Buch: „Kalte Angst“
Autor: Arno Strobel
Verlag: Fischer
Ausgabe: Taschenbuch, 368 Seiten
Der Autor: Arno Strobel ist ein 1962 in Saarlouis geborener deutscher Schriftsteller. Strobel studierte Versorgungstechnik und Informationstechnologie und war einige Jahre als IT-Unternehmensberater tätig. Anschließend arbeitete er in Luxemburg im Bereich Internet und Intranet bei einer großen deutschen Bank.
Strobel begann als eine Art Spätberufener erst mit fast 40 Jahren mit dem Schreiben, er schrieb Kurzgeschichten für Internetforen. Diese fanden immer häufiger den Weg in Zeitungen, Zeitschriften und Anthologien, so reifte der Entschluss, einen ersten Roman zu schreiben.
Nachdem er von den zwanzig größten Verlagen Deutschlands ausschließlich Absagen bekam, gründete Strobel mit zwei Freunden trotzig einen Verlag und verlegte seinen Erstlingsroman „Magus – Dir Bruderschaft“ in einer Auflage von 1.000 Stück selbst. Durch glückliche Fügung gelangte er damit schließlich doch in das Visier der Verlage und entschied sich im Jahr 2014, hauptberuflich als Autor tätig zu sein.
Strobel veröffentlichte bisher 13 Bücher, dazu zwei Jugendbücher und eine Reihe Kurzgeschichten.
Der Autor lebt mit seiner Frau und drei Kindern in der Nähe von Trier.
Das Buch: Oberkommissar Max Bischoff traut seinen Ohren nicht, als ihn der Leiter der Klinik für Forensische Psychiatrie in Langenfeld anruft und ihm mitteilt, dass er wichtige Informationen zu einem aktuellen Fall hat. Einem Fall, der Max Bischoff und seinem Partner Horst Böhmer nichts als Rätsel aufgibt. Denn scheinbar wahllos dringt ein Unbekannter, der sein Gesicht unter einer Fliegenmaske verbirgt, nachts in Wohnungen und Häuser ein. Er überwältigt die Bewohner und lässt jedes Mal nur einen Überlebenden zurück. Und eine Botschaft: „Erzähl es den anderen.“
Und jetzt der Anruf aus der Langenfelder Psychiatrie. Siegfried Fissmann, einer der Patienten dort und selbst ein verurteilter Mörder, sagt diese Morde genau voraus. Bischoff bleibt nichts anderes übrig, als sich auf Fissmann einzulassen, wenn er verhindern will, dass noch weitere Menschen sterben. Auch wenn das bedeutet, dass er selbst an die Grenzen seiner psychischen Belastbarkeit gerät … (Quelle: Fischer)
Fazit: Entgegen meiner sonstigen Überzeugung griff ich im letzten Jahr mit „Tiefe Narbe“ doch mal wieder zu einem Buch von Arno Strobel. Davor hatte ich mit dem Werk des Schriftstellers lange Jahre so meine Probleme, weil ich Bücher wie „Das Skript“ wirklich grenzwertig widerlich finde und ich allgemein keine so wahnsinnig große Affinität zu blutiger Mord- und Totschlag-Literatur habe. „Tiefe Narbe“ konnte mich aber wider Erwarten überzeugen, weswegen ich nicht umhin konnte, den nächsten Teil der Reihe rund um den Düsseldorfer Oberkommissar Bischoff zu lesen. Dieser überzeugte mich aber weit weniger.
Spannenderweise war der größte Kritikpunkt, den ich sonst bei Büchern von Strobel anbringe, nämlich diese unnötige Gewalt und Blutrünstigkeit um der Gewalt und Blutrünstigkeit willen, diesmal gar nicht so schlimm. Was darauf hindeutet, dass ich diesbezüglich entweder abgestumpft bin, oder mich die, auch in „Kalte Angst“ durchaus vorhandenen, brutalen Szenen irgendwie weniger erreichten.
Dabei macht der Autor eigentlich vieles genau so wie in seinem Erstling rund um den Polizisten Bischoff. Auch in „Kalte Angst“ wechseln sich die Szenen der Ermittlung mit Bischoff und Böhmer ab mit kursiv gedruckten Kapiteln, in denen die Morde aus der Sicht der Überlebenden geschildert werden. Und auch wenn diese Mordszenen mich offensichtlich weniger geschockt haben als sonst, sind sie durchaus harter Stoff. Wer beispielsweise pubertierende Kinder hat oder wer sich ansonsten gerade nicht sonderlich stabil fühlt, der sollte vielleicht vorübergehend etwas anderes lesen und im Sommer, wenn die Sonne scheint, nochmal auf Strobel zurückkommen.
Auch abseits dieser Gewaltszenen versucht Strobel augenscheinlich, vieles so zu machen, wie im Vorgänger. Aber irgendwie will ihm das aus meiner Sicht nicht gelingen. So wird der Autor beispielsweise wahrscheinlich nicht mehr zum größten Stilisten auf Gottes weiter Erde und das ist auch gar nicht schlimm. Aber in „Tiefe Narbe“ überzeugten wenigstens der Stil allgemein sowie die Dialoge und die Sticheleien zwischen dem Gespann Bischoff/Böhmer. Diese Sticheleien fallen in „Kalte Angst“ fast völlig weg, was, zugegeben, auch den Ereignissen aus dem ersten Teil geschuldet ist und der daraufhin folgenden Psycho- und Medikamententherapie, der sich Bischoff unterzieht. Da möchte man den labilen Kollegen nicht vielleicht noch zusätzlich ärgern. Aber dennoch: Da fehlt etwas. Auch die Dialoge allgemein schwächeln unerklärlicherweise.
Darüber hinaus lässt der Autor seine Figuren zwischendurch Gedanken äußern, die meiner Meinung allerhöchstens das Niveau von polemischem Stammtischgeblubber erreichen, das seine Charaktere ob der Wirkung mal eben unreflektiert nachplaudern.
„Erfahrene Kollegen hatten ihm bereits prophezeit, dass der Moment kommen würde, in dem er am Sinn seines Berufes zweifelte. weil die Polizei durch die Gesetze derart geknebelt war, dass man das Gefühl bekommen konnte, der Schutