abc.Etüden KW 47/48 V

abc.etüden 2019 47+48 | 365tageasatzaday

 

Hallo, liebe Leserinnen und Leser,

zugegeben, als die Wortspende von Red Skies over Paradise kam, hätte ich nicht gedacht, dass diese zu fünf Etüden führt – Etüden, die übrigens, wie immer, von Christiane geleitet werden -, denn …, also, mal ehrlich: „Unbehaustheit“!? :-) Aber nun isses halt so, deswegen folgt nun die mutmaßlich vorerst letzte Etüde.

 

„Na, Du schüttelst mit dem Kopf? Bist Du einfach nur schwermütig oder regt Dich etwas auf!?“

„Letzteres …“

„Nämlich?“

„Na, das hier: In Hannover hat eine Wohnungsgenossenschaft …“

„Oh, wir haben wieder das Thema Unbehaustheit?“

„Nein, lass mich ausreden. Also, da hat eine Wohnungsgenossenschaft die Fenster zweier homosexueller Mieter pink anstreichen lassen …“

„WHAT!? Ist doch nicht …“

„Japp. Die beiden sind ein Paar, durften aber schon beim Einzug 2008 den Mietvertrag nicht gemeinsam unterschreiben, es musste mit einem der beiden offiziell eine Untervermietung – inklusive der entsprechenden Zuschläge – vereinbart werden.“

„Alter, das kann nicht Dein …“

„Warte, kommt noch besser. Also, die Genossenschaft wollte nun im Rahmen einer Modernisierung an allen ihren Gebäuden in der Gegend die Fenster austauschen lassen. Nur diese beiden haben sich dagegen gewehrt.“

„Aha. Und dann?“

„Na ja, dann … hat die Wohnungsgenossenschaft deren Fensterrahmen pink streichen lassen.“

„Unfassbar!“

„Japp, ebenso wie Äußerungen der Genossenschaft: Dass die beiden homosexuell seien, habe man erst im Rahmen des Gerichtsverfahrens erfahren.“

„Die wohnen seit 2008 da? So gut kennen Vermieter heute ihre Mieter …“

„Japp. Und außerdem seien die Fenster nicht pink, sondern erdbeerfarben …“

„Und, sind sie!?“

„Ich wills mal so sagen: Das ist die pinkfarbenste Erdbeerfarbe, die ich je gesehen habe …“

„Was ´ne Unverschämtheit! Was haschen die denn in dem Laden?“

„Ich hab keine Ahnung.“

„Und, wie ging die Sache aus?“

„Na, beide haben vor Gericht im Rahmen eines Vergleichs 1.000 Euro bekommen, ausdrücklich auch für die von ihnen empfundene Diskriminierung.“

„Na, wenigstens das.“

„Trotzdem. Muss an der Gegend liegen: Die angrenzende Landeskirche kann sich bis heute nicht dazu durchringen, die Ehe für alle auch im Rahmen einer gewöhnlichen Trauung durchzusetzen, sondern mittels einer „nicht-öffentlichen Segnung“.“

„Ha, dann heißt es zur Silberhochzeit: „Kannst Du Dich noch erinnern? Damals? Nur Du, ich und der Pastor …““

„Tja, ich schätze, in einigen Bereichen haben wir noch einen langen Weg vor uns … “

 

300 Worte.

„Das geschwärzte Notizbuch“ von Nicolás Giacobone

Buch: „Das geschwärzte Notizbuch“

Autor: Nicolás Giacobone

Verlag: Heyne

Ausgabe: Hardcover, 304 Seiten

Der Autor:Nicolás Giacobone, geboren 1975 in Buenos Aires, schrieb die Drehbücher für Filme wie »Biutiful« und »Birdman«. Für Letzteren wurde er 2015 mit einem Golden Globe sowie dem Oscar in der Kategorie »Bestes Originaldrehbuch« ausgezeichnet. »Das geschwärzte Notizbuch« ist sein erster Roman. (Quelle: Heyne)

Das Buch: Um das perfekte Drehbuch zu bekommen, entführt der manisch brillante Regisseur Santiago den renommierten Autor Pablo. Er sperrt ihn ein. Fünf Jahre lang. In einem kargen dunklen Raum. Nichts soll Pablo vom Schreiben ablenken. Ein Meisterwerk entsteht. Und eine von Abhängigkeit, Abscheu und Faszination geprägte Beziehung zweier genialer Künstler. (Quelle: Heyne)

Fazit: Hach, wie fange ich nur an, dieses Buch in Worte zu fassen? Der Drehbuchautor Pablo steht in Giacobones erstem Roman „Das geschwärzte Notizbuch“ vor einer ganz ähnlichen Frage, wie ich jetzt – nur mit dem Unterschied, dass mich niemand eingesperrt hat.

Für Pablo gilt das durchaus, denn der, ja, sagen wir ruhig salopp durchgeknallte Regisseur Santiago ist auf Pablos Talent aufmerksam geworden, träumt davon, DEN großen Film zu produzieren, der die Welt des Films für alle Zeiten verändern wird, kidnappt Pablo und sperrt ihn im Keller ein, auf dass er, Pablo, dort Drehbücher verfasse. Seit fünf Jahren sitzt der junge Autor zum Beginn der Handlung nun schon dort. In der Zwischenzeit sind bereits zwei Drehbücher entstanden, aus denen ihrerseits nun wieder zwei erfolgreiche Filme entstanden sind. Aber das reicht Santiago nicht. Er möchte nichts anderes als ein revolutionäres Meisterwerk aus Pablos Feder. Ein drittes Drehbuch, eines, das alles verändern soll.

In seiner Einsamkeit beginnt Pablo, unbemerkt von Santiago, ein Notizbuch mit seinen Gedanken zu füllen. Und Gedanken sind nicht immer stringent oder aufeinander aufbauend. Und genau so liest sich „Das geschwärzte Notizbuch“ auch. „Das was Sie hier lesen (falls es Sie überhaupt gibt), sind nichts weiter als durchgestrichene Seiten, ein in aller Eile geschriebener Text in einem Schulheft der Marke Rivadavia, das ich in Buenos Aires gekauft habe“, schreibt Pablo dann auch auf Seite 7 dazu.

Und diese Art des teils abschweifenden, teils sprunghaften Erzählens, die hat durchaus ihren Reiz und, vor dem Hintergrund des Handlungsrahmens, eben ihre Logik. Als weiteres Beispiel dafür, dass Giacobone ein geschickter Erzähler ist, sei hier genannt, dass es ihm gelingt, die Monotonie im Leben seines Protagonisten durch die Verwendung der immer gleichen Formulierungen zu veranschaulichen, beispielsweise in Form des täglichen Besuchs von Regisseur Santiago, der den Keller immer „mit seinem Stuhl, einer Tasse Kaffe, einem Teller mit Obst und den ausgedruckten Szenen“ (Seite 7) betritt. Auch die gelegentlich vorkommenden zeitlichen Abstände zwischen den Kapiteln, Abstände, in denen irgendetwas passiert sein muss, verdeutlichen Pablos Situation sehr treffend, der in sein Notizbuch eben nur dann schreiben kann, wenn er Zeit und Gelegenheit dazu hat und sich halbwegs sicher sein kann, nicht ertappt zu werden.

Ich könnte noch weitere Beispiele anbringen, belasse es aber dabei zu sagen, dass Giacobones Romandeüt erzählerisch und stilistisch auf ganzer Ebene überzeugt.

Die Anzahl der handelnden Personen wiederum hält sich in argen Grenzen und beschränkt sich im Wesentlichen auf die genannten Protagonisten sowie die Haushälterin Norma. Hier ähnelt das Buch eher einem Kammerspiel, was es um so wichtiger macht, dass die wenigen Charaktere überzeugen können. Und das können sie.

Wenn man, das sei mir gestattet, Norma mal außer Acht lässt, bleiben zwei Hauptfiguren, die sich sehr ähnlich und dennoch völlig unterschiedlich sind. Beide leben für den Film. Dementsprechend oft wird über Filme, Regisseure und Drehbuchautoren gesprochen, was den Reiz des Buches für größere Cineasten als ich einer bin, durchaus nochmal erhöhen dürfte.

Segenswerterweise wird aber am häufigsten auf den Film „Amadeus“ Bezug genommen, zu dem Peter Schaffer das Drehbuch schrieb – von Schaffer weiß Protagonist Pablo übrigens genausowenig, dass er bereits verstorben ist, wie er das auch von Prince nicht weiß, was nicht verwundern wird, da er ja, wir erinnern uns, im Keller eingesperrt ist – und den ich mehrfach gesehen habe und der darüber hinaus wohl tatsächlich einer des besten Filme in der Geschichte des Films sein dürfte, was im Übrigen eine unwiderlegbare Tatsache und keine Diskussionsgrundlage ist, weswegen sich eine diesbezügliche Diskussion erübrigt.

Es gelingt Giacobone, seine Leser teilhaben zu lassen am Leid seines eingesperrten Protagonisten angesichts dessen Freiheitsberaubung. Das allerdings, ohne übermäßig auf die Tränendrüse zu drücken, sondern eher, indem Pablo immer wieder unvermittelt einzelne entsprechende Sätze und Passagen einstreut, beispielsweise darüber, von seiner Mutter und seinen Freunden getrennt zu sein, wodurch sie eine umso größere Wirkung erzielen. Es gelingt Giacobone aber auch, die Leidenschaft zu vermitteln, die Pablo trotz seiner Lage in seine Arbeit investiert – denn eigentlich kann er nichts anderes – sowie die Verzweiflung, wenn es diesbezüglich mal nicht so läuft, mutmaßlich, weil beide Hauptfiguren zwar etwas Revolutionäres schaffen wollen, sich beim Entstehungsprozess aber an jahrtausendealten Dogmen eines Aristoteles festklammern.

Santiago wiederum ist die Leidenschaft für den Film ebenso anzumerken, naturgemäß aber eher in einem ungesunden Maße. Im Grunde wird der Regisseur über die gesamte Lektüre als der Irre dargestellt, der er ist. Wenn ich so überlege, ist das einzige wirklich Sinnvolle, das Santiago auf über 300 Seiten von sich gibt, seine Äußerung über das Internet, in der er sinngemäß darauf hinweist, dass das Internet den Menschen unendliche Freiheiten gibt und eben diesen Menschen nichts anderes einfällt, als diese Freiheit dazu zu nutzen, zu allem ihre Meinung und ihren Hass abzusondern.

Und inhaltlich? Tja, inhaltlich möchte ich über „Das geschwärzte Notizbuch“ gar nicht so viel sagen, weil ich Gefahr laufe sonst zu viel zu verraten.

Insgesamt ist „Das geschwärzte Notizbuch“ ein spannendes, nahe am Psychodrama liegendes Kammerspiel, eine Abrechnung mit der Welt des Films, den Drehbuchautoren, den Regisseuren, aber auch dem Publikum, das es von Besuchen von Shakespeare-Stücken im Theater über Fellini-Filme hin zu „Police Academy 7“, „Fast & Furios 9“ und 23 Marvel-Filmen geschafft hat – was ich ganz wertfrei verstanden wissen möchte.

Ein starkes, sehr lesenswertes Romandebüt.

Ich danke dem Bloggerportal sowie dem Heyne Verlag für die freundliche Übersendung des Rezensionsexemplars. Die Tatsache, dass es sich um ein Rezensionsexemplar handelte, beeinflusst meine Meinung naturgemäß nicht.

Wertung:

Handlung: 8,5 von 10 Punkten

Charaktere: 8,5 von 10 Punkten

Stil: 10 von 10 Punkten

Atmosphäre: 9 von 10 Punkten

Gesamtwertung: 9 von 10 Punkten

Demächst in diesem Blog: Ich habe keine Ahnung.

 

 

Jetzt kommt Werbung – aber nur kurz

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

der aufmerksame Teil meiner getreuen Leserschaft – also alle – dürfte den geschätzten Kollegen René bereits als Mastermind hinter unserem gemeinsamen non-profit-Haufen-Projekt „Prangenten e.V.“ kennen. Was dagegen nicht allen meiner getreuen Leserschaft aufgefallen sein dürfte, ist, dass der geschätzte Kollege die Literaturlandschaft um ein nennenswertes Werk bereichert hat.

Denn René hat eine Geschichte geschrieben. Eine kurze. Weswegen man sie Kurzgeschichte nennt. Und diese wiederum gibt es unter dem eingängen, nicht im Geringsten sperrigen Titel

Last Christmas beginnt in Berlin schon im Juli: Doch dieses Jahr wird alles anders …

nun bei Amazon in eBook-Form zu erhaschen. Nennenswert in diesem Zusammenhang ist übrigens auch, dass es diese Geschichte beim großen A – für das ich sonst erfahrungsgemäß keine Werbung mache – bis einschließlich morgen kostenlos gibt. Für lau. Für umme. Für noppes. Unentgeltlich.

Weswegen ich jeder und jedem einzelnen meiner getreuen Leserschaft anraten möchte, sich mit dieser Geschichte mal zu befassen. Denn die kann sich durchaus lesen lassen! Ich meine, natürlich kann sie sich lesen lassen: Bei Amazon halt, bis morgen kostenlos übrigens, aber ich meinte das natürlich qualitativ und abseits des reinen Lesevorgangs.

Oh, und wenn man schon mal da ist, also beim großen A, dann kann man auch gleich Renés kleines Buch in seinen Einkauf mit einbeziehen. Das ist dann zwar nicht kostenlos, aber immer noch günstiger als eine Ausgabe einer aktuellen Tageszeitung. Und die Älteren erklären den Jüngeren jetzt bitte, was eine Tageszeitung ist.

Ich würde mich darüber hinaus übrigens freuen, wenn ihr nach erfolgter Lektüre eure hoffentliche Begeisterung in Wortform gießt und diese dann, versehen mit einer angemessen hohen Anzahl an Sternen beim großen A zurücklasst.

Und während ihr euch jetzt hoffentlich der vergnüglichen Lektüre hingebt, versuche ich, angesichts der Tatsache, dass heute Tag der E-Gitarre ist, George Michaels Musik gewordenes Verbrechen gegen die Menschlichkeit wieder aus dem Ohr zu bekommen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit und allseits ein frohes Bergfest.

Gehabt euch wohl!

abc.Etüden KW 47/48 IV

abc.etüden 2019 47+48 | 365tageasatzaday

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

bevor sich die handelsüblichen Ausgaben der von Christiane geleiteten Etüden in eine Winterpause verziehen, folgt hier zur Wortspende von Red Skies over Paradise noch eine letzte Etüde. Oder eine vorletzte. Oder so …

 

„Sag mal, kann es sein, dass die Landwirte landauf und landab unter allgemeiner Unbehaustheit leiden?“

„Wieso?“

„Na, weil sie, nach diversen anderen Städten, mittlerweile marodierend durch Berlin ziehen.“

„Die marodieren nicht, die protestieren!“

„Schon wieder!? Wieder gegen das Wetter?“

„Hach ja, das war witzig, oder!? Die einzige Berufsgruppe, die eine Entschädigung wegen schlechten Wetters bekommt! Ich sehe schon eine unheilige Allianz aus Eisdielen und Freibadbetreibern nach dem nächsten verregneten Sommer mit Fackeln und Forken vor dem Wirtschaftsmin…“

„Du übertreibst.“

„Ja, aber ist doch so. Und jetzt wehrt man sich gegen Umweltschutzmaßnahmen. Ist auch böse dieser Umweltschutz!“

„Na, der geht den Bauern eben zu schnell und zu weit.“

„Na, das verstehe ich natürlich. Warten wir doch einfach mit der Umsetzung der Maßnahmen bis zur völligen Nitratverseuchung des Bodens und dem gänzlichen Aussterben aller Insekten, dann geht bestimmt noch was.“

„Sarkasmus ist selten hilfreich. Du bringst den Bauern genau die fehlende Wertschätzung entgegen, die sie derzeit beklagen.“

„Oooch, schwermütige Bauern! Soll ich jetzt wöchentlich durchs Dorf gehen und den Landwirten meinen Respekt aussprechen?“

„Nein, aber … die Bauern fühlen sich verantwortlich gemacht für …“

„Alter, wir leben in Zeiten, wo dauernd Berufsgruppen für etwas verantwortlich gemacht werden: Erzieher, Lehrerinnen, Pflegekräfte … – und ja, das ist Scheiße. Dennoch …“

„Ich habs verstanden! Meinst Du also, die Bauern haben keinen Grund zur Klage?“

„Doch! Aber hier passiert endlich das, was allen Industriezweigen auferlegt werden sollte: Der Bund macht strikte Vorgaben, die müssen eingehalten werden, bumms, aus, fertig. Dass die Industrie, und nichts anderes ist Landwirtschaft, dann meckert, ist normal. Und mehr passiert hier nicht. Es geht nur darum, Aufmerksamkeit zu erhaschen.“

„Aber wenigstens die Sorge vor glyphosatverseuchten Importen aus Südamerika ist doch berechtigt, oder!?“

„Darüber können wir diskutieren, wenn die EU ihre Lebensmittelexporte nach Afrika einschränkt und dort heimischen Bauern das Leben schwer macht. Oder gar Importe subventioniert!“

 

300 Wörter.

 

 

„Das Päckchen“ von Franz Hohler

Buch: „Das Päckchen“

Autor: Franz Hohler

Verlag: Luchterhand

Ausgabe: Taschenbuch

Der Autor: Franz Hohler wurde 1943 in Biel, Schweiz, geboren. Er lebt heute in Zürich und gilt als einer der bedeutendsten Erzähler seines Landes. Hohler ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden, zuletzt mit dem Alice-Salomon-Preis und dem Johann-Peter-Hebel-Preis. Sein Werk erscheint seit über vierzig Jahren im Luchterhand Verlag. (Quelle: Luchterhand)

Das Buch: Als er gerade dienstlich in Bern ist, erreicht den Zürcher Bibliothekar Ernst ein offensichtlich irregeleiteter Anruf. Am anderen Ende der Leitung ist eine ihm unbekannte Frau, die ihn anfleht, umgehend zu ihr zu kommen. Aus einer Augenblickslaune heraus begibt sich Ernst zu der nahe gelegenen Adresse. Dort erwartet ihn eine alte Frau und drückt ihm ein Päckchen in die Hand mit der Bitte, es zu verwahren, damit es nicht in falsche Hände gerate. Zu seiner eigenen Verblüffung kommt Ernst der Bitte nach. Als er das Päckchen bei sich zu Hause öffnet, entdeckt er eine alte Handschrift, die er als ein Exemplar des „Abrogans“ erkennt, eines lateinisch-althochdeutschen Wörterbuchs, das als ältestes deutschsprachiges Buch überhaupt gilt. Sollte es sogar das bisher verschollene Original sein? Was, fragt sich Ernst, hat es mit diesem Fund auf sich? Und was soll er jetzt am besten tun … (Quelle: Luchterhand)

Fazit: Als der Bibliothekar Ernst am Bahnhof den Anruf einer ihm unbekannten Frau entgegennimmt, beginnt damit eine Reihe von Ereignissen und Zufällen, mit denen er so selbst nicht gerechnet hätte. Und ich auch nicht, weswegen es in Summe für mich auch der Zufälle und Konstruktionen zuviel waren, und ja, ich bin mir durchaus bewusst, dass das Absicht gewesen sein könnte.

Hohler teilt seinen Roman in zwei Handlungsstränge. Während wir in der Gegenwart Ernst bei seiner Suche nach den Hintergründen des „Abrogans“ begleiten dürfen, befasst sich der zweite, im 8. Jahrhundert spielende, Handlungsstrang mit der Entstehung des Werkes durch den Scriptoren Haimo.

Hohler bedient sich dabei eines vergleichsweise ruhigen, unaufgeregten Erzählstils, der durchaus zu gefallen wusste, inbesondere insofern, als sich der in der Vergangenheit spielende Handlungsstrang sprachlich teils deutlich von dem in der Gegenwart unterscheidet.

Leider ist der Erzählstil, den ich tatsächlich sehr genossen habe, der einzige Gesichtspunkt an Hohlers Buch, der mir so richtig gut gefallen hat.

Die Charaktere dagegen sind in beiden Handlungssträngen ausgesprochen klischeebehaftet. Ernst und seine Frau sind beide in den 40ern, beide als Bibliothekar bzw. Bibliothekarin tätig und in ihrer biederen Spießigkeit genau so, wie man sich im Klischee Bibliothekare vorstellt. Sie führen ein gemeinsames Leben fernab jeglicher Spannung, schlafen in getrennten Zimmern und treffen sich nur gelegentlich in einem davon zu einem „feurigen Abend“.

Auch der zweite Handlungsstrang kommt nicht ohne Klischees aus, selbst wenn diese sich hier weniger auf die Figuren, sondern mehr auf den Handlungsrahmen beziehen. So fehlen in Hohlers Mittelalter auch keine sündigen Mönche, Aussätzige und ähnliche Zutaten.

Dabei funktioniert das Zusammenspiel der beiden Handlungsstränge durchaus und hier kommt auch positiv zum Tragen, dass Hohler sich vergleichsweise kurz fasst. Während Dan Brown aus der Gegenwartshandlung einen 600-Seiten-Thriller gemacht hätte, so würde Iny Lorentz den zweiten Teil im Rahmen eines ebenfalls 600 Seiten umfassenden Kitsch-Epos verarbeiten. Hohler dagegen kommt mit gut 200 Seiten aus.

Nur leider kranken diese gut 200 Seiten unter anderem an diversen Situationen, die wirklich überkonstruiert wirken, beispielsweise als in einer Szene im ansonsten menschenleeren Gebirge zufällig zwei Personen anwesend sind, die Ernst aus unangenehmer Lage helfen können – und die dieser auch noch kennt. Und diese gut 200 Seiten kranken zudem an einer Charakterdarstellung, die wenig nachvollziehbar erscheint, was bereits ganz zu Beginn zu sehen ist, wenn jemand, der so ein routiniertes, durchstruktiertes Leben wie Ernst führt, plötzlich mit wildfremden Menschen telefoniert, ohne klarzustellen, dass es sich bei ihm nicht um den angenommenen Gesprächspartner handelt, diese Menschen dann auch noch besucht und obendrein später wieder kommt, nur um dort abzuwaschen. Dass ein Charakter wie Ernst sich dann auch noch genötigt sieht, darum ein kompliziertes Lügengebilde zu stricken, passt ebenfalls meines Erachtens nicht ins Bild.

Gefallen hat mir Hohlers Buch im Grunde dennoch. Mutmaßlich, weil ich es nicht als Krimi, Thriller oder ähnliches gelesen bzw. begriffen habe, sondern als eine unaufgeregt aber schön erzählte Geschichte um Vergänglichkeit und wie Dinge, insbesondere hinsichtlich der Kunst, Ewigkeiten überdauern können, beispielhaft durch Hohler veranschaulicht anhand eines in Halberstadt gepielten Orgelstücks von John Caige, das durch die Anweisung „as slow as possible“ des Komponisten hinsichtlich des Tempos dazu führt, dass es seit 2001 gespielt und erst im Jahr 2640 beendet sein wird.

Wer das Buch allerdings in der Erwartung liest, einen Dan-Brown-ähnlichen Thriller in kurz in der Hand zu haben, der dürfte möglicherweise enttäuscht werden. So ganz hat zumindest mich persönlich „Das Päckchen“ nicht erreicht.

Ich danke dem Luchterhand Verlag und dem Bloggerportal für die freundliche Übersendung des Rezensionsexemplars. Die Tatsache, dass es sich um ein Rezensionsexemplar handelt, beeinflusst meine Meinung selbstredend nicht.

Wertung:

Handlung: 6,5 von 10 Punkten

Charaktere: 4,5 von 10 Punkten

Stil: 8,5 von 10 Punkten

Atmosphäre: 6,5 von 10 Punkten

Gesamtwertung: 6,5 von 10 Punkten

Demnächst in diesem Blog: „Das geschwärzte Notizbuch“ von Nicolás Giacobone

 

abc.Etüden KW 47/48 III

abc.etüden 2019 47+48 | 365tageasatzaday

 

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

dass mein Lesefluss derzeit eher einem Leserinnsal gleicht, erwähnte ich bereits. Das bedeutet aber ja nun nicht, dass ich nicht doch immer mal eine Etüde verfassen könnte, wenn mir etwas Entsprechendes einfällt. Ja, manchmal, so wie gestern, tue ich das ja sogar, wenn mir nichts einfällt. Wie auch immer, hinsichtlich der Etüden verweise ich auf Christiane, die Wortspende kommt vom Blog Red Skies over Paradise.

 

„Oh, Du renovierst?“

„Nö – ich baue nur die Fenster aus.“

„Ähm, um neue einzubauen, nehme ich an?“

„Nö, die sollen einfach nur raus, einfach nur weg.“

„Hast Du Lack gesoffen? Nur zur Info: Es ist arschkalt draußen! Unzählige Menschen leiden unter gänzlicher Unbehaustheit und Du demontierst Dir freiwillig die Bude!? Warum denn, was hast Du Dir … oh, mein Gott, nein, Du …, Du …“

„Was denn?“

„Du hascht wieder, oder!? Gib es zu!“

„Ach, Quatsch! Aber die Fenster machen mich nicht mehr glücklich, keines davon. Also müssen sie weg!

„Ich habe keine Ahnung,  was Du mir damit …“

„Na, weil ich doch gerade ausmiste, nach der Marie-Kondo-Methode. Verkürzt gesagt: Alles, was Dich nicht glücklich macht, muss weg. Deswegen danke ich den Fenstern gleich noch in einer kurzen Zeremonie für ihren Dienst und …“

„Ich bin mir sicher, dass sich Kondos Methode eher auf Dinge im Haus beschränkt und nicht auf elementare Gebäudeteile!“

„Meinst Du wirklich?“

„Irgendwie schon. Und wie gehts dann weiter?“

„Dann kaufe ich nur noch bewusst ein.“

„Vielleicht irgendwann auch neue Fenster?“

„Ja, vielleicht …“

„Dann vielleicht auch aus Marie Kondos Shop?“

„Oh, sie hat einen Shop?“

„Japp, darin verkauft sie Leuten, denen sie beigebracht hat, sich von ihrem Nippes zu trennen, neuen Nippes.“

„Aha …“

„Ja, hier, sieh mal: eine Duftkerze für 77,40 Euro. Oder die gut 50 Gramm Matcha-Tee für über 40 Tacken. Oder hier, mein Lieblingsprodukt: eine kleine Suppenkelle für 86,40 Euro!“

„Wahnsinn!“

„Ja, oder!?“

„So viele schöne Sachen!“

Was?“

„Da gibt es ja so viele schöne Sachen.“

„Hast Du mir nicht zugehört? Eine verdammte Suppenkelle für über 80 Tacken!“ Dafür kann ich mir sechseinhalb Mal Martin Suters „Lila, lila“ kaufen und hab mein Geld wesentlich besser angelegt! Meinst Du wirklich, Du bist weniger schwermütig, wenn Du diesen Tinnef kaufst?“

„Ja! Hier, halt mal das Fenster, ich muss shoppen!“

„Na, ob Du Kondo wirklich verstanden hast …?“

 

300 Worte. Blöde 300-Worte-Begrenzung! ;-9

abc.Etüden KW 47/48 II

abc.etüden 2019 47+48 | 365tageasatzaday

 

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

in aller Kürze gibt es heute eine zweite der von Christiane geleiteten Etüden zur Wortspende von Red Skies over Paradise.

„Na, was machst Du?“

„Ich schreibe eine Etüde!“

„Yaaay, Metaebene! Und, worüber? Wieder über „Unbehaustheit“? Krasses Wort, oder!? Wer sich so was nur einfallen lässt …“

„Ey, Mann, das Wort kannst Du doch nicht sagen!“

„Was? Unbehausheit?“

„Nein, verdammt: Metaebene! Ein Text, der eine Metaebene darstellt, muss doch nicht erwähnen, dass er eine Metaebene darstellt. So ein Text muss mit derselben lässigen Selbstverständlichkeit verfasst sein, mit der man sich im Stau eine dieser Hirschhausen-Clownsnasen aufsetzt, ohne nach links und rechts zu sehen, um die Reaktion der anderen zu beobachten, ein Text wie dieser muss …“

„So was tust Du?“

„Unterbrich mich nicht! Jedenfalls, in einem Text der eine Metaebene darstellt, kannst Du doch den Leser nicht so mit der Nase auf die offensichtlichste Eigenschaft des Textes stoßen, wie einen Hund mit der Nase auf seine in der Wohnung verteilten, vor sich hin müffelnden Hinterlassenschaften!“

„Wer macht denn so was?“

„Ach, in den 80ern gab es Menschen, die hielten das für Hundeerziehung. Ist doch auch egal … Jedenfalls, was sollen denn die Leser denken, die glauben doch, ich hielte sie für blöd, wenn ich solcherlei „Hilfestellungen“ gebe.“

„Na, die glauben auch seit gestern, Du wärst schwermütig und würdest haschen!“

„Eins davon stimmt ja auch!“

„Ähm …“

„Nicht das!“

„Wenn Du das sagst …“

„So kann ich nicht arbeiten!“

„Ach, stell Dich nicht so …“

„Geh mir aus der Sonne!“

„Sonne? Wo?“

„Verschwinde einfach!“

„Ich?“

„Tu quoque, Brute, fili mi! Hau ab!“

„Ist. Ja. Gut. Meine Fresse, da will man jemanden aufmuntern, fragt ganz nett und freundlich, was er so macht und wird dann nur dumm angemacht. Ich habe ja keine Ahnung, womit ich das ver…“

„DU. BIST. NOCH. HIIIEEER!“

„Ich geh ja schon …“

„Mein Text, mein armer Text – ich hatte so eine schöne Etüden-Idee und jetzt steht da was von Hundekacke!“

„Damit hast Du aber angef …“

„Aaaaaargh …“

 

300 Worte, die, zumindest gedanklich, heute früh so gegen 4 Uhr entstanden, als ich zum wiederholten Male nicht schlafen konnte, was, wenn wir ehrlich sind, diesen Text auch nicht hinreichend erklärt …

 

 

abc.Etüden KW 47/48 I

abc.etüden 2019 47+48 | 365tageasatzaday

 

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

angesichts der Tatsache, dass sich mein derzeitiger Lesefluss vergleichen lässt mit der Umsetzung einer beliebigen Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag durch die GroKo, wird es bis zur nächsten Rezension noch etwas dauern. Vertreiben wir uns daher die Zeit mit einer bis mehreren der von Christiane organsierten Etüden. Die Wortspende stammt diesmal vom Blog Red Skies over Paradise.

 

„Na, wie isses?“

„Beschissen! Hast Du kürzlich mal aus dem Fenster gesehen? Gestern wurde es den ganzen Tag nicht richtig hell. Und heute? Dasselbe in grau! Kann man sich nur noch schön haschen!“

„Ist auch keine Lösung.“

„Auch wahr …“

„Außerdem ist das eine Einstellungssache. Karl Valentin hat mal gesagt: „Ich freue mich, wenn es regnet, denn wenn ich mich nicht freue, regnet es trotzdem!“

„Boah, ja, das kann ich ja haben, diese pathologisch-fröhlichen Kalenderspruch-Klugscheißer! Alter, ich habe schon Leuten für weniger aufs Maul …“

„Heeey, so schwermütig? Ist doch nur Wetter!“

„Es ist eben nicht nur das Wetter! Heute mal Nachrichten gesehen? Belagerung einer Uni in Hongkong, Wetterchaos im Österreich, die Bundesregierung gibt der Windenergie den Gnadenschuss, Donald Trump findet Siedlungsbau in annektierten Gebieten toll, die AfD präsentiert auf 127 Seiten eine „Studie“, die primär das fragwürdige Weltbild ihrer fragwürdigen Wählerschaft bekräftigt, in Brasilien wurde im letzten Jahr so viel Regenwald abgeholzt wie seit 11 Jahren nicht mehr, in der Ostukraine …

„Da wird noch geschossen?“

„Ja sicher, es sagt einem nur keiner mehr. Und letztlich: Weltweit findet der „World´s Big Sleepout“ statt, um auf die Unbehaustheit vieler Menschen hinzuweisen.“

„Die was?“

„Na, die Obdachlosigkeit! Während es 2006 noch etwa 256.000 Obdachlose in Deutschland gab, waren es im Jahr 2016 schon etwa 860.000 Menschen, Tendenz steigend. Bald könnte die Millionengrenze geknackt sein, das muss man sich mal vorstellen!“

„2016, ja!? Hast Du keine neueren Zahlen?“

„Nope, insbesondere vonseiten der CDU gibt es immer wieder Einwände gegen eine statistische Erfassung, diese sei „nicht machbar“ oder schlicht „zu teuer“ …“

„Alter, was, „zu teuer“?“

„Japp!“

„Könnte es unter Umständen sein, nur so vielleicht, eventuell, möglicherweise, dass man seitens der Politik kein Interesse daran hat, die Zahlen zu erheben, weil man das Problem, sagen wir, unter den Teppich kehren möchte …?“

„Das könnte natürlich sein …“

„Hm, wofür steht nochmal das C in CDU?“

 

300 Worte. Der ursprüngliche Text musste um etwa 50 Worte gekürzt werden, was dann passiert, wenn man nicht zählen kann …

„Fuchs 8“ von George Saunders

Buch: „Fuchs 8“

Autor: George Saunders

Verlag: Luchterhand

Ausgabe: Hardcover

Der Autor: George Saunders wurde 1958 in Amarillo, Texas, geboren und kam erst auf Umwegen zur Literatur. Er studierte Geophysik, arbeitete auf den Ölfeldern in Sumatra und schlug sich nach seiner Rückkehr als Türsteher, Dachdecker und Schlachthausgehilfe durch, bevor er Literatur studierte. Inzwischen hat er mehrere Bände mit Kurzgeschichten, einen Essayband und ein Kinderbuch veröffentlicht, lehrt Creative Writing an der Syracuse University und wurde u.a. 2006 mit dem MacArthur „Genius Grant“ und dem Guggenheim Fellowship, 2009 mit dem Academy Award der American Academy of Arts and Letters ausgezeichnet, erhielt 2013 den PEN/Malamud Award und 2014 den Folio Prize. George Saunders gilt als einer der besten Shortstory-Autoren der Gegenwart und neben David Foster Wallace als einer der bedeutendsten modernen Autoren Amerikas. Er lebt mit seiner Frau und zwei Töchtern in Oneonta, New York. Das Echo auf seinen ersten Roman »Lincoln im Bardo« war überwältigend: Man Booker Prize 2017, Shortlist für den Golden Man Booker Prize, Premio Gregor von Rezzori 2018, New York Times-Nr.1-Bestseller, SWR-Bestenliste Platz 1 und Spiegel-Bestseller. (Quelle: Random House)

Das Buch: Fuchs 8 war immer schon neugierig und ein bisschen anders als die anderen Füchse seiner Gruppe. So hat er die menschliche Sprache gelernt, weil er sich gern in den Büschen vor den Häusern versteckte und zuhörte, wenn die Menschen ihren Kindern Gutenachtgeschichten vorlasen. Die Macht der Worte und Geschichten befeuert seine Neugier auf diese Wesen, bis Gefahr am Horizont auftaucht: Der Bau eines riesigen Einkaufszentrums zerstört den Wald, in dem die Füchse leben, und sie finden kaum noch Nahrung. Dem stets belächelten Tagträumer Fuchs 8 bleibt nur eines: Er beschließt, seine Fuchsfamilie zu retten, und macht sich auf den Weg zu den Menschen … (Quelle: Random House)

Fazit: Nein, gestern war wirklich kein guter Tag für die Blogosphäre. Da es aber Dinge gibt, zu denen man nichts Sinnvolles sagen kann, tue ich das auch nicht, verweise nur im Falle unstillbarer Neugier in der Leserschaft auf den gestrigen Beitrag im Brüllmausblog hin und wende mich den positiven Seiten der Blogosphäre zu. Denn die gibt es!

Kaum hatte ich am vorgestrigen Freitag den Umgang von Bloggerinnen und Bloggern untereinander gelobt, schon tritt Wuschel von „Nicht noch ein Buchblog“ (beides geniale Namen übrigens, wie ich finde) an, um meine Behauptung zu untermauern, indem sie mir ungefragt ihr Exemplar von Saunders´ „Fuchs 8“ zukommen ließ, da ich zwar grundlegendes Interesse an der Lektüre des Buch äußerte, mich eine absolut unemotionale Kosten-/Nutzenrechnung allerdings grübeln ließ. Daher erst mal vielen, herzlichen Dank für das Buch, ich habe mich in der Tat sehr gefreut.

Und ich weiß tatsächlich nicht, ob Saunders´ Buch ansonsten bei mir eingezogen wäre, denn 12 Euro für 56 Seiten sind schon ziemlich happig. Ja, ich weiß, die Auseinandersetzung mit Literatur sollte keine Kostenfrage sein, ebenso wie, was weiß ich, der Kauf von Biofleisch und frischem Gemüse vom Wochenmarkt, aber machen wir uns nicht vor: Manchmal ist es das eben doch.

Umso begeisterter bin ich, dass „Fuchs 8“ nun doch bei mir eingezogen ist, denn Saunders Fabel hat durchaus Charme.

Um seinen Protagonisten, den namensgebenden Fuchs 8, die menschliche Sprache sprechen zu lassen, bedient sich Saunders eines netten Kunstgriffs: Fuchs 8 hat vor den Fenstern der menschlichen Behausungen Tag für Tag den Menschen zugehört, insbesondere dann, wenn den Kindern Gutenachtgeschichten erzählt wurden, bis er die Sprache selbt beherrscht. Das hat einen Nebeneffekt, nämlich den, dass Fuchs 8 das Buch so schreibt, wie er Worte hört, orthografisch ist das Buch also ein Albtraum und manchmal klingt Fuchs 8 wie eine zwölfjährige Version von Capital Bra, aber einerseits ist das absolut schlüssig, zweitens gewöhnt man sich daran und drittens ist es eine große Leistung des Übersetzers Frank Heibert, dem dafür, und insbesondere für die Wortschöpfung „fast ziniert“ ein großes Lob gebührt.

Inhaltlich kann ich natürlich nicht mehr über Saunders´ Fabel verraten als den oben erwähnten Klappentext, denn bei einem Umfang von 56 Seiten wäre jedes Wort dazu eines zu viel, daher kann ich mich nur wiederholen und feststellen, dass die tierische Auseinandersetzung mit dem menschlichen Verhalten und der Appell an freundlichen Umgang mit allen Lebewesen, die die Fabel ausmachen, eben Charme hat.

Ein bisschen erinnerte sie mich an eine der wenigen Sternstunden, die ich vor einem Zeitalter in der Schule hatte, im, man glaubt es kaum, Englischunterricht. Wir lasen eine in Form von Tagebuchauszeichnungen verfasste Geschichte über einen Wissenschaftler, der mit Ratten experimentiert, um sie intelligenter zu machen. Ab irgendeinem Punkt waren die Einträge ortografisch deutlich verändert und vermittelten eher den Eindruck, als hätte jemand nach Gehör geschrieben, was für mich (und augenscheinlich faszinierenderweise nur für mich) den Schluss zuließ, dass das Tagebuch ab da eben von einer der Ratten fortgeführt wird. Ich erntete sowohl von Lehrer-, als auch von Mitschülerseite Respekt. Das zusammen kam nicht oft vor, ist aber eine andere Geschichte, die an einem anderen Tag erzählt werden soll.

Kurz gesagt: „Fuchs 8“ lohnt sich!

Wertung:

8,5 von 10 Punkten

Demnächst in diesem Blog: Schaun mer mal … :-)

Freitagsfragen #92

Freitagsfragen

 

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

es ist wieder Freitag, was gleichbedeutend ist mit der Tatsache, dass es wieder Zeit für die Freitagsfragen aus dem Brüllmausblog wird. Ein Dank geht an dieser Stelle an die Fragenspenderin nickel. Die Fragen und Antworten lauten:

1.) Wann hast Du zum letzten Mal eine Nacht durchgemacht?

Freiwillig oder unfreiwillig?

Unfreiwillig kommt das derzeit gelegentlich schon mal vor. Nuff said.

Freiwillig habe ich das schon lange nicht mehr gemacht. Klar kommt es vor, dass ich zwischendurch erst in den späteren Nacht- bzw. früheren Morgenstunden ins Bett komme, aber so richtig durchgemacht …

Hmmm, ich denke, die letzte absichtlich durchgemachte Nacht, an die ich mich erinnere, liegt schon mehr als 10 Jahre zurück und war während der Olympischen Spiele in Peking. Eine ganz zauberhafte Person machte den Vorschlag – jedenfalls, sofern ich die Chronologie der Ereignisse noch richtig im Kopf habe -, sich eine Nacht lang die gesamte Berichterstattung der Spiele anzusehen.

Ich erinnere mich (hatte ich schon  mal mal erwähnt, dass das „mich“ nach „erinnere“ sprachlich wichtig, richtig und unverzichtbar ist? Nur mal so …), dass das eine sehr spaßige Veranstaltung war. Ich erinnere mich an eine Goldmedaille von Britta Steffen, der daraufhin in denkwürdiger Weise die Gesichtszüge entglitten, was zwischen sympathisch und fast schon gruselig schwankte.

2.) Zu welchen Gruppen* gehörst Du und was schätzt Du an ihnen? (*Z.B. Eltern, Sportler, Näher, Hundehalter etc.)

Ich weiß nicht, warum, aber ich tue mich mit Gruppeneinteilungen immer ein bisschen schwer, weil das automatisch etwas Separierendes hat. Ich fühle mich auch keiner Gruppe so zugehörig, dass ich sagen könnte, dass eben diese Gruppenzugehörigkeit etwas wäre, das mich als Mensch ausmacht.

Gut, naturgemäß gehöre ich der Gruppe der Bloggerinnen und Blogger an, die ich in erster Linie schätze, weil sie – zumindest in meiner kleinen Märchenwelt voller Feen, Elfen und Eskimos und der dazugehörigen Wahrnehmung – in Sachen Höflichkeit und Umgangsformen weit, weit, weeeeeit oberhalb des Bundesdurchschnitts liegt.

Man könnte auch behaupten, dass ich der Gruppe der „Gamer“ angehöre, auch wenn die nach Meinung unseres Innenministers eine fast schon paramliärische Vereinigung von potenziellen Attentätern sind und ich weiterhin nichts mit dem Wort „Gamer“ anfangen kann. Ich selbst würde mich dieser „Gruppe“, sofern man sie überhaupt als eine in welcher Art auch immer homogene Gruppe bezeichnen könnte, gar nicht wirklich zurechnen.

Tja, also, in Summe bleibt wohl: Mit Gruppenzugehörigkeiten tue ich mich schwer.

3.) Was assoziierst Du mit dem Wort „klassisch“?

Tja, hätte man mir diese Frage in einer Art Frage- und Antwortspiel gestellt, bei dem es auf Zeit ankommt, dann

– Aprops Frage- und Antwortspiel auf Zeit: Erinnert sich noch jemand an diesen sympathischen Menschen, der bei „Gefragt, gejagt“ auf die Frage, nach welcher Eissorte sich ein berühmter Rapper in den 90ern benannte, im Brustton der Überzeugung sagte: „Fürst Pückler!“? Le-gen-där! -,

ja, dann hätte ich bei dem Wort „klassisch“ wohl zuerst sofort an Musik gedacht.

Apropos Musik: Ich bin immer noch irritiert! Mein Radiosender spielte heute Morgen „Who Made Who“ von AC/DC, als anstelle der Stimme von Brian Johnson plötzlich seltsames Oboen-Gejammer aus den Lautsprechern dröhnte, das definitiv nicht zur Komposition von Johnson bzw. der Young-Brüder gehört. Dinge gibts …

Ich schweife ab! Jedenfalls, mit klassisch assoziiere ich in erster Linie klassische Musik. Zwar beschäftige ich mich damit zunehmend seltener, dennoch meine ich mich zu erinnern, dass weiterhin Pläne bestehen, im Sommer 2020 mein beharrlich vorherrschendes Defizit in Sachen „Don Giovanni“ zu beheben. Übrigens mit oben im Rahmen der Olympischen Spiele erwähnter, ganz zauberhafter Person. Ich hoffe, die Pläne bestehen noch.

Übrigens bin ich der Meinung, dass es ein Verbot dafür geben sollte, klassische Musik als Warteschleifenmusik zu verwenden! So war ich kürzlich gezwungen, mehrfach Zeit in einer solchen Warteschleife zu verbringen, die Smetanas „Moldau“ spielte … Ich mag Smetana! Wobei, so viele andere Dinge kenne ich von ihm gar nicht, deswegen muss ich ehrlicherweise sagen: Ich mag „Die Moldau“. Wenn aber die Warteschleifenvariante davon alle 30 Sekunden von vorne anfängt, und man viele, viele, viiiiele Minuten in selbiger Warteschleife verbringt, hat man für alle Zeiten genug von der „Moldau“!

4.) Die Wahl der Qual: Die Fähigkeit zu Lügen verlieren oder alles glauben, was man Dir erzählt?

Boah, was für eine gemeine Frage! Ich bin ein Mensch, der grundsätzlich vieles hinterfragt, was man mir gegenüber als Tatsache verkauft, weil einfache Wahrheiten selten Wahrheiten sind. Insofern fände ich es gruselig, alles zu glauben, was man Dir erzählt.

Allerdings glaube ich auch, dass man ohne kleine Notlügen kaum durchs Leben kommt. Oh, und da das hier immer noch, man glaubt es kaum, weitgehend ein Buchblog ist, kann ich nicht umhin jedem „Ja – Die Geschichte eines Mannes, der nicht mehr Nein sagen wollte“ von Danny Wallace zu empfehlen, wenn man wissen möchte, was passiert, wenn man ein Jahr lang auf jede gestellte Frage und jedes gemachte Angebot nur noch mit „Ja“ antwortet. Erschien schon 2007, ist urkomisch und sehr lesenswert. Dass man sich anschließend bemüßigt fühlte, einen Film mit dem unsäglichen Jim Carrey daraus zu machen, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

Kurz gesagt, schweren Herzens würde ich lieber die Fähigkeit zu lügen verlieren.

 

Das war es auch schon wieder. Ich wünsche allseits noch einen schönen Restfreitag und einen guten Start in ein hoffentlich schönes Wochenende.

Gehabt euch wohl!