„Kalte Angst“ von Arno Strobel – Mäßige Fortführung

Buch: „Kalte Angst“

Autor: Arno Strobel

Verlag: Fischer

Ausgabe: Taschenbuch, 368 Seiten

Der Autor: Arno Strobel ist ein 1962 in Saarlouis geborener deutscher Schriftsteller. Strobel studierte Versorgungstechnik und Informationstechnologie und war einige Jahre als IT-Unternehmensberater tätig. Anschließend arbeitete er in Luxemburg im Bereich Internet und Intranet bei einer großen deutschen Bank.

Strobel begann als eine Art Spätberufener erst mit fast 40 Jahren mit dem Schreiben, er schrieb Kurzgeschichten für Internetforen. Diese fanden immer häufiger den Weg in Zeitungen, Zeitschriften und Anthologien, so reifte der Entschluss, einen ersten Roman zu schreiben.

Nachdem er von den zwanzig größten Verlagen Deutschlands ausschließlich Absagen bekam, gründete Strobel mit zwei Freunden trotzig einen Verlag und verlegte seinen Erstlingsroman „Magus – Dir Bruderschaft“ in einer Auflage von 1.000 Stück selbst. Durch glückliche Fügung gelangte er damit schließlich doch in das Visier der Verlage und entschied sich im Jahr 2014, hauptberuflich als Autor tätig zu sein.

Strobel veröffentlichte bisher 13 Bücher, dazu zwei Jugendbücher und eine Reihe Kurzgeschichten.

Der Autor lebt mit seiner Frau und drei Kindern in der Nähe von Trier.

Das Buch: Oberkommissar Max Bischoff traut seinen Ohren nicht, als ihn der Leiter der Klinik für Forensische Psychiatrie in Langenfeld anruft und ihm mitteilt, dass er wichtige Informationen zu einem aktuellen Fall hat. Einem Fall, der Max Bischoff und seinem Partner Horst Böhmer nichts als Rätsel aufgibt. Denn scheinbar wahllos dringt ein Unbekannter, der sein Gesicht unter einer Fliegenmaske verbirgt, nachts in Wohnungen und Häuser ein. Er überwältigt die Bewohner und lässt jedes Mal nur einen Überlebenden zurück. Und eine Botschaft: „Erzähl es den anderen.“
Und jetzt der Anruf aus der Langenfelder Psychiatrie. Siegfried Fissmann, einer der Patienten dort und selbst ein verurteilter Mörder, sagt diese Morde genau voraus. Bischoff bleibt nichts anderes übrig, als sich auf Fissmann einzulassen, wenn er verhindern will, dass noch weitere Menschen sterben. Auch wenn das bedeutet, dass er selbst an die Grenzen seiner psychischen Belastbarkeit gerät … (Quelle: Fischer)

Fazit: Entgegen meiner sonstigen Überzeugung griff ich im letzten Jahr mit „Tiefe Narbe“ doch mal wieder zu einem Buch von Arno Strobel. Davor hatte ich mit dem Werk des Schriftstellers lange Jahre so meine Probleme, weil ich Bücher wie „Das Skript“ wirklich grenzwertig widerlich finde und ich allgemein keine so wahnsinnig große Affinität zu blutiger Mord- und Totschlag-Literatur habe. „Tiefe Narbe“ konnte mich aber wider Erwarten überzeugen, weswegen ich nicht umhin konnte, den nächsten Teil der Reihe rund um den Düsseldorfer Oberkommissar Bischoff zu lesen. Dieser überzeugte mich aber weit weniger.

Spannenderweise war der größte Kritikpunkt, den ich sonst bei Büchern von Strobel anbringe, nämlich diese unnötige Gewalt und Blutrünstigkeit um der Gewalt und Blutrünstigkeit willen, diesmal gar nicht so schlimm. Was darauf hindeutet, dass ich diesbezüglich entweder abgestumpft bin, oder mich die, auch in „Kalte Angst“ durchaus vorhandenen, brutalen Szenen irgendwie weniger erreichten.

Dabei macht der Autor eigentlich vieles genau so wie in seinem Erstling rund um den Polizisten Bischoff. Auch in „Kalte Angst“ wechseln sich die Szenen der Ermittlung mit Bischoff und Böhmer ab mit kursiv gedruckten Kapiteln, in denen die Morde aus der Sicht der Überlebenden geschildert werden. Und auch wenn diese Mordszenen mich offensichtlich weniger geschockt haben als sonst, sind sie durchaus harter Stoff. Wer beispielsweise pubertierende Kinder hat oder wer sich ansonsten gerade nicht sonderlich stabil fühlt, der sollte vielleicht vorübergehend etwas anderes lesen und im Sommer, wenn die Sonne scheint, nochmal auf Strobel zurückkommen.

Auch abseits dieser Gewaltszenen versucht Strobel augenscheinlich, vieles so zu machen, wie im Vorgänger. Aber irgendwie will ihm das aus meiner Sicht nicht gelingen. So wird der Autor beispielsweise wahrscheinlich nicht mehr zum größten Stilisten auf Gottes weiter Erde und das ist auch gar nicht schlimm. Aber in „Tiefe Narbe“ überzeugten wenigstens der Stil allgemein sowie die Dialoge und die Sticheleien zwischen dem Gespann Bischoff/Böhmer. Diese Sticheleien fallen in „Kalte Angst“ fast völlig weg, was, zugegeben, auch den Ereignissen aus dem ersten Teil geschuldet ist und der daraufhin folgenden Psycho- und Medikamententherapie, der sich Bischoff unterzieht. Da möchte man den labilen Kollegen nicht vielleicht noch zusätzlich ärgern. Aber dennoch: Da fehlt etwas. Auch die Dialoge allgemein schwächeln unerklärlicherweise.

Darüber hinaus lässt der Autor seine Figuren zwischendurch Gedanken äußern, die meiner Meinung allerhöchstens das Niveau von polemischem Stammtischgeblubber erreichen, das seine Charaktere ob der Wirkung mal eben unreflektiert nachplaudern.

„Erfahrene Kollegen hatten ihm bereits prophezeit, dass der Moment kommen würde, in dem er am Sinn seines Berufes zweifelte. weil die Polizei durch die Gesetze derart geknebelt war, dass man das Gefühl bekommen konnte, der Schutz der Täter und ihrer Rechte hätten Vorrang vor dem Schutz der Opfer.“ (S.  162)

Sowas kann man natürlich immer gut anbringen in Zeiten von „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen“-Diskussionen, und das mag im Einzelfall auch zutreffen, ich persönlich empfinde das aber eben als das bereits erwähnte Stammtisch-Geblubber. Es ist aber auch ein Ärger, dass den Polizisten hierzulande nicht jederzeit ein „Klappspaten frei“ erlaubt ist …

Und Strobel führt die Gedanken seines Protagonisten noch weiter:

Und selbst wenn ein Mörder überführt worden war, war noch lange nicht sichergestellt, dass dieser auch seine Strafe erhielt, weil irgendein findiger Rechtsanwalt vielleicht eine Gesetzeslücke fand, durch die sein Mandant schlüpfen konnte. (S. 162)

Ich bin kein Jurist, halte aber Gesetzeslücken bei Mord für relativ unwahrscheinlich. Ich habe auch keine Statistik über die Anzahl von Verfahrensfehlern bei Mordprozessen gefunden, halte aber auch diese Zahl für relativ gering. Was ich gefunden habe, ist eine Statistik zur Sicherungsverwahrung, aus der hervorgeht, dass die Anzahl der in Sicherungsverwahrung befindlichen Strafgefangenen in Deutschland von 340 im Jahre 2005 auf 549 im Jahre 2017 – und somit um etwa 61 % – zugenommen hat, Kuscheljustiz kann man daher wohl niemanden unterstellen. Auch wenn die papierne und fälschlicherweise als Zeitung bezeichnete Rohstoffverschwendung mit den vier großen Buchstaben sich nicht entblödet, in großen Lettern „SPERRT IHN ENDLICH FÜR IMMER WEG!“ zu fordern, unter Abdruck des Bildes und Klarnamens der betreffenden Person. Qualitätsjournalismus …

Neben den Schwächen im Stil und den Charakteren, die ich mir nach wie vor nicht erklären kann und die mich auch irgendwie ärgern, bliebe da noch die Handlung. Und die wiederum ist durchaus spannend. Die Auflösung bezüglich der Täterschaft weiß wirklich zu überraschen. Weniger überraschend als das „Wer“ ist allerdings das „Warum“! Ich kritisiere immer und immer wieder, dass man in der heutigen Spannungsliteratur keine wirklich ausgefeilten Antagonisten bzw. Bösewichte mehr bekommt. Die pösen Purschen als solche teilen sich in zwei Lager auf. Da gibt es einmal die, die böse sind, weil sie eben böse sind. Und dann gibt es noch die, wie in „Kalte Angst“. Mehr werde ich natürlich nicht verraten, aber die Begründung entlockte mir dann doch mal wieder ein augenrollendes „Och, nööö!“.

Abschließend kann man sagen, dass all das im Gesamtpaket „Kalte Angst“ nicht zu einem schlechten Buch macht. Arno Strobel-Fans und Fans von spannenden, blutigen Thrillern können gerne zugreifen. Aber all das macht „Kalte Angst“ zu einem Buch, das noch so viel mehr und so viel besser hätte sein können. Schade! Vielleicht hat man ja mit dem dritten Teil mehr Glück, dieser erscheint im Februar 2019.

Wertung:

Handlung: 8 von 10 Punkten

Charaktere: 6,5 von 10 Punkten

Stil: 7 von 10 Punkten

Spannung: 8 von 10 Punkten

Gesamtwertung: 7,375 von 10 Punkten

Demnächst in diesem Blog: „Die Krone der Sterne: Hexenmacht“ von Kai Meyer.

 

 

 

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Freitagsfragen #33

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Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

es ist schon wieder Freitag, was bedeutet, dass es Zeit ist für eine neue Runde Freitagsfragen aus dem Brüllmausblog. Irgendwie merke ich an den Freitagfragen ganz besonders, wie die Zeit verfliegt. Und da soll es Leute geben, die sich Gedanken darüber machen, wie sie selbige – also die Zeit – „vertreiben“ könnten oder gar darüber – moralisch völlig verwerflich – wie sie sich „totschlagen“ ließe. Mir würde es momentan schon reichen, sie ein wenig anzuhalten, was aber wohl genau so wenig funktioniert, wie das totschlagen. Sei´s drum! Die heutigen Fragen und Antworten lauten:

1.) Was ist das Ungewöhnlichste, das DU einmal gesehen hast?

Das ist eine sehr gute Frage, bei der ich auf die Antworten der anderen Mitstreiter der Freitagsfragen sehr gespannt bin, denn: Ungewöhnlich? Hmmm…

Also, ich bin ja im südlichen Niedersachsen beheimatet, dort, wo man die Bewohner des nahegelegenen Ostwestfalen-Lippe früher noch gerne als „Nordrhein-Vandalen“ bezeichnet hat – na, eigentlich alle Bewohner NRWs – und wo eine derartige ländliche Idylle herrscht, dass sogar schon Hannover von Einigen als Sündenpfuhl betrachtet wird. Und wer mal da war, wird wissen, dass einem bei Hannover viele Begriffe in den Kopf kommen, „Sündenpfuhl“ als solcher aber eigentlich erst mal nicht.

Will sagen: Hier läuft das Leben so gewöhnlich ab, wie es nur möglich ist.

Sogar so gewöhnlich, dass mir schon solche Zeitungsartikel wie der in der heutigen Tageszeitung ungewöhnlich erscheinen, in dem darauf eingegangen wurde, dass sowohl Lena Meyer-Landrut als auch Jennifer Lawrence sich kürzlich ob ihrer Kleiderwahl einer öffentlichen Anfeindung ausgesetzt sahen. Frau Meyer-Landruth stand mit einem, zugegeben, recht tief ausgeschnittenen Kleid, auf dem roten Teppich der Berlinale, Frau Lawrence dagegen in einem, sagen wir mal, Corsagenkleid (Versace, übrigens) – oder wie auch immer der richtige Fachterminus für dieses Outfit ist – in Gesellschaft einiger männlicher Schauspielkollegen auf einem Londoner Hausdach. Und dort war es augenscheinlich recht kühl, denn die männlichen Begleiter trugen alle Mäntel – nur Jennifer nicht.

Nun habe ich – natürlich rein aus Recherchezwecken *hüstel* – beide Bilder gesehen und fand sie eigentlich außerordentlich ansprechend. Auch wenn meine Meinung natürlich keinen allgemeingültigen Maßstab darstellt.

Andere Menschen sahen das aber offensichtlich anders. Im Zusammenhang mit Frau Landrut wurde da auf #metoo hingewiesen, und auch die Kleiderwahl von Frau Lawrence wird ob ihres sonstigen Einsatzes für Gleichberechtigung kritisch beäugt.

Offensichtlich kann frau heute nicht mehr gleichzeitig für Frauenrechte und Gleichberechtigung sein und sich hübsch anziehen.

Nun, aber ich will auch gar keine Emanzipationsdiskussion vom Zaun brechen – angesichts der Tatsache, dass mittlerweile gegen Überweisungsformular-Vordrucke geklagt wird und ich zur Zeit „Die Gabe“ von Naomi Alderman lese, tue ich das wahrscheinlich noch früh genug …

Außerdem könnte man mir vorwerfen, dass ich mich zunehmend vom Thema entferne. Dieser Vorwurf wäre natürlich vollkommen unbegründet, denn um sich von einem Thema zu entfernen, müsste man ja erst mal eines gehabt haben!

Etwas Ungewöhnliches also… – nein, also irgendwie will mir nichts einfallen – außer das Pferd an der Bushaltestelle:

Ich befand mich vor einigen Jahren im Auto und in angenehmster Gesellschaft. Und auf dem Wege von A nach B kamen wir an einer Bushaltestelle vorbei. Mit einem Wartehäuschen. So eines aus Stein, blickdicht, festgemauert in der Erden. Und daneben stand: Ein Pferd! Offensichtlich hielt der Besitzer der Pferdes selbiges am Zügel und saß auf der Bank im Wartehäuschen. Den konnte man von unserer Position aus erst nicht sehen. Man sah nur das Pferd, das den Eindruck erweckte, als würde es, na ja, auf den Bus warten eben. Gut, man muss vielleicht dabei gewesen sein, aber wir haben herzlich gelacht. :-)

Ungewöhnlich genug?

2.) Teilst Du gerne?

Natürlich! Vor allem Leid, denn geteiltes Leid… ;-) Nein, mal im Ernst, eigentlich teile ich recht gerne. Diese Aussage gilt allerdings ausdrücklich nicht für Bücher! Es gibt nur so zwei bis maximal drei Personen, denen ich gerne und guten Gewissens Bücher leihe, mithin also quasi mit anderen teile.

Auch, weil ich weiß, dass ich selbst recht schlecht darin bin, geliehene Bücher wieder zurückzugeben. So müssen sich heute noch ein Buch von Jojo Moyes, sowie etwa zwei von Markus Heitz in meinem Besitz befinden, wo sie eigentlich so gar nichts mehr verloren haben.

(Und ja, Du bekommst sie schon noch zurück! :-) )

3.) Erkennst Du Lügen gut?

Nein, ich denke nicht. Oder ich werde von meinen Mitmenschen nie angelogen, was ich angesichts der Tatsache, dass der Mensch statistisch mehrmals am Tag lügt, für recht unwahrscheinlich halte. Es wird ja so kolportiert, dass wir bis zu 200 Mal am Tag lügen, Belege dafür finden sich aber nicht. Wesentlich wahrscheinlicher ist die Zahl von etwa zwei Lügen am Tag.  Zumindest kommt ein Team von Forschern aus den USA, Belgien, den Niederlanden und Deutschland auf diese Zahl. Und diese zwei Lügen sind in erster Linie das, was die Wissenschaft sogenannte „weiße Lügen“ nennt, also harmlose Flunkereien, die zur Konfliktvermeidung eingesetzt werden. Beispielsweise auf die Frage: „Sehe ich in diesem Kleid dick aus?“, denn sind wir doch mal ehrlich: Darauf gibt es keine einzige richtige Antwort! :-)

4.) Die Wahl der Qual: All Deine Schuhe sind plötzlich zu klein oder Dein Bett ist geschrumpft?

Nun, ich bin selbst etwas untergroß und bin morgens schon in diversen zusammengerollten Haltungen wach geworden, bei denen jeder Orthopäde mit schmerzverzerrtem Gesicht scharf die Luft zwischen den Zähnen einziehen würde. Insofern könnte ich in einem geschrumpften Bett ganz gut überleben, also nehme ich das.

 

So weit, so gut, geneigte Leserschaft. Ich wünsche allseits einen guten Einstieg in ein schönes Wochenende.

Gehabt euch wohl!

