsache, dass die Anzahl der Bücherkäufer in Deutschland immer weiter zurückgeht, beschäftigt habe, wäre es eigentlich nur folgerichtig, sich mal mit der Fragestellung auseinanderzusetzen, wer heute denn überhaupt noch Bücher kauft.

Praktischerweise erschien just am Tag der Deutschen Einheit ein Artikel in der „Zeit“ von Ursula März, der dieser Frage auf den Grund geht. Oder auch nicht. Oder was auch immer. Die Lektüre des Artikels dauert nicht lange, tut nur ein bisschen weh und könnte für das Verständnis des Folgenden wichtig sein, weil ich ihn natürlich nicht wortgetreu wiedergeben kann oder darf – so viel nur nebenbei bemerkt.

Frau März hat für ihren Artikel mehrere Käuferinnen und Käufer in Buchhandlungen nach ihren gekauften Büchern befragt. So weit, so logisch. Wer nun aber vermutet, dieser Artikel liefere irgendeine Art von Erkenntnisgewinn, liegt, meines Erachtens, falsch. Denn dabei handelt es sich entweder um eine Satire – dann muss ich Abbitte leisten, weil selbige nicht von mir erkannt wurde -, oder aber der Artikel ist mindestens nicht hilfreich.

Es beginnt mit den optischen Beschreibungen der Befragten. Inwieweit diese relevant sind, erschließt sich mir nicht. Soll man erstaunt sein, dass ein tätowiertes Pärchen in Stiefeln Bücher kauft? Was ist der Sinn, wenn die Autorin schreibt „Die dezente wie hochklassige Garderobe weist das ältere Paar an der Kasse einer Berliner Hugendubel-Filiale als kultivierte Bürger aus.“?  Bedeutet das im Umkehrschluss, dass ich in T-Shirt und Jeans unkultiviert wirke? Warum muss man Beschreibungen einleiten mit „Man soll ja keine Vorurteile haben – aber (…)“?

Und es geht weiter mit der Fragestellung als solcher. Da muss sich eine junge Frau fragen lassen, ob sie also ihre Bücher „nach dem Aldi-Prinzip“ einkauft, nur weil sie sich für einen älteren, dafür aber umfangreicheren und mit 18 Euro günstigeren Haratischwili-Roman entscheidet, anstelle des aktuellen Hardcovers für 30 Euro. An der Stelle kann ich der Autorin nur sagen: So ähnlich habe ich das auch mal gehalten. Nicht jeder hierzulande kann sich den Luxus von Kultur leisten, und Bücher können – sind wir doch mal ehrlich – schweineteuer sein. Für Bildung sieht der aktuelle ALG-II-Regelbedarf eine monatliche Summe von 1,06 € vor. Das reicht also etwa für eine Tageszeitung im Monat oder ein günstiges Taschenbuch im Jahr. Warum man Menschen Sparsamkeit vorwirft, so als sei das ältere, günstigere Buch nun plötzlich etwas Minderwertiges, erschließt sich mir nicht.

Weitere Befragte werden in der Folge als Exemplare der Kategorie „besorgte Bürger“ dargestellt, schließlich kaufen sie Sarrazin, eine junge Frau wird als ahnungslos bis dumm gezeichnet, nur, weil sie ein Buch kauft, weil ihr das Cover so gut gefällt.

Nun, wie gesagt, das mag alles eine Satire sein, zumal die festgehaltenen Dialoge merkwürdig wirken. Und wenn es eine ist, dann muss sie noch nicht mal schlecht sein, nur, weil ich sie nicht als solche erkannt habe. Ich sehe nur die Wahrscheinlichkeit, dass auch andere den Artikel nicht als Satire begreifen – in den Kommentaren unter dem Artikel ist das bereits deutlich zu sehen – und dann stellt sich in der Folge die Frage, welche Wirkung solche Artikel haben.

Nicht erst seit gestern hat sich, zumindest in meiner Wahrnehmung, der Eindruck in weiten Teilen der Leserschaft breit gemacht, dass der Literaturbetrieb – zumindest der, sagen wir der Einfachheit halber intellektuelle Teil des Literaturbetriebes – sich weitgehend um sich selber dreht und sich selbst feiert, während die „normalen“ Menschen Bücher kaufen, die wirklich gelesen werden.

Natürlich, Veranstaltungen wie der gerade aktuelle Deutsche Buchpreis haben ohne Zweifel eine Existenzberechtigung. Die dazugehörigen Bücher ohnehin. Und wie am Beispiel des 2016er Preisträgers Bodo Kirchhoff zu sehen ist, hat dieser Preis auch einen gewissen Effekt. Kirchhoff verkaufte von „Widerfahrnis“ 23.000 Exemplare vor dem Buchpreis. Nach der Buchpreisvergabe waren es dann plötzlich 150.000.

Dennoch kann beispielsweise Maja Lunde darüber nur müde lächeln, hat sie doch mit „Die Geschichte der Bienen“ das meistverkaufte Buch 2018 geschrieben und davon ganze 350.000 Exemplare abgesetzt. Danach folgt Dan Brown, der als nächstes Buch einfach den Text von „Hoch auf dem gelben Wagen“ in allen etwa 3.600 existenten Sprachen weltweit veröffentlichen könnte und dessen Verkaufszahlen damit mutmaßlich dennoch weit über denen diverser Buchpreisträger liegen dürften. Und wenn Sebastian Fitzek am 24.10. seinen neuen Thriller „Der Insasse“ veröffentlicht, so kann man davon ausgehen, dass auch dieser wieder ein Bestseller wird, da mag Denis Scheck noch so mit dem Fuß aufstampfen.

Damit will ich natürlich nicht sagen, dass Verkaufszahlen ein Indikator für gute Literatur wären, ansonsten wäre Dieter Bohlen ein großer Literat und das kann nun wirklich niemand wollen.

Es hilft aber absolut nicht, wenn jemand, wie die Autorin des Artikels, sich mit „scheinintellektueller Borniertheit“, wie es einer der Kommentatoren um Artikel schrieb, sich über den Pöbel der Trivialliteratur-Leser erhebt und die Deutungshoheit darüber an sich reißt, wie und welche Bücher man zu kaufen hat.

Warum muss ich mich dafür kritisieren lassen, wenn ich ein Buch nur deshalb kaufe, weil mir sein Cover gefällt? Warum muss ich mich – das impliziert jedenfalls die Fragestellung der Autorin – detailliert mit dem Lebenslauf eines Autors bzw. ihm selbst auskennen, obwohl mir doch vielleicht einfach nur seine Bücher gefallen? Warum muss ich mich für den Kauf eines Sarrazin-Buches rechtfertigen?

Meines Erachtens ist es schon ziemlich traurig, wenn sich weite Teile der Bevölkerung offensichtlich von der Politik nicht mehr vertreten und/oder ernstgenommen fühlen. Wenn ich mich nun auch nicht mehr als Leser ernstgenommen fühlen soll, weil ich beispielsweise lieber Kate Morton lese anstelle von Inger-Marie Mahlke, dann führt das nur zu weiteren Zerwürfnissen, die man sich guten Gewissens schenken könnte.

Es soll doch bitte jeder das kaufen, was er will. Und wie er will. Und auch warum er will. Und es soll auch jeder das lesen, was er will – selbst wenn das Sarrazin ist …

Gehabt euch wohl!

 

 

Buchhandel, quo vadis?

Guten Abend, liebe Leserinnen und Leser,

wer meine Beiträge schon länger verfolgt, weiß, dass ich mich – vorzugsweise im Rahmen der „Freitagsfragen“ – gerne über verschiedenste Dinge echauffiere. Ebenso gerne hole ich in diesem Zusammenhang dann auch mal zu einem Rundumschlag gegen die Politik aus – oder zu dem, was ich dafür halte.

Manchmal beschäftigen mich aber auch Dinge, die nichts mit Politik zu tun haben und die auch sonst wenig in die Freitagsfragen passen. Und sofern sie, wie im vorliegenden Fall, mit Literatur zu tun haben, denke ich darüber nach, meine Gedanken hierzu in regelmäßige Beiträge zu kleiden.

Der heutige Anfang hat seine Ursache in der Beilage der Tageszeitung vom vergangenen Wochenende des Journalisten Kristian Teetz zur Situation des deutschen Buchhandels.

Er beginnt mit einem Rückblick in alte Zeiten, die auch ich – erschreckenderweise – noch kenne. Zeiten, in denen die Mehrheit der Menschen in Arztpraxen, Zügen, Bussen oder sonstwo ein Buch dabei hatte. Immer. Heute hat sich das Bild etwas gewandelt. Gelesen wird immer noch, allerdings nicht mehr im Buch, sondern auf dem Handy. Und es wird auch nicht mehr umgeblättert, sondern gewischt. Sollten nicht in den nächsten Jahrzehnten multiresistente Keime die Menschheit weitgehend dahinraffen, so wird die chronische Sehnenscheidenentzündung die Geißel eben jener Menschheit im 22. Jahrhundert sein.

Ja, tempus fugit. The times they are a-changing. Das mag man auch alles nicht so schlimm finden. „Natürlich: Nicht alle Menschen lasen Bücher, aber es waren auch nicht wenige – es war die Mehrheit.“, schreibt auch Teetz dazu, nicht nur auf Busse, Bahnen und Wartezimmer bezogen.

Welche Nebenwirkungen diese Entwicklung aber hat, bemerkt man, wenn man sich mal ein paar Zahlen ansieht. So ist, laut den Angaben des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, die Zahl der Käufer in der Zeit zwischen 2013 und 2017 um 4,6 Millionen Menschen zurückgegangen. Im Jahr 2017 kauften nur noch 29,6 Millionen Menschen ab 10 Jahren, nur noch 44 % der Deutschen, ein Buch. Ein Buch pro Jahr übrigens. Nicht in der Woche oder im Monat.

Damit ist man statistisch als Lesender nun erstmals seit langer Zeit Angehöriger einer Minderheit. Nun habe ich eigentlich gar kein Problem damit, einer Minderheit anzugehören, das tue ich täglich, aber was, wenn diese Entwicklung noch längerfristig anhält?

Und außerdem sind diese Zahlen ja nur statistische Mittelwerte. Ich kann nur von mir sprechen, weiß aber, dass ich deutlich mehr als nur ein Buch pro Jahr kaufe. Deutlich, deutlich mehr. Und vielen Anderen in der Blogosphäre geht es ähnlich, was nur den Schluss zulässt, dass der Anteil der Bevölkerung, der tatsächlich ein Buch kauft, noch wesentlich geringer als die oben erwähnten 44 % ist.

Und nun? Ist das eben so? Sollte mir das nicht egal sein, wenn der Buchhandel augenscheinlich nicht in der Lage war, sich an neue Gegebenheiten anzupassen?

Na, wenn es mir egal wäre, würde ich diese Zeilen nicht schreiben. Ich finde diese Entwicklung tatsächlich besorgniserregend. Komme ich irgendwann in die Buchhandlung meines Vertrauens und der Buchhändler meines Vertrauens hat dann nur noch ein kleines Bücherregal, verkauft dafür aber zusätzlich auch Werkzeuge, Zement und Kaffee, weil er sonst nicht über die Runden kommt, schließlich hat „Tchibo“ ja auch mal ausschließlich Kaffee und keine Regenschirme verkauft!? Das möchte ich nach Möglichkeit nicht erleben.

Gut, man könnte jetzt Ursachenforschung betreiben. Sicherlich spielt die immer größere Anzahl an Smartphone-Nutzern eine Rolle – in 2018 mittlerweile 57 Millionen. Und wer dauernd per WhatsApp mit dringend notwendigen Nachrichten, humorvollen Sinnsprüchen und Welterklärungsvideos zugemüllt wird, hat abends wahrscheinlich kaum die Muße, Thomas Manns „Josef und seine Brüder“ zu lesen – wobei ich für jeden Verständnis habe, der dazu, auch ohne ein Smartphone zu haben, nicht die Muße aufbringt. Das allein kann aber nicht der Grund für den Einbruch der Verkaufszahlen sein, Smartphones gibt es schließlich schon eine Weile.

Vielleicht sind Streaming-Dienste ein weiterer Grund? Netflix, so war kürzlich zu lesen, zeigt sich verantwortlich für 15 % des weltweiten Downloadvolumens. 15 % Prozent, nur Netflix! Da liegt die Vermutung nahe, dass es die Leser von einst heute einfacher finden, sich Serien in einzelnen Häppchen anzusehen als dicke Wälzer durchzuackern. Und ich habe ja auch ein gewisses Verständnis dafür, wenn man es vorzieht, sich lieber im Rahmen eines verlängerten binge-watching-Wochenendes sämtliche Folgen von „Game of Thrones“ reinzuziehen als stattdessen tage- und wochenlang alle Teile von „Das Lied von Eis und Feuer“ zu lesen. ich persönlich würde am Ende eines solchen Wochenendes mittels nervöser Fuchtelbewegungen dauernd versuchen, imaginäre Drachen zu verscheuchen, aber das soll jeder halten, wie er möchte.

Offensichtlich ist in unserer schnelllebigen – 3 „l“, ich verfluche Dich, Rechtschreibreform! – Zeit die Muße verlorengegangen, sich tage- oder auch mal mehrere Wochen lang mit einem Buch zu beschäftigen. Das kann einem egal sein, man kann es aber auch schade finden. Ich persönlich finde es schade. Denn auf diese Weise könnte früher oder später eine immense Menge an Kulturgut verloren gehen, einfach weil sich niemand mehr dafür interessiert. Und das meiste davon lässt sich auch nicht durch Netflix kompensieren: Ich habe schon unzählige großartige Bücher gelesen, die niemals verfilmt wurden. Stattdessen wurde der „Denver-Clan“ neu aufgelegt …

Aber selbst, wenn man nun die Gründe kennte – was ein Konjunktiv -, und ich bin sicher, dass es deren so viele gibt, als dass man sie unmöglich in einem recht kurzen Text alle erwähnen kann, so wäre einem damit auch nur eingeschränkt geholfen, wenn man nicht weiß, wie man dieser Entwicklung nun begegnen soll. Man kann ja niemanden zum Lesen zwingen. Gut, wenn man noch minderjährige Kinder zu Hause hat, kann man das, aber ob das dann einen förderlichen Umgang mit Literatur darstellt oder die Liebe zum Lesen weckt, das wage ich zu bezweifeln.

„Was also ist zu tun?“, um mal einen gerne verwendeten Satz eines sehr geschätzten Bloggerkollegen zu verwenden. Tja, da genau liegt das Problem: Ich weiß es nicht! Ich weiß nur: Dabeistehen und zusehen ist in diesem Fall nicht so meins. Bis mir eine Lösung für das Problem  – Vorschläge werden gerne entgegengenommen – eingefallen ist, bleibt mir nur: Weiterlesen! Vorher gibt es wahrscheinlich sowieso die nächsten Bücherverbrennungen und das Problem löst sich von alleine …

Gehabt euch wohl!

Freitagsfragen # 63

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Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

schon ist wieder Freitag, schon ist wieder Zeit für die Freitagsfragen aus dem Brüllmausblog. Die heutigen Fragen und Antworten lauten:

1.) Fühlst Du Dich wohl mit Dir?

Na, nun mal nicht persönlich werden. ;-)

Sagen wir mal, es gibt Tage, an denen ich mich unheimlich wohl mit mir fühle, es gibt Tage, da reicht es mir, wenn sich andere Menschen wohl mit mir fühlen und es gibt Tage, da gehe ich mir tierisch auf den Sack. Und im gewogenen Durchschnitt ist die Ente tot – will sagen, die letztendliche Wahrheit liegt in einer Mischung dieser drei Zustände, mit leichter Tendenz zum Negativen.

Wobei ich sagen muss, dass ich es aufgegeben habe, darüber zu lamentieren, wenn ich mich mal nicht so wohl mit mir fühle. Dafür bin ich zu alt, letztlich muss man mit dem arbeiten, was man hat. Oder eben auch nicht hat. Und schließlich war es entweder Brad Pitt oder Angelina Jolie – eine/r von den beiden – der bzw. die sinngemäß mal gesagt haben soll: „Natürlich sind auch wir nicht jeden Tag glücklich. Das wäre ja pervers.“ Das zu wissen entspannt doch zutiefst. ;-) Auch wenn „glücklich sein“ nicht bedeutungsidentisch mit „sich mit sich selbst wohl fühlen“ bedeutet.

Aber wer fühlt sich schon jeden Tag wohl mit sich? Gut, Pegidioten vielleicht. Oder Horst Seehofer.

Mit Sicherheit auch der Bundesrechnungshof.

Der hat heute früh doch tatsächlich verkündet, Zweifel am Vorschlag des Finanzministers Scholz zu haben, welcher vorsah, Länder und Kommunen in den Bereichen Bildung, sozialer Wohnungsbau und Nahverkehr stärker finanziell durch den Bund zu unterstützen. Der Bundesrechnungshof sagt nun, das stelle einen zu starken Eingriff in die „Kernkompetenz der Länder“ dar. Man müsse sicherstellen, dass die Kommunen ihr finanzielles Engagement angesichts der Zuschüsse nicht zurückfahren.

Das muss man sich mal vorstellen! „Tut mir leid, Frau X, aber eine freie Sozialbauwohnung haben wir nicht mehr. Mit Unterstützung des Bundes hätten wir ja welche bauen können, aber das Grundgesetz sagt, wir dürfen die nicht annehmen. Sieht also so aus, als müssten Sie weiter auf der Straße leben …“

Das ist der selbe Bundesrechnungshof, der im April 2018 angemahnt hat, dass Flüchtlingsunterkünfte – die der Bund zuvor kostenfrei den Ländern überlassen hat, übergangsweise – nur noch zu knapp 40 % belegt seien und die Länder nunmehr zunehmend eigene Immobilien nutzen sollten. Und außerdem sollten die Kommunen  jetzt auch bitte mal für die überlassenen Unterkünfte Miete zahlen, dem Bund entgingen so wichtige Einnahmen.

Irgendwie scheint der Bundesrechnungshof nicht so unbedingt ein Freund von Kommunen zu sein – auch, wenn das in der Natur der Sache liegt. Oder ein Freund von Menschen an sich. Im Bereich der Flüchtlingsunterbringung Verschwendung anzumahnen, ist schon grenzwertig widerlich.

Ganz ähnlich hat, wenn ich mich recht erinnere, der Bundesrechnungshof schon vor einigen Jahren argumentiert, als nach den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien und im Kosovo die Flüchtlingszahlen wieder abgesunken waren. Reihenweise wurden Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge geschlossen, weil sie den Bund ja Geld kosten – wahrscheinlich ungefähr so viel wie der BER den Bund an einem üblichen Dienstagnachmittag kostet. Und dann rieb man sich im Jahr 2015 plötzlich verwundert die Augen …

Hach, ich rege mich schon wieder auf!

Und habe mich bemerkenswert weit von der Fragestellung entfernt …

2.) Was wäre ein ehrlicher Werbe-Slogan für ein Produkt Deiner Wahl?

Werbung – noch so ein Reizthema für mich. Wann immer ich semi-talentierte Schauspieler – sagen wir besser Darsteller – sehe, die mir „Wir-kaufen-dein-Auto.de“ entgegenbrüllen, möchte ich den Fernseher einschlagen und die Internetseite dieser Firma auf alle Zeiten hacken und unbrauchbar machen!

Oder Kosmetik! Mal ganz ehrlich, liebe Frauen, ihr seid ja die primäre Zielgruppe: Wisst ihr, was diese ganzen Anglizismen in der Kosmetikwerbung bedeuten? Was ein ProCGen-Komplex ist? Oder Antioxidantien? Verhindern die, dass man rostet? Baking, so habe ich gerade gelernt, ist eine Schminktechnik, um den Concealer zu setten. Aha – das Einzige, was ich davon verstanden habe, ist Concealer …

Oder Lebensmittel! – Nein, das würde jetzt zu weit führen, da ich glaube, dass die Menschen in kaum einem Bereich so beschissen werden, wie bei Lebensmitteln. Was eigentlich sehr traurig ist, wenn man mal genauer darüber nachdenkt …

Oder zielgruppenbasierte Werbung. Gönnt Euch mal den Spaß, im öffentlich-rechtlichen Vorabendprogramm eine Werbepause anzusehen. Da kann nur der Verdacht aufkommen, das Erste und das ZDF halten ihre Zuschauer für schwer krank – mindestens fünf von sechs Werbespots kommen aus dem Bereich der Pharmaindustrie.

Ich hatte ja auch mal eine ganz kurze Phase, in der ich darüber nachgedacht habe, im Bereich Werbung tätig zu werden. Letztendlich überzeugt man dort aber nur Menschen davon, Dinge zu kaufen, die sie nicht brauchen, von Geld, das sie nicht haben, um damit Menschen zu beeindrucken, die sie nicht mögen. Und das ist mindestens moralisch verwerflich.

Wenn die Werbung ehrlich wäre, würde sie beispielweise auch so etwas wie Geplante Obsoleszenz thematisieren.

Mein Werbespruch wäre daher zum Beispiel:

„Der neue Epson EcoTank ET 2710 – hält nicht ein Blatt länger als wir wollen!“

3.) Kannst Du Bäume, Vögel oder Pilze bestimmen?

Nun, ich kann einen Ahorn erfolgreich von einer Amsel und diese wiederum von einem Steinpilz unterscheiden. Aber ich gebe zu, dass ich in diesem Bereich – wie eigentlich in Allem, was die Naturwissenschaften betrifft – doch erhebliche Defizite aufweise. Bei Bäumen hätte ich noch eine gewisse Restchance, Vögel oder Pilze liegen außerhalb meines Kompetenzbereichs.

Ich versuche zum Beispiel herauszufinden, welches mistige gefiederte Drecksvieh das ist, das – vorzugsweise im Frühjahr bzw. Sommer – morgens um 4 Uhr im nachbarlichen Nussbaum sitzt und anfängt zu piepsen. Und zwar mit genau einem Ton! Immer und immer wieder. Nicht zwischendurch mal einen Halbton höher oder tiefer. Nicht mal einen Viertelton. Nein, immer der selbe! Ich habe da die Rotkehlchen in Verdacht, möchte aber keinen Vogel erschießen, bevor ich mir nicht sicher bin.

Letzteres war ein Spaß, stellt die Fackeln und Forken wieder weg.

4.) Die Wahl der Qual: Unberechtigt für einen Diebstahl festgenommen werden oder selber bestohlen werden?

Ich finde beides nicht erstrebenswert. Außerdem ist das wieder eine typische „Das kommt darauf an“-Frage. Was wurde mir denn gestohlen? Ein Zehner an der Kinokasse? Damit kann ich leben. Oder war jemand in meiner Abwesenheit in meinen vier Wänden? Dann gehe ich lieber in den Knast.

Na, schweren Herzens entscheide ich mich für die Festnahme. Ich habe tatsächlich ein gewisses Vertrauen in unseren Rechtsstaat – das scheint ja immer seltener der Fall zu sein – und bin mir sicher, das würde sich schnell aufklären lassen.

 

Das war es auch schon wieder, liebe Leserinnen und Leser,

ich verabschiede mich in mein restliches Tagwerk, wünsche allseits einen schönen Restfreitag – den ich persönlich vor allem damit verbringen werde, auf die fürchterliche Flickwerk-Vergabe der Fußballübertragungsrechte zu schimpfen – und anschließend ein möglichst schönes Wochenende.

Gehabt Euch wohl!

 

Freitagsfragen #62 am Donnerstag

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Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

das schöne an einem eigenen Blog ist, dass man dort tun und lassen kann, was man will. Vor allem etwas zu lassen, hat manchmal seinen Reiz. Und so habe ich in einer Mischung aus mangelnder Kreativität und Unlust, welche vermutlich aus der mangelnden Kreativität entstanden ist, am letzten Freitag auf die Freitagsfragen im Brüllmausblog verzichtet.

Da ich nun aber erschreckt festgestellt habe, dass morgen ja schon wieder Freitag ist – so ein Feiertag bringt das ganze Zeitgefühl durcheinander – und ich nicht weiter in Verzug geraten möchte, gibt es heute also die Freitagsfragen von letzter Woche. Und morgen dann die aktuellen. Vielleicht. ;-)

Die Fragen und Antworten lauten:

1.) Was hast Du diese Woche gelernt?

Die Erkenntnis der zurückliegenden Woche, eigentlich der zurückliegenden zwei, war vor allem eine, die ich aber nicht exklusiv habe:

Begeben wir uns deshalb – einmal noch – in die Hölle, den Firmensitz der „Fate LLP“, deren Eigentümer und Geschäftsführer S. Atan in seinem Büro seinem schändlichen Tagwerk nachgeht, als sein Assistent und Prokurist Lübke den Raum betritt.

„Guten Morgen, Chef!“

„Ah, guten Morgen, Lübke! Nun, wie ist das werte Befinden?“

„Gut, Chef, danke der Nachfrage! Ähm, falls ich fragen darf: Wo waren Sie eigentlich letzten Freitag?“

„Zu Hause, Lübke. Ich hatte keine Lust.“

„Und da bleiben Sie einfach zu Hause?“

„Na, jetzt hören Sie mal! Das ist mein Laden, hier mache ich, was ich will und wann ich will! Themawechsel: Was macht eigentlich dieser Reisswolfblog-Spinner?“

„Ach, der … – nichts Neues, Chef. Der war seit Donnerstag letzter Woche kaum vom PC und seinen Büchern wegzukriegen. Nicht mal seinen üblichen Blogbeitrag am letzten Freitag hat er geschrieben. Unter anderem, weil ihm partout keine Antwort auf die Frage „Was hast Du diese Woche gelernt?“ einfallen wollte.“

„Dabei wäre die Antwort so einfach gewesen …“

„Nämlich?“

„Nun, wenn man mich gefragt hätte, hätte ich gesagt, dass ich in der letzten Woche – oder in den letzten zwei – gelernt habe, dass kein Fehlverhalten dieser Welt so groß sein kann, dass man deswegen mit Karacho auf die Schnauze fällt, wenn – und dieses „wenn“ ist wichtig, Lübke – wenn man sich in einer ausreichend unantastbaren Stellung befindet.“

„Und woher rührt diese Erkenntnis?“

„Ach, der Beispiele gäbe es viele. Nehmen wir nur mal den Verfassungsschutzhoschi, der …“

„Ach, nicht der Maaßen schon wieder, Chef. Die Angelegenheit ist erledigt, der Mann wurde weggelobt, die Allgemeinheit hat wieder Ruh´.“

„Stimmt schon, Lübke. Und er verdient in seinem neuen Amt auch nur noch 200 Euro mehr als vorher. Also nur etwa die Hälfte des ALG-II-Regelbedarfs. Nicht der Rede wert. Deswegen war das in der Zeitung auch kaum mehr eine Nachricht wert. Der entsprechende Artikel hatte in etwa die Größe einer handelsüblichen Visitenkarte.“

„Die Leute sind halt froh, dass das Thema vorbei ist …“

„Ja, und auch ich erwähne ihn nur der Vollständigkeit halber. Aber, Lübke, isses nicht irgendwie witzig, dass man diese Spinner von „Revolution Chemnitz“ verhaftet hat, kaum nachdem Herr Maaßen aus seinem Amt gelobt wurde? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt …

Plötzlich klingelt das Telefon.

„Wer stört? – Ah, Herr Wöller. Was kann ich für Sie tun? Was? Oh, aber nicht der Rede wert. Nein, wirklich, keine Ursache, das habe ich gern getan. Ja, der Dank ist ganz meinerseits. Auf Wiederhören.“

„Wer war das?“

„Der sächsische Innenminister. Er hat sich für den Tipp zu den Spinnern von „Revolution Chemnitz“ bedankt …“

„SIE haben den Behörden einen Tipp gegeben?

„Tja, Lübke, ganz ernsthaft: Es gibt Menschen, deren verachtenswerte Ideologie ist sogar mir zuwider. Wie viel Scheiße muss ich im Hirn haben, um … ach, lassen wir das. Jedenfalls, wenn sonst niemand etwas tut, muss ich halt hilfreich eingreifen.

Genug davon. Und auch genug vom Verfassungsschutzhoschi – auch wenn seine Aussagen in etwa so hilfreich waren wie die des Innenministers, dessen Antworten Teile der Bevölkerung verunsichern könnten.“

„Na, den sind wir ja nun los!“

„Japp – und haben ihn ersetzt durch Horst „die Axt“ Seehofer. Oder, wie ihn der „Spiegel“ so schön nannte, „Die graue Renitenz“. Ein weiterer Rückschritt in diesem Amt. Wobei ich, ehrlich gesagt, nicht gedacht hätte, dass das möglich wäre… Aber der Seehofer ist ein weiteres gutes Beispiel für meine eingangs genannte These. Auch der darf sich, vor dem Hintergrund der Wahl in Bayern, benehmen wie die sprichwörtliche Axt im Walde, die die Interessen eines – gesamteuropäisch gesehen – doch vernachlässigbaren Bundeslandes vor die Interessen der Republik stellt.“

„Die Bayern-Wahl haben wir ja auch bald hinter uns …“

„Ja, aber den Seehofer nicht, Herrje!“

„Herr was?“

„Ähm, vergessen Sie es! Was man dagegen nicht vergessen darf ist, warum der Horst sich so benimmt, dass nur noch 28 Prozent der Wähler ihn für eine gute Besetzung halten. Im Übrigen 61 Prozent der AfD-Wähler, was mir persönlich sehr intensiv zu Denken gäbe. Jedenfalls, der Horst benimmt sich ja nur so, weil er die Felle der absoluten Mehrheit in Bayern wegschwimmen sieht. Die neuesten Umfragewerte sehen die CSU nur noch bei 35 Prozent. „NUR“ NOCH! Jede andere Partei in jedem anderen Bundesland der Welt würde diese Zahl feiern, bis der Arzt kommt. Nur in Bayern reicht so etwas nicht …“

„Nun ja, Stoiber hatte 2003 noch 60 Prozent …“

„Und schon DAS habe ich seinerzeit nicht verstanden! Aber Herrgott nochmal …“

„Herr wer?

„SCHNAUZE, LÜBKE! Ich meinte: Man tut in Bayern so, als wäre es der Untergang des christlichen Abendlandes, wenn die CSU mal nicht die absolute Mehrheit hat. Ja, meine Fresse, dann muss man wohl mal eine Koalition bilden. Aber das kennt man dort ja kaum noch – vom Kabinett Seehofer I zusammen mit der FDP mal abgesehen. Muss eine fürchterliche Zeit gewesen sein …

Lübke gähnt.

„Können wir uns nicht mal mit anderen Leuten als nur Seehofer und Maaßen beschäftigen? Das finde ich auf Dauer ermüdend.“

„Klar, beschäftigen wir uns von mir aus mit der Autoindustrie! Auch die sind ein prächtiges Beispiel dafür, dass man den größten maximal möglichen Scheiß mit den Leuten abziehen kann, ohne dass es Konsequenzen hat. Seit drei Jahren geht dieser Diesel-Kasperkram! Und jetzt hat man sich seitens der Politik zu einer Lösung durchgerungen, ohne dass im Einzelnen klar ist, wie diese nun aussieht und die Hersteller sagen: „Schön, dass ihr eine Lösung gefunden habt. Schade nur für euch, dass uns das scheißegal ist!“

Was lernen wir also nun aus alldem?

Wir lernen, dass man zwar als Pfleger, der 15 Jahre in einer Klinik tätig war, seinen Job verlieren kann, wenn man vermeintliche Klinik-Brötchen ist. Wir lernen, dass man zwar als Kapitän eines Seenotretters in Malta vor Gericht landen kann, weil das Schiff angeblich unter falscher Flagge unterwegs ist – pfff, Malta – so eine Art Seehofer der EU-Staaten …

Wir lernen aber auch, dass man sich dagegen in Deutschland beschissen benehmen, schwere Fehler im Job machen oder allgemein bescheißen kann, wenn man nur als Person oder Unternehmen wichtig genug ist, ohne folgenschwere Konsequenzen befürchten zu müssen.

Und da das so ist, Lübke, gehe ich jetzt meine Sekretärin begrapschen. Wegtreten!“

 

2.) Wenn Du Dich in 3 Worten beschreiben solltest, welche wären das?

Eigentlich ganz okay.

 

3.) Was hat Dich heute zum Lächeln gebracht?

Hm, erschreckenderweise noch so ziemlich genau gar nichts. Heute ist irgendwie kein heiterer Tag. Aber es ist ja auch noch nicht mal Mittag.

 

4.) Die Wahl der Qual: Eine Woche lang nicht sprechen können oder eine Woche lang nicht hören können?

Eine Woche lang nicht sprechen können, wäre die Hölle! Ich könnte ja nicht mal Menschen in ihrem Redefluss unterbrechen! Nein, das wäre nichts für mich. Eine Woche nicht hören können, stelle ich mir ebenfalls extrem unangenehm vor, allerdings doch vergleichsweise erträglich, vor allem, wenn ich von Anfang an wüsste, dass es nur für eine Woche sein wird.

 

Nun denn, geneigte Leserschaft, das war es auch schon wieder.

Ich wünsche allseits noch einen schönen Restdonnerstag und einen entspannten Brückentag für die, die einen solchen haben.

Gehabt euch wohl!

„Das Erbe der Sterne“ von James P. Hogan – Oldschool mit Hindernissen

Buch: „Das Erbe der Sterne“

Autor: James P. Hogan

Verlag: Heyne

Ausgabe: Taschenbuch, 346 Seiten

Der Autor: James P. Hogan (1941-2010) wuchs im Londoner Westen auf. Sein erster Roman Das Erbe der Sterne erschien 1977. Sein wissenschaftlich-technisch orientierter Schreibstil fand großen Anklang, sodass Hogan mehrere Nachfolgeromane schrieb. Er wurde oft mit seinem Landsmann Arthur C. Clarke verglichen. Bis zu seinem Tod lebte er mit seiner Frau Jackie, mit der er in dritter Ehe verheiratet war, in Florida und Irland. (Qelle: Heyne)

Das Buch: In einer felsigen Höhle auf dem Mond wird eine Leiche in einem roten Raumanzug entdeckt. Niemand weiß, wer der Mann ist. Niemand weiß, woher er kam. Niemand weiß, wer oder was ihn umgebracht haben könnte. Als Wissenschaftler die Leiche daraufhin genauer untersuchen, stellen sie fest, dass der verblichene Raumfahrer 50.000 Jahre alt ist. Er wurde also zu einer Zeit geboren, als es weder die Raumfahrt noch größere menschliche Aktivitäten auf der Erde gab. Es ist das größte Rätsel in der Geschichte des Universums… (Quelle: Heyne)

Fazit: „Das Erbe der Sterne ist ein abolutes Meisterwerk“ urteilte der große Isaac Asimov über James P. Hogans Erstlingsroman. Und wer wäre ich, der legendären Koryphäe der Science-Fiction zu widersprechen? Zumal er recht hat: „Das Erbe der Sterne“ ist tatsächlich ein kleines Meisterwerk, wenn auch – aus Sicht heutiger Lesegenerationen – mit Ecken und Kanten.

Und selbige beginnen bereits bei den Charakteren. Hogan hat nur eine recht überschaubare Anzahl an Protagonisten beisammen, wirklich viel Tiefe verleiht er ihnen aber nicht. Mich persönlich störte das weniger, eben weil der Autor den Fokus seines Romans erkennbar auf andere Dinge legte, und dann geht einem eben auf gerade mal 346 Seiten schnell der Platz aus für tiefschürfende Charakterstudien. Das mag man bemängeln, für mich fiel das nicht weiter ins Gewicht, zumal seine Figuren auch ohne detaillierten Hintergrund und Schilderung ihres Innen- und Seelenlebens jederzeit nachvollziehbar bleiben.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich – und ich gebe zu, dass ich das nur tue, damit sich nachher wieder keiner beschwert ;-) -, dass die heutige Leserschaft ein wenig über das in „Das Erbe der Sterne“ geschilderte Frauenbild stolpern könnte. Frauen spielen in Hogans Roman schlichtweg keine Rolle, die Anzahl weiblicher Sprechrollen beträgt – sofern ich mich nicht verzählt habe – ziemlich genau eine. Und diese Figur hat dann auch noch die eher klischeebehaftete Rolle einer Sekretärin inne, die zwar an einigen Stellen recht helle dargestellt wird, ansonsten aber eher die Funktion zu haben scheint, andere daran zu erinnern, dass es Zeit für das Mittagessen ist und die zwischendurch abfällig „Schätzchen“ genannt wird. Nun, das kann man natürlich kritisieren, allerdings möchte ich in diesem Zusammenhang das Erscheinungsjahr des Romans ins Gedächtnis rufen: „Das Erbe der Sterne“ erschien erstmals 1977 – und da ging so was offensichtlich noch durch …

Das zweite Problem – ein für mich schon größeres – betrifft Hogans Stil in der ersten Hälfte des Romans. Dort verliert sich der Autor immer häufiger in technischen Schilderungen, zeilenweise in der Beschreibung und Erklärung bestimmter Legierungen und Ähnlichem – sogar Frank Schätzing würde sich gelangweilt abwenden. Das unterbricht den Lesefluss immer wieder auf unangenehme Weise, weil das für einen technisch (maximal) semi-interessierten Leser wie mich einfach keine Relevanz hat und man irgendwann versucht ist, vorzublättern, um die Stelle zu finden, an der die eigentliche Geschichte weitergeht.

Diese technische Detailverliebtheit gibt sich in der zweiten Hälfte des Romans allerdings spürbar und damit zieht auch das Lesetempo und – vor allem – die Geschichte wieder an.

Und gerade diese Geschichte hat es wirklich in sich. Ich gebe ja zu, dass ich zu den Menschen gehöre, die Science-Fiction lieber in visueller Form, sprich in Form von Filmen genießen. Mein Erfahrungshorizont an Science-Fiction-Literatur ist also ein ausgesprochen überschaubarer. Aber von diesem hebt sich „Das Erbe der Sterne“ äußerst wohltuend ab. Insbesondere, weil es ganz anders ist als aktuelles Pew-Pew-Raumschlachten-Gedöns. Und anders als sämtliche mehr oder weniger bekannten Space Operas ohnehin, wobei die durchaus ihre Berechtigung haben, als aktuelles Beispiel sei hier Kai Meyer genannt.

Hogan dagegen erzählt eine weitgehend actionfreie und nichtsdestotrotz – oder vielleicht gerade deswegen – umso interessantere, spannendere Geschichte. Eine Geschichte, auf die man sich aber einlassen muss, die man aufmerksam lesen sollte – von Technikgedöns der ersten Hälfte mal abgesehen. Wer das tut, der wird mit einer wendungsreichen Story belohnt, bei der man immer wieder kurz Pause macht, um nachzudenken. Und nachdenken kann nie schaden, habe ich mir sagen lassen. Eine Geschichte, die eigentlich nach einer Fortsetzung verlangt. Glücklicherweise hat Hogan seinerzeit auch mehrere davon geschrieben. „Die Riesen von Ganymed“ wird sich sehr bald in meinem Besitz befinden. Ich werde berichten …

Wertung:

Handlung: 10 von 10 Punkten

Stil: 7,5 von 10 Punkten

Charaktere: 7,5 von 10 Punkten

Atmosphäre: 10 von 10 Punkten

Gesamtwertung: 8,75 von 10 Punkten

Demnächst in diesem Blog: „Drone“ von Bart-Jan Kazemeier.