„Kennen Sie diesen Mann?“ von Carl Frode Tiller – Spannendes Psychogramm

Buch: „Kennen Sie diesen Mann?“

Autor: Carl Frode Tiller

Verlag: btb

Ausgabe: Taschenbuch, 351 Seiten

Der Autor: Carl Frode Tiller, geboren 1970, ist ein norwegischer Autor, Historiker, Musiker und Komponist. Er gilt als Meister der psychologischen Zwischentöne. Seine Romane sind vielfach preisgekrönt und in 16 Sprachen übersetzt. „Kennen Sie diesen Mann?“ ist der erste Teil einer Trilogie um den gedächtnislosen David. Die deutsche Ausgabe der Fortsetzung „Wer du heute bist“ erscheint am 09.07.2018. (Quelle: btb)

Das Buch: David hat sein Gedächtnis verloren. Er weiß nicht mehr, wer er ist. In einer Zeitungsanzeige fordert er Verwandte und Bekannte auf, ihm einen Brief zu schreiben, um ihm seine Erinnerungen zurückzugeben. Und er bekommt Antworten auf seine Fragen. Aber will er die wirklich hören? Denn sie sind ganz unterschiedlicher Art und nicht immer schön. Sein Jugendfreund Jon, ein Musiker, der gerade den Halt zu verlieren scheint, meldet sich. Sein Stiefvater Arvid, ein Pfarrer, der auf den Tod wartet. Und seine Jugendliebe Silje, eine Frau mittleren Alters, die möglicherweise gerade im Begriff ist, aus ihrer Ehe auszusteigen. Die Briefe geben ihnen allen die unerwartete Chance, von ihrem eigenen Leben zu erzählen, während sie zugleich Davids Geschichte einkreisen. Aber wer ist David wirklich? (Quelle: btb)

Fazit: Ich gebe zu, ich habe mittlerweile ein mächtiges Problem mit dem Thema Gedächtnisverlust in Büchern. Diese „Idee“, so möchte ich das mal wohlwollend nennen, wurde eine Zeit lang derartig inflationär  verwendet, dass sogar Autorinnen und Autoren wie Ursula Poznanski und Dan Brown ihr nicht mehr ausweichen konnten, und sich vermutlich quasi gezwungen sahen, wie ich ebenso wohlwollend annehme, sie ebenfalls zu verwenden.

Dabei ist an dieser Idee eigentlich gar nicht so viel auszusetzen. Wenn man sie denn richtig umsetzt. So wie Carl Frode Tiller.

David hat also sein Gedächtnis verloren. Und auf Anraten seines Arztes versucht er, über eine Zeitungsannonce, Freunde und Bekannte dazu zu animieren, ihm Briefe zu schreiben, um seinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen. Der Witz dabei: David, der eigentliche Protagonist, taucht über die gesamte Dauer von „Kennen Sie diesen Mann?“ nicht ein einziges Mal auf.

Stattdessen lässt Tiller dessen Freunde und Familie zu Wort kommen. Der Autor teilt seinen Roman in drei Teile, die jeweils aus Briefen von seinem Jugendfreund Jon, seinem Stiefvater Arvid und seiner Jugendliebe Silje bestehen sowie aus Abschnitten, in denen wir diese drei Personen in ihrem heutigen Leben begleiten. Dabei bekommt man als Leser nicht nur ein umfangreiches Bild davon, wer die Person David denn nun ist – und es wird nicht verwundern, dass alle drei Personen ein leicht abweichendes Bild von ihm zeichnen -, man bekommt auch einen intensiven Einblick in die drei Erzähler selbst sowie ihr Verhältnis und ihre Meinung zueinander. Und mehrfach ist man geneigt, seine eigentlich bereits feststehende Meinung zu einer bestimmten Person zu überdenken und ggf. zu revidieren.

Diese Erzählweise macht aus „Kennen Sie diesen Mann?“ ein spannendes Psychogramm, deren Einzelteile sich erst im Laufe der Schilderungen von Jon, Arvid und Silje erschließen. Ein Spannungsbogen als solcher bleibt dabei weitgehend aus, aber hat man sich einmal an die Erzählweise und den ebenfalls ausbleibenden gedächtnislosen Protagonisten gewöhnt, entwickelt Frodes Roman eine bemerkenswerte Sogwirkung, der ich mich nicht nur schwer entziehen konnte, sondern das auch gar nicht wollte.

Diese Wirkung wird durch Tillers lesenswerten Stil noch vertieft. Sind die Briefe der drei Erzähler alle recht gut lesbar gestaltet, so hat der Autor jedem seiner Erzähler eine ganz individuelle Erzählstimme verliehen, wenn es um die Schilderung der heutigen Erlebnisse geht. Dabei ist der Teil, in dem der Leser Arvid im Krankenhaus begleitet, noch am einfachsten zu lesen – wenn auch inhaltlich schwer verdaulich -, während Jon durch einen SMS-haften Stil auffällt und weitgehend auf Nebensächlichkeiten wie Personalpronomen verzichtet. Wirkliche Probleme hatte ich nur bei den geschilderten Unterhaltungen bzw. Auseinandersetzungen zwischen Silje und ihrem Mann. Dass dort wörtliche Rede nicht mehr als solche gekennzeichnet wird, hat man relativ schnell verarbeitet. Dass aber nahezu jeder Satz mit „sage ich“ oder „sagt er“ beendet wird, hat dagegen – ebenfalls relativ schnell – einen recht störenden Effekt. Ich habe wenig Probleme damit, wenn jemand im persönlichen Gespräch mit mir so etwas sagt wie:“Ich sach: Hömma!“, sach ich. Ich sach: „So nich´!“, sach ich“, aber wenn ich das über einen längeren Zeitraum lesen muss, stört es mich erheblich. Dazu kommt noch die etwa fünftausendfache Wiederholung der Phrase, dass Silje ja durchaus höre, was sie da sage, dass sie aber überhaupt nicht wisse, wo das Gesagte denn nun so plötzlich herkomme.

Aber auch das verleiht der Person der Silje eben diese eben erwähnte individuelle Erzählstimme. Und so sehr mich diese auch zwischendurch gestört haben mag, sie hat zumindest nicht verhindert, dass ich das Buch zügig durchgelesen und am Ende leichtes Bedauern verspürt habe, weil ich auf den zweiten Teil noch so lange warten muss.

Wertung:

Handlung: 8 von 10 Punkten

Charaktere: 9,5 von 10 Punkten

Stil: 9 von 10 Punkten

Anspruch: 8 von 10 Punkten

Gesamtwertung: 8,625 von 10 Punkten

Demnächst in diesem Blog: Auf vielfachen Wunsch einer einzelnen Leserin wollte ich mich als nächstes eigentlich mit „Die Blausteinkriege II“ beschäftigen. Wie von Zauberhand haben sich allerdings heute Bücher von Arno Strobel, Marc Raabe und Naomi Alderman zu mir verirrt. Und morgen wird das neue Buch von Kai Meyer sich ebenfalls zu mir verirren. Und lesen würde ich die spontan alle gerne …

Kurz: Ich weiß es noch nicht genau!

„Seht, was ich getan habe“ von Sarah Schmidt – „Lizzie Borden took an axe …“

Buch: „Seht, was ich getan habe“

Autorin: Sarah Schmidt

Verlag: Pendo

Ausgabe: Hardcover, 382 Seiten

Die Autorin: Nach ihrem Master of Arts in Kreatives Schreiben begann Sarah Schmidt als Bibliothekarin zu arbeiten. Dabei stieß sie 2005 auf die Geschichte von Lizzie Borden, die sie seither nicht wieder losließ. Ihre leidenschaftliche Suche nach den Hintergründen der Mordfälle brachte sie sogar dazu, mehrere Nächte im Haus der Bordens, das heute ein Bed & Breakfast ist, zu verbringen. »Seht, was ich getan habe« ist ihr Romandebüt, das international hoch angesehen wurde. Sarah Schmidt lebt mit ihrer Familie in Melbourne. (Quelle: Pendo)

Das Buch: »Vater ist tot!« Zutiefst verstört starrt Lizzie Borden ihren Vater an, der blutüberströmt auf dem Sofa liegt. Auch ihre Stiefmutter wird tot aufgefunden – ebenfalls hingerichtet mit einer Axt. Eindeutige Spuren sind an jenem schicksalhaften Morgen des 4. August 1892 kaum auszumachen, dafür häufen sich die Fragen. Denn während die Nachbarn in Fall River, Massachusetts, nicht begreifen, wie einer so angesehenen Familie etwas derart Grausames zustoßen kann, erzählen diejenigen, die den Bordens wirklich nahestehen, eine ganz andere Geschichte: von einem jähzornigen Vater, einer boshaften Stiefmutter und zwei vereinsamten Schwestern. Schnell erklärt die Polizei Lizzie zur Hauptverdächtigen, deren Erinnerung jedoch lückenhaft ist. Wo war sie zum Zeitpunkt der Morde? Saß sie wie so oft unter den Birnbäumen und träumte vor sich hin? Oder ist sie doch verantwortlich für diesen Albtraum? (Quelle: Pendo)

Fazit: Ungeklärte Mordfälle, die Geschichte gemacht haben – eben die Geschehnisse rund um Lizzie Borden oder auch die Morde in Hinterkaifeck 1922, um mal bekannte Beispiele zu nennen -, üben auf mich, ebenso wie sogenannte „true-crime“-Sendungen, eine seltsame Faszination aus. Welcher Art von Dachschaden ich diesen leicht morbiden Spleen zu verdanken habe, kann ich nicht sagen, ich weiß nur, dass er dazu führt, dass ich an Büchern wie „Seht, was ich getan habe“ nicht einfach so vorbei gehen kann.

Viel ist bereits geschrieben worden über die Ereignisse im August 1892, und von fundierten, gut recherchierten Sachbüchern bis hin zu hanebüchenem Blödsinn scheint alles dabei zu sein, was das Herz begehrt.

Die Autorin Sarah Schmidt hat sich entschieden, in ihrem Buch die damals beteiligten Personen selbst zu Wort kommen zu lassen. So erzählt sie die Geschichte abwechselnd aus Lizzies Sicht, sowie aus der ihrer Schwester Emma, der Haushälterin Bridget und des zwielichtigen Benjamin.

Und alle diese Protagonisten hatten mehr oder weniger gute Gründe, das Ehepaar Borden umzubringen.

Emma Borden fühlte sich im Vergleich zu ihrer Schwester vom Vater und der Stiefmutter benachteiligt, stellte sogar ihr eigenes Leben hintan, um sich um das Wohlergehen ihrer Schwester zu kümmern, was ihr von ihrem Vater nie gedankt wird.

Bridget möchte die Familie eigenlich seit geraumer Zeit verlassen, weil sie es im Hause Borden unheimlich findet und sie mit der Familie nicht gerade gut zurecht kommt. Kurz bevor sie ihren Plan allerdings in die Tat umsetzen kann, konfisziert Abby Borden, Lizzies und Emmas Stiefmutter, ihre Ersparnisse, womit sich Bridget gezwungen sieht, zu bleiben. War das der Auslöser für einen Doppelmord?

Benjamin wird von Emmas und Lizzies Onkel, dem Bruder ihrer leiblichen Mutter, dafür engagiert, den Eheleuten Borden ins Gewissen zu reden. Ihm passt es nicht, wie die Beiden mit den Schwestern umgehen. Ging bei diesem „ins Gewissen reden“ einiges schief und lief es letztlich aus dem Ruder?

Und letztlich wäre da noch Lizzie. Am Tattag brachte ihr Vater ihre von ihr sehr geliebten Tauben um. War das der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte?

Die Autorin schafft es, den unterschiedlichen Erzählperspektiven auch unterschiedliche Erzählstimmen zu geben, so dass eigentlich immer gut ersichtlich ist, aus wessen Sicht das Kapitel gerade erzählt wird.

Insbesondere der Stil, in dem Lizzies Kapitel gehalten sind, hat es mir dabei angetan. Auch wenn ich gerade diese Kapitel als vergleichweise schwierig zu lesen empfand. Aber Sarah Schmidt macht schon allein stilistisch deutlich, dass bei Lizzie im Kopf eindeutig irgendwas nicht rund laufen kann, sei es durch zahlreiche kursiv gedruckte Einschübe, die einerseits Lizzies Gedanken verkörpern könnten, sich andererseits aber auch so lesen, als würde Lizzie Stimmen hören – und zwar keine von der harmlosen Art, die nur unschuldig die Melodie von „Tetris“ summen. Sei es aber auch durch die schwer nachvollziehbaren Handlungen, die sie ihre Protagonistin ausführen lässt. So steht Lizzie kurz nachdem sie ihren übel zugerichteten toten Vater gefunden hat, erst mal in der Haustür und lächelt angesichts der vorbeiflanierenden Menschen sowie des fröhlichen Vogelgezwitschers, bevor sie eine Birne isst. Natürlich, wer würde in dieser Situation nicht genau so reagieren? Übrigens werden in „Seht, was ich getan habe“ auffallend viele Birnen gegessen! Ich habe keine Ahnung, welchen Zweck dieses Motiv verfolgt, aber irgendeinen muss es haben …

Neben dem überzeugenden Stil ist es vor allem die düstere, gruselige Atmosphäre, die sich durch dieses Buch zieht, und die es so lesenswert macht. Sich dabei immer wieder bewusst zu machen, dass es sich dabei um Ereignisse handelt, die so, oder zumindest sehr ähnlich, tatsächlich passiert sind, verstärkt diese Atmosphäre noch.

Bezüglich der gerade erwähnten Ereignisse scheint es übrigens, als hätte sich Sarah Schmidt – zumindest soweit ich das beurteilen kann – erfreulich nah an die historischen Tatsachen gehalten. Lediglich zu der Konfiszierung von Bridgets Ersparnissen bzw. der Figur des Benjamin konnte ich keine weiteren Informationen finden. Es mag also sein, dass diese beiden Komponenten aus dramaturgischen Gründen eingefüht worden, was ich außerordentlich verzeihlich finde.

Wer einen gewissen Hand zu gruseligen Geschichten, die auf wahren Begebenheiten beruhen, hat, dem kann ich „Seht, was ich getan habe“ wärmstens empfehlen. Alle anderen verpassen eben etwas!

Und ich denke jetzt noch ein bisschen über Bridget nach, die zum Zeitpunkt der Morde zwar im Hause war, allerdings nicht das Geringste gehört haben will … Hmmm …

Wertung:

Handlung: 8,5 von 10 Punkten

Stil: 9 von 10 Punkten

Charaktere: 9 von 10 Punkten

Atmosphäre: 9,5 von 10 Punkten

Gesamtwertung: 9 von 10 Punkten

Demnächst in diesem Blog: „Kennen Sie diesen Mann?“ von Carl Frode Tiller, ein Buch, von dem ich noch nicht im Ansatz weiß, wie ich darüber schreiben soll.

 

Freitagsfragen # 32

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Schönen guten Abend, liebe Leserinnen und Leser,

die Woche neigt sich dem Ende zu (yay!), was gleichbedeutend damit ist, dass eine neue Ausgabe der Freitagsfragen aus dem Brüllmausblog ihrer Beantwortung harren. Nein, harrt, Ausgabe, Singular. Gehen wir ohne weitere Vorreden in medias res. Die heutigen Fragen und Antworten lauten:

1.) Wie vertreibst Du Dir die Zeit auf langen Reisen?

Auf diese Frage eine spontane Antwort zu haben, würde implizieren, dass ich gelegentlich solche langen Reisen antrete, was nicht der Fall ist. Es ist schon ein Ereignis geradezu weltumspannender Bedeutung, wenn ich überhaupt mal mein schönstes Bundeland der Welt verlasse.

Aber gesetzt den Fall, ich würde eine lange Reise antreten, dann hinge die Wahl meines Zeitvertreibs – fürchterliches Wort! – von der Wahl des Fortbewegungsmittels ab. Wäre ich auf einer langen Autofahrt, dann würde ich mir wahrscheinlich mit Freude die Umgebung ansehen, in die es mich verschlägt, vielleicht auch gelegentlich etwas lesen.

Wäre ich länger im Zug unterwegs, würde ich fast ausschließlich lesen, denn die Umgebung an Bahnschienen ist nur selten einer genaueren Betrachtung würdig.

Und sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass ich im Flieger unterwegs wäre, würde ich mir von den freundlichen Flugbegleiterinnen den mit gigantischem Abstand hochprozentigsten Alkohol, der sich an Bord finden lässt, kredenzen lassen, um den Rest dieses Horroszenarios bis zur Ankunft am Zielflughafen in seeligem – nein seligem, ein „e“ – Schlummer zu verbringen.

2.) Ist Essen für Dich Genuss oder eine Notwendigkeit?

Auch hier kann ich nur sagen: Das kommt darauf an! Sollte ich irgendwo zum Essen eingeladen sein, wo etwas auf dem Speiseplan steht, dass auf meiner Beliebtheitsskala eher weit unten rangiert, dann wäre es wohl eher eine Notwendigkeit. Wenigstens habe ich im Laufe der Zeit gelernt, mit so etwas souverän umzugehen. Das war mal anders! Zu Kindergartenzeiten beispielsweise wurde uns Jungspunden mal Leber kredenzt. Bäh! (Kann mal so was als Erzieher bzw. Erzieherin heute eigentlich noch machen, ohne sich anschließend mit entrüsteten Eltern auseinandersetzen zu müssen?) Und, man darf nicht vergessen, wir schrieben die frühen 80er, man war noch fern von dem, was man heute so despektierlich „Kuschelpädagogik“ nennt, und es galt noch die Maxime: „Das wird aufgegessen!“ Nun, das tat ich auch. Ich überzeugte die Erzieherinnen allerdings schon kurz darauf außerordentlich unsubtil davon, mich fürderhin nicht mehr zum Verzehr von Innereien zu nötigen …

In über 99 % aller Fälle ist Essen für mich allerdings schon reiner Genuss!

3.) Was liest, schaust oder hörst Du aktuell?

Ich habe es im Laufe der Woche geschafft, eine Leseflaute ungeahnten Ausmaßes zu umschiffen. Und ich lese auch nach langer Zeit mal wieder mehrere Bücher parallel. Im Einzelnen sind das „Kennen Sie diesen Mann?“ von Carl Frode Tiller, „Die Blausteinkriege II“ von T. S. Orgel und „Lubetkins Erbe“ von Marina Lewycka. Anschließend warten schon „Die Blausteinkriege III“, „Augustus“ von John Williams und „Der Kaffeedieb“ von Tom Hillenbrand auf mich …

Was das schauen bzw. hören angeht, kann ich nichts Besonderes vermelden. Abgesen von Nachrichtensendungen, Sportübertragungen und gelegentlich einer Folge von „Wer wird Millionär?“ ist mein Fernsehkonsum praktisch gleich null. Eigentlich sehe ich mir auch ganz gerne mal gute Filme an, egal ob im Kino oder TV, das macht alleine allerdings nur eingeschränkt Spaß, weswegen ich es auch nur eingeschränkt praktiziere. :-)

4.) Die Wahl der Qual: Bis 40°C frieren oder sogar bei -10°C noch schwitzen?

Die Kälte-Fraktion wird mir entgegenhalten, dass man, wenn man friert, immer die Möglichkeit hat, noch eine und noch eine Schicht Kleidung überzuziehen, während dieser Technik im umgekehrten Sinne bei Hitze irgendwann natürliche Grenzen gesetzt sind bzw. gesetzt sein sollten. Und dennoch: Mir ist lieber zu warm, als zu kalt, ich schwitze also gerne schon bei -10° C.

 

Nun denn, geneigte Leserschaft, damit entlasse ich euch in euer wohlverdientes Wochenende und wünsche allseits ein schönes solches.

Gehabt euch wohl

 

 

„Fremd“ von Ursuals Poznanski und Arno Strobel – Die Faszination der Redundanz

Buch: „Fremd“

Autoren: Ursula Poznanski, Arno Strobel

Verlag: rororo

Ausgabe: Taschenbuch, 393 Seiten

Die Autoren: Ursula Poznanski wurde 1968 in Wien geboren. Sie war als Journalistin für medizinische Zeitschriften tätig. Nach dem fulminanten Erfolg ihrer Jugendbücher „Erebos“ und „Saeculum“ landete sie bereits mit ihrem ersten Thriller „Fünf“ auf den Bestsellerlisten. Bei Wunderlich folgten „Blinde Vögel“, „Stimmen“ und „Schatten“; gemeinsam mit Arno Strobel „Fremd“ und „Anonym“. Inzwischen widmet sich Ursula Poznanski ganz dem Schreiben. Sie lebt mit ihrer Familie im Süden von Wien. (Quelle: Rowohlt)

Arno Strobel, 1962 in Saarlouis geboren, studierte Informationstechnologie und arbeitete lange bei einer großen deutschen Bank in Luxemburg. Im Alter von fast vierzig Jahren begann er mit dem Schreiben von Kurzgeschichten, die er in Internetforen veröffentlichte, bevor er sich an seinen ersten Roman heranwagte. Mit seinen Psychothrillern erklomm Strobel die Bestsellerlisten. Gemeinsam mit Ursula Poznanski schrieb er für Wunderlich „Fremd“ und „Anonym“. Arno Strobel lebt in der Nähe von Trier. (Quelle: Rowohlt)

Das Buch: Stell dir vor, du bist allein zu Haus. Plötzlich steht ein Mann vor dir. Er behauptet, dein Lebensgefährte zu sein. Aber du hast keine Ahnung, wer er ist. Und nichts in deinem Zuhause deutet darauf hin, dass jemand bei dir wohnt. Er redet auf dich ein, dass du doch bitte zur Vernunft kommen sollst. Du hast Angst. Und du verspürst diesen unwiderstehlichen Drang, dich zu wehren. Ein Messer zu nehmen. Bist du verrückt geworden?
Stell dir vor, du kommst nach Hause, und deine Frau erkennt dich nicht. Sie hält dich für einen Einbrecher. Schlimmer noch, für einen Vergewaltiger. Dabei willst du sie doch nur beschützen. Aber sie wehrt sich, sie verbarrikadiert sich. Behauptet, dich niemals zuvor gesehen zu haben. Sie hält dich offensichtlich für verrückt. Bist du es womöglich?
Eine Frau. Ein Mann. Je mehr sie die Situation zu verstehen versuchen, desto verwirrender wird sie. Bald müssen sie erkennen, dass sie in Gefahr sind. In tödlicher Gefahr. Und es gibt nur eine Rettung: Sie müssen einander vertrauen … (Quelle: Rowohlt)

Fazit: Zugegeben, meine Erfahrung hinsichtlich Büchern von Autoren-Duos ist recht überschaubar. Und wenn, dann waren diese Erfahrungen selten erbaulich. So habe ich einige Bücher von Lee Child und Douglas Preston gelesen, die aber in meinem persönlichen Orkus des Vergessens untergegangen sind. Und ja, auch von Iny Klocke und Elmar Wohlrath habe ich ein oder zwei Bücher gelesen, hierbei wäre allerdings jede weitere Wort eines zu viel. Und meine letzte Erfahrung im Bereich Autoren-Duos wird wohl „Abgeschnitten“ von den Herren Fitzek und Tsokos gewesen sein, das ich mindestens für überflüssig halte, trotz meiner sonstigen Begeisterung für den Herrn Fitzek.

Trotz dieser Vorbelastung stürzte ich mich wohlgemut in die Lektüre von „Fremd“. Und siehe da: Es hat sich gelohnt!

Die Autoren erzählen die Geschichte kapitelweise abwechselnd aus der Sicht der beiden Protagonisten Joanna bzw. Erik. Diese Art der Vorgehensweise führte zu Beginn des Buches zu einem Effekt, der mich anfangs irritiert hat. Man erlebt nämlich – logischerweise – die selbe Szene zweimal, ohne dass in der zweiten Schilderung sonderlich neue Erkenntnisse auf die Leser warten. Bald kamen erste Zweifel auf, ob diese Art der sich immer wiederholenden Ezählung auf lange Sicht nicht ermüden und langweilen würde. Im Laufe der Zeit erweist sie sich aber als durchaus zweckmäßig und spannend, z. B. als in einem aus Eriks Sicht erzählten Kapitel Joanna ein Telefongespäch führt, man die Äußerungen ihres Gesprächspartners aber erst im folgenden, aus ihrer Sicht erzählten Kapitel erfährt. Ihr könnt mir folgen?

Insgesamt geht der Stil, in dem „Fremd“ gehalten ist, nicht nur aufgrund der Erzählweise vollkommen in Ordnung. Die Autoren schreiben erfreulich schnörkellos und kommen ohne abenteuerliche Satzkonstruktionen aus. Damit wird der Stil auch dem im Laufe der Handlung anziehenden Tempo des Buches gerecht.

Die Charaktere bleiben ein wenig hinter der Qualität des Stils zurück, und das obwohl sich die Autoren auf ein recht überschaubares Figuren-Ensemble beschränken. Weder die Neben- noch die Hauptfiguren sind außerordentlich genau gekennzeichnet. Das stört aber eigentlich nicht weiter, wir haben hier schließlich einen Thriller vorliegen, erfahrungsgemäß kommt es hier in erster Linie auf die Geschehnisse, die Handlung selbst an. Und so ist es hier eben auch.

Und an eben dieser Handlung gibt es nur wenig auszusetzen. Poznanski und Strobel entfalten ein spannendes Szenario, das die Leser eine Weile im Dunkeln lässt, hinsichtlich der Frage, was das alles soll und wohin das alles führt. Bis ungefähr zur Hälfte des Buches kann man nach Herzenslust mitraten, wer denn nun als Antagonist auftaucht. Dann aber wird – bemerkenswert früh und bemerkenswert deutlich – klar geschildert, wer denn nun „die Bösen“ sind. Das tut der Spannung aber bemerkenswerterweise keinen Abbruch, so dass mich die Handlung eigentlich vollkommen überzeugt zurücklässt. Eigentlich. Denn da wäre ja noch das Ende. Darüber kann ich natürlich nicht ins Detail gehen, belasse es daher bei kryptischen Andeutungen, indem ich sage, dass das „Wie“ bezüglich der Ereignisse – bspw. hinsichtlich Joannas augenscheinlichem Gedächtnisverlust – gut und plausibel erklärt wird, das „Warum“, das dahintersteckt, mir jedoch ein „Och nöööö …!“ entlockte. Aber das, da bin ich mir recht sicher, wird nur mein subjektiver Eindruck sein, während der überwiegende Teil der Leserschaft damit kein Problem haben dürfte.

Daher: Klare Leseempfehlung!

Wertung:

Handlung: 8,5 von 10 Punkten

Charaktere: 7,5 von 10 Punkten

Stil: 9 von 10 Punkten

Spannung: 9 von 10 Punkten

Gesamtwertung: 8,5 von 10 Punkten

Demnächst in diesem Blog: „Seht, was ich getan habe“ von Sarah Schmidt. Ein Buch über die Geschehnisse rund um Lizzie Borden. Das dürfte spannend werden. Hoffe ich …

„Der lange Weg zu einem kleinen, zornigen Planeten“ von Becky Chambers – Die 53 Weisen

Buch: „Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten“

Autorin: Becky Chambers

Verlag: Fischer Tor

Ausgabe: Taschenbuch, 543 Seiten

Die Autorin: Becky Chambers ist eine amerikanische Science-Fiction-Autorin. Sie wuchs als Tochter einer Astrobiologin und eines Luft- und Raumfahrttechnikers in Kalifornien auf und war zwischen 2010 und 2014 als freie Redakteurin für Magazine wie „The Mary Sue“ oder „Tor.com“ tätig. Ihren ersten Roman „Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten“ brachte sie im Jahr 2014 zunächst im Selbstverlag heraus. 2015 nahmen sich Verlage in den USA und in Großbritannien ihres Romans an, hierzulande erschien er 2016.

Mit „Zwischen zwei Sternen“ wurde 2018 die Fortsetzung zu „Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten“ veröffentlicht.

Das Buch: Als die junge Marsianerin Rosemary Harper auf der Wayfarer anheuert, wird sie von äußerst gemischten Gefühlen heimgesucht – der ramponierte Raumkreuzer hat schon bessere Zeiten gesehen, und der Job scheint reine Routine: Wurmlöcher durchs Weltall zu bohren, um Verbindungswege zwischen weit entfernten Galaxien anzulegen, ist auf den ersten Blick alles andere als glamourös.
Die Crewmitglieder, mit denen sie nun auf engstem Raum zusammenlebt, gehören den unterschiedlichsten galaktischen Spezies an. Da gibt es die Pilotin Sissix, ein freundliches und polyamoröses reptilienähnliches Wesen, den Mechaniker Jenks, der in die KI des Raumschiffs verliebt ist, und den weisen und gütigen Dr. Koch, der einer aussterbenden Spezies angehört.
Doch dann nimmt Kapitän Ashby den ebenso profitablen wie riskanten Auftrag an, einen Raumtunnel zu einem weit entfernten Planeten anzulegen, auf dem die kriegerische Rasse der Toremi lebt. Für Rosemary verwandelt sich die Flucht vor der eigenen Vergangenheit in das größte Abenteuer ihres Lebens. (Quelle: Fischer Tor)

 

Angesichts der Tatsache, dass über das vergangene Wochenende auch noch eine leichte Erkältung hinzukam, um meiner angegriffenen Gesundheit den Rest zu geben und ich daher bis Ende der Woche krankgeschrieben bin, verfestigt sich mein Eindruck, dass mich 2018 einfach großzügig durchkauen und dann irgendwann ausspucken möchte. Es kaut noch. Man könnte auch sagen, 2018 ist die metaphorische Katze und ich die in die Ecke gedrängte, verletzte Maus, mit der es nun möglichst grausam zu spielen gilt …

Angesichts dieser Tatsachen ergäbe sich für mich aber auch die Gelegenheit, mich morgen mit „Kingdom Come: Deliverance“ zu versorgen und den Rest der Woche ins virtuelle böhmische Mittelalter abzutauchen. Da hierzu aber die Mittel fehlen (#dreckskarre), bleibt mir nichts anderes übrig, als mich alternativ meinen Büchern zuzuwenden.

Und in der Tat habe ich am Wochenende mal wieder Zeit und Muße zum Lesen gefunden. Gut, die Zeit hatte ohnehin, die Muße musste ich aber wirklich erst finden, was mir ohne die tatkräftige Mithilfe einer unfassbar zauberhaften Person wohl nicht gelungen wäre, weswegen besagter Person an dieser Stelle mein Dank gilt! (Huhu! ;-) )

Genug von mir, kommen wir zu Becky Chambers und ihrem Roman. Dabei handelt es sich übrigens um ein Geschenk einer anderen ganz zauberhaften Person. Und zwar zum Geburtstag. Wer weiß, dass dieser mein Geburtstag im Sommer ist, erahnt, wie lange „Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten“ nun schon bei mir herumlag. Hätte ich es nur früher gelesen …

Chambers siedelt ihre Geschichte in der fernen Zukunft an. Die Menschheit hat es geschafft, die Erde vollumfänglich unbewohnbar zu machen. Die Reichen siedeln der Einfachheit halber auf den Mars um. Die, denen diese Möglichkeit nicht offensteht, brechen einfach mit allen anderen Leidensgenossen in einer großen Flotte mit unbekanntem Ziel auf und verlassen den Planeten.

Schließlich wird diese „Exodaner-Flotte“ in die „Galaktische Union“ (GU) aufgenommen. Und für genau diese GU ist Captain Ashby mit seiner Crew an Bord der „Wayfarer“ tätig. Und wir begleiten die Crew bei ihrem Auftrag, dem „langen Weg zu einem kleinen zornigen Planeten“. Dabei lernt der Leser die teils skurrile Crew kennen, die für mich einen Gutteil des Lesevergnügens ausmachte. Sei es der schräge Mechaniker Jenks, der in eine KI verliebt ist, oder die ausgeflippte Mechanikerin Kizzy, die mich immer irgendwie ein bisschen an Abby aus „Navy CIS“ erinnerte – was ich positiv verstanden wissen möchte.

Das Erzähltempo ist dabei eher gemächlich, allerdings ohne, dass der Roman irgendwann mal langweilig würde. Ohnehin verzichtet die Autorin auf solche Dinge wie die in diesem Genre so häufig auftauchenden Raumschlachten oder übertriebene Action voller Michael-Bay-Momente.

Chambers legt den Fokus eher auf andere Dinge, wie die Frage nach dem Umgang miteinander. Dadurch, dass schon die Crew der Wayfarer so unterschiedlich wie nur möglich ist, und man im Laufe der Handlung weiteren eher verhaltensoriginellen Personen begegnet, ergibt sich eine Chance, die die Autorin ergreift: Sie beschäftigt sich in ihrem Roman häufig mit Toleranz, damit, den anderen einfach so sein zu lassen, wie er ist, auch wenn ich sie oder ihn nicht verstehe.

Das tut Chambers noch nicht mal sonderlich subtil, der moralisch erhobene Zeigefinger ist durchaus auffällig. Allerdings stört er nicht. Im Gegenteil, „Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten“ erzeugt ein wohliges Gefühl von „Es könnte alles so einfach sein“. Es ist durchaus ein Wohlfühl-Buch.

Nachdem ich den Roman durchgelesen hatte, fiel es mir tatsächlich ungewöhnlich schwer, ihn wegzulegen. Zu sehr hat mir die Zeit an Bord der „Wayfarer“ gefallen, zu sehr habe ich mich an die skurrilen bis durchgeknallten Charaktere inner- und außerhalb der Crew gewöhnt. Umso schöner, dass die Fortsetzung „Zwischen zwei Sternen“ bereits erschienen ist und sehr bald bei mir einziehen wird.

Dass ich diese Fortsetzung überhaupt lesen darf, habe ich 53 mir völlig unbekannten Menschen zu verdanken. Als Chambers während der Entstehung ihres Romans nämlich in finanzielle Schieflage geriet und sich gezwungen sah, ihr Projekt – immer wenn ich „Projekt“ schreibe, erwarte ich, im nächsten Moment, von einem „Hornbach“-Hooligan verdroschen zu werden – auf Eis zu legen, startete sie eine Kampagne auf Kickstarter. Und die Zuwendungen von 53 weisen Menschen reichten aus, um den Roman zu beenden. Denen gebührt mein Dank, auch wenn sie es nie erfahren.

Der langen Rede kurzer Sinn: Lesen!

Wertung:

Handlung: 8,5 von 10 Punkten

Charaktere: 10 von 10 Punkten

Stil: 9 von 10 Punkten

Atmosphäre: 9 von 10 Punkten

Gesamtwertung: 9,125 von 10 Punkten

Demnächst in diesem Blog: „Fremd“ von Ursula Poznanski und Arno Strobel.

 

Freitagsfragen #31 im rage mode

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Liebe Leserinnen und Leser,

ihr, die ihr eintretet und einen launigen Beitrag erwartet, lasst alle Hoffnung fahren!

Irgendein Vollidiot – bei genauerem Nachdenken war ich es selbst – hat unter Verfolgung seiner Agenda und in offensichtlicher geistiger Umnachtung vor Wochen beharrlich behauptet, das Jahr 2018 werde besser als sein Vorgänger. Es werde sogar „toll“ oder „prima“, behauptete besagter Vollidiot, also ich.

Am Arsch!

Warum der Wunsch wohl der Vater des Gedankens bei dieser Einschätzung war, lässt sich schon daran sehen, dass die nun bald vergangene Woche es spielend auf einen guten Top-Ten-Platz in meiner „Liste der beschissensten Wochen meines Lebens“ schafft, so ich denn eine solche hätte.

Nicht nur, dass sich mein Auto seit Wochen beharrlich weigert, wunschgemäß zu funktionieren. Ich habe in den vergangenen gut 5 Wochen etwa 300 Euro in die Karre investiert (Batterie, Zündkerzen, Fehlerspeicher auslesen), was nicht nach viel klingt – für ein Auto mit EZ von 2001 -, für mich aber viel ist. Und in den nächsten Tagen wird da nochmal einiges hinzukommen, für Zündkabel bzw. Zündspule. Bleibt nur zu hoffen, dass die Dreckskarre dieses wunderbare Fahrzeug dann wieder rund läuft. Falls nicht, ist es ein größeres – also konstenintensiveres – Problem, welches in der Konsequenz bedeuten würde, dass ich die Kiste gleich ganz stehen lassen kann. Das wiederum hätte das weitgehende Ende meiner Mobilität zur Folge, was eine absolut gruselige Vorstellung ist, die mich durchaus beschäftigt.

Die Kfz-Problematik wäre für mich auch sicherlich einfacher zu verarbeiten, wenn ich auch nur etwas mehr Ahnung von der Funktionsweise eines Verbrennungsmotors hätte. :-) Meine Kenntnis diesbezüglich beschränkt sich allerdings lediglich darauf, Gerätschaften bedienen zu können, die einen solchen enthalten. Hätte ich eine umfangreichere Kenntnis, könnte ich mir die Frage, ob ich mit dem Auto überhaupt noch guten Gewissens unterwegs sein kann, nämlich leichter selbst beantworten, denn hier gibt es durchaus unterschiedliche Meinungen. Als Querschnitt lässt sich aber feststellen, dass die Antwort auf diese Frage umso entspannter ausfällt, je fachkundiger der Befragte ist. Und spätestens seit mein Vater am Mittwoch sagte: „Sicher kannste fahren!“ tue ich auch das auch relativ entspannt, zumal ja Rettung naht.

Sehr viel nerviger ist da schon meine angeschlagene Gesundheit. Die Details erspare ich uns allen, ich beschränke mich darauf, zu sagen, dass ich aufgrund eigener, jahrelanger leidvoller Erfahrung in der Lage wäre, einen Medizin-Bestseller mit dem Titel „Bakterien aller Länder, vereinigt Euch oder Die lustige Welt der Harnwegsinfekte“ zu schreiben. Vielleicht noch mit dem Untertitel „Don´t Panic!“. ;-)

Aufgrund dieser altbekannten Thematik war ich nun bei meinem Hausarzt in Behandlung. Gestern erwies sich jedoch, dass durchaus die Zweitmeinung eines dafür spezialisierten Facharztes hilfreich sein könnte, an den man mich dann letztlich heute morgen überwies. Die Gründe und Details erspare ich euch auch hier, möchte aber nur erwähnen, dass die vergangenen 24 Stunden nicht ganz komisch waren, führten sie mich doch über den Platz der Verwirrung an die Kreuzung des Zweifels, wo ich augenscheinlich falsch abgebogen bin, fand ich mich doch daraufhin in der Allee der Unsicherheit wieder, welche direkt in das Tal der Angst führte, aus dem es nur einen Ausweg in Richtung des Plateaus der Panik gab, wovon es auch durch die Schlucht der Schlaflosigkeit kein Entrinnen gab, war selbige doch nichts als ein getarnter Kreisverkehr, der immer wieder zum Ausgangspunkt zurückführte.

Ja, ich bin ein Poet! :-)

Gut, heute stellte sich heraus, das alles nicht soooo schlimm ist, aber darum gehts nicht, es geht um den Ablauf der Arztsuche. Ich wurde also an den Facharzt überwiesen – und, liebe Männer, solltet ihr mal an einen Arzt der diesbezüglichen Fachrichtung überwiesen werden und ist die Überweisung nicht absolut alternativlos, dann: Lauft! Nehmt die Beine in die Hand und lauft! Lauft, so weit euch eure Füße tragen! Lauft, und bleibt erst in einer Gegend stehen, in der ihr Straßenschilder seht, deren Sprache ihr nicht versteht! Vielleicht seid ihr dann in Sicherheit … – , der praktischerweise direkt gegenüber logiert. Nur leider: Der war gar nicht da!

Da war nur die Sprechstundenhilfe, welche „dusselige Trulla“ zu nennen ich im Weiteren durchaus in Erwägung ziehe, die mir eben sagte, dass der Arzt nicht da sei. Dann besaß sie die Chuzpe, mir zu sagen, ich „hätte eben anrufen sollen“, dann hätte ich „das schon vorher gewusst“. Ja, klar, hätte ich gemacht, wenn es sich um etwas Planbares gehandelt hätte. Man stelle sich vor, man kommt mit einem Herzinfarkt ins Krankenhaus und da heißt es: „Ja, nein, also Kardiologen und Chirurgen sind derzeit alle im Urlaub. Und die für Reanimation Zuständigen sind auf ´ner Fortbildung! Hätten Se sich halt vorher ´n Termin geben lassen …“

Nun, sei es wie es sei. Sie nannte mir zwei Alternativen, eine weiter entfernt, eine etwas näher, aber in einer Gegend, in der ich geografisch und hinsichtlich meiner Ortskundigkeit absolut verloren bin. Ich fuhr also nochmal nach Hause, um bei der entfernteren Alternative anzurufen und ggf. nach dem Weg zu fragen. Fun fact: Da war auch niemand!

Nun, dachte ich mir, fährste doch einfach mal ins neue Krankenhaus, welches in der heimischen Pampa für so viel Aufregung gesorgt hat, weil drei Krankenhäuser zu diesem einen zusammengelegt wurden, was für die Leute aus der Peripherie des Landkreises einiges Ungemach bedeutet. Dort sagte man mir, man habe dort gar nicht die entsprechende Fachrichtung und schickte mich wieder weg. Erstmals wurde ich so etwas wie wütend. Obwohl ich augenscheinlich meinen Humor nicht verlor, so war ich doch in der Lage, der Radiomoderatorin zu antworten, wiewohl sie mich nicht hörte.

Sie: „Liebe Leute in X, Y oder Z, oder wo immer ihr steckt, wir wünschen euch einen schönen Freitag!“

Ich: „Wo ich stecke? In der Scheiße, verdammt!“

:-)

Na, geholfen hat mir letztlich Google. Eine Fachpraxis, die die dusselige Trulla natürlich nicht erwähnte, befand sich gerade mal sechs Kilometer entfernt, wo man sich rührend um mich kümmerte („Machen Sie sich auf den Weg, die anderen können warten!“) :-) , sodass ich mich jetzt schon wesentlich entspannter fühle. Nichtsdestotrotz balanciere ich gerade auf dem feinen Grat der Belastbarkeitsgrenze und hoffe, nicht hintenüber zu fallen.

Nun, nach diesen diversen Antworten auf Fragen, die nie gestellt wurden, ist es vielleicht an der Zeit, zu den eigentlichen Freitagsfragen zu kommen, die im Brüllmausblog gestellt werden. Fragen und Antworten lauten:

1.) Was löst in Dir Begeisterung aus?

Ärztinnen und Ärzte, mit den dazugehörigen Arzthelferinnen und allen anderen, die vergleichbar tätig sind. Und nein, das meine ich angesichts oben genannter Äußerungen gar nicht sarkastisch. Stellt euch mal vor, es gäbe sie nicht, diese so despektierlich bisweilen „Halbgötter in Weiß“ genannten Menschen. Das Leben wäre ein sehr viel unschöneres, weil kürzeres! Und wenn man Berichte sieht, in denen zwei Kinderärzte für Städte mit mehreren Zehntausend Einwohnern zuständig sind, dann weiß man: Wer heute ernsthaft Medizin studiert, muss Idealist sein. Ober bekloppt …

2.) Worüber werden Dich junge Menschen ausfragen, wenn Du alt bist?

Wie war das damals, als im dritten Jahrzehnt des Jahrtausends alles den Bach runterging? Und warum hat niemand was dagegen getan? Und war Alice Weidel als Reichskanzlerin wirklich so schlimm?

3.) Welches große Tier wäre wohl am niedlichsten, schrumpfte man es auf Katzengröße?

Pferde. In Originalgröße habe ich vor den possierlichen Tierchen einen gewissen Respekt, aber in Katzengröße: Her damit! :-)

4.) Die Wahl der Qual: Shirts sind grundlegend 2 Größen zu weit oder eine Größe zu klein?

Wenn mir etwas zu klein ist, dann sehe ich darin aus wie eine Presswurst, das will niemand sehen. Daher nehme ich die Shirts in zwei Größen zu weit.

Nun denn, liebe Leserinnen und Leser, wo immer ihr steckt, ob in Stuttgart, dem Rheinland, Österreich oder dem United Kingdom, ich wünsche euch einen schönen Freitag! ;-)

Gehabt euch wohl!

 

Freitagsfragen #30

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Wunderschönen guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

da hat man sich gerade schweren Herzens damit arrangiert, am Montag Morgen doch aufzustehen, und ehe man sich´s versieht, ist schon wieder Freitag! Es in meinem Fall übrigens der Freitag vor einem langen Wochenende, denn meine Wenigkeit hat am Montag frei! Super Bowl LII, baby!  ;-) Hach, was wäre ich jetzt gerne da statt hier. Was kann es Schöneres geben, als bei etwa – 16° C in Minneapolis ein paar Dutzend Bekloppten dabei zuzusehen, wie sie sich gegenseitig umhauen! :-)

Da ich aber hier bin, statt dort, kann ich mich auch genauso gut mit den Freitagsfragen aus dem Brüllmausblog beschäftigen. Die heutigen Fragen und Antworten lauten:

1.) Kommst Du gut mit Schlafmangel zurecht? Wie kämpfst Du gegen die Müdigkeit an?

Nein, komme ich nicht! So habe ich diese Woche – ganz im Gegensatz zur letzten – bemerkenswert schlecht geschlafen. Und wenn ich dann mal geschlafen habe, habe ich – insbesondere letzte Nacht – wirres Zeug geträumt.

Bekämpft wird das Ganze natürlich in erster Linie mit Kaffee. Und mit der Hoffnung, dass das Radio vernünftige Musik spielt. Denn die kann durchaus motivierende Wirkung auf mich haben. „Volbeat“ kann ich in dem Zusammenhang empfehlen. Musik, die in ihrer Einfachheit so großartig ist, dass sie von mir gerne als „akustisches Mana“ bezeichnet wird.

Es gibt aber so Tage – heute ist so einer – da hilft das alles nicht, weil man schon nach kurzer Zeit das diffuse Gefühl bekommt, dass Schlafmangel nicht das einzige Ungemach ist, das man an diesem Tage ertragen muss:

Man steigt ins Auto und denkt sich: „Ach ja, ich muss ja noch tanken!“ Bei der Ankunft an der Tankstelle spielt das Radio „Lola Montez“ von „Volbeat“. Da aber die Zeit fehlt, sich das in Ruhe anzuhören, beginnt man erstmals zu grummeln. Dieses Grummeln verstärkt sich, als der Blick auf den Preis von 1,45 €/Liter fällt. Man spekuliert, ob vielleicht Saudi-Arabien im Meer versunken ist, ohne dass man selbst davon gehört hat. Oder ob möglicherweise ein neuer arabischer Frühling die weltweite Erdöl-Produktion lahmgelegt hat. Man denkt ganz plötzlich ganz anders über Fahrverbote, denn bei Preisen nahe 1,50  € wirken diese sich schließlich positiv auf den Geldbeutel aus …

Beim Verlassen der Tanke hat man das Pech, sich hinter einem weißen Astra wieder in den Straßenverkehr einzugliedern, dessen Fahrerin oder Fahrer mit 50 km/h offensichtlich nur eine Geschwindigkeit kennt – und diese auch auf der ganzen Strecke, ungeachtet unterschiedlicher Geschwindigkeitsbegrenzungen, durchhält! Erste Gewaltfantasien brechen sich Bahn …

Am Kreisel schließlich ist man erleichtert, dass der Astra eine andere Ausfahrt nimmt. Noch während dieser Erleichterung ist man allerdings gezwungen, veritabel in die Eisen zu gehen, weil die Dame, die da plötzlich aus dem Nichts auftaucht, eher damit beschäftigt ist, ihren wahrscheinlich aus der Hunde-Geriatrie entwendeten Teckel über die Straße zu schleifen, als damit, sich Gedanken darüber zu machen, dass sie während dieses Schleifvorgangs bereits mitten auf der Straße steht! Sie wird noch jetzt nicht die geringste Vorstellung haben, wie nah sie davor war, ihr Leben fürderhin als Kühlerfigur zu fristen. Ja, Fußgänger legen im Straßenverkehr häufig ein bemerkenswertes Gottvertrauen an den Tag.

Man kommt am Zielort an, verrichtet die notwendigen Dinge und klickt dabei beinahe eine „Werden Sie mit Bitcoins total dolle reich!“-Mail an, womit man sich den berechtigten Unmut aller anderen Anwesenden zugezogen hätte. Man grummelt lauter. Man denkt darüber nach, sich über vermeintlich sexistische Gedichte an Uni-Wänden zu beschweren.

Man beginnt einen Blogbeitrag …

2.) Es gibt Wiedergeburt und weil Du der 300 Milliardendste Gestorbene bist, darfst Du Dir aussuchen, als was Du wiedergeboren wirst. Was wird es sein?

Ach was, macht man das im Himmel – in den ich selbstredend komme – so? Gibt’s da auch Zehnerkarten und muss man seine Postleitzahl angeben?

Na, also erst mal würde ich es ja vorziehen, nicht zu den 300 Milliarden zu gehören. Und am besten auch nicht zu den nächsten. Mein persönliches Ableben lehne ich nämlich weiterhin vollumfänglich ab! Tja, aber sollte es mal so sein, dann würde ich vorziehen, als eine möglichst langlebiges Wesen wiedergeboren zu werden. Vielleicht als eine Riesenschildkröte? Die Antwort mit der Schildkröte habe ich übrigens schon als Kind, mit eben dem Argument der Langlebigkeit, gegeben, als es darum ging, welches Tier man gerne wäre, wenn man denn eines wäre.

Wobei, zu der Schildkröte gäbe es durchaus Alternativen. So soll der Riesenschwamm Anoxycalyx joubini bereits 10.000 Jahre alt sein. Eine Koralle der Gattung Leiphates bringt es immerhin auch auf über 4.000 Jahre. In beiden Fällen käme man aber so wenig rum …

Ha, ich habs: Turritopsis dornii! Ja, das isses!

 

3.) Sammelst und benutzt Du Gutscheine, Rabattcoupons und dergleichen?

Nein, überhaupt nicht.

4.) Die Wahl der Qual: ständig an Papier schneiden oder ständig etwas ins Auge bekommen?

Ich finde beides beschissen! :-) Aber da sich am Papier zu schneiden oft unverhältnismäßig weh tun kann, nehme ich die Sache mit den Augen.

 

Das war´s auch schon wieder, geneigte Leserschaft, ich wende mich jetzt produktiven Dingen zu. Ich wünsche allseits noch einen schönen Restfreitag und einen guten Start in ein hoffentlich schönes Wochenende.

Gehabt euch wohl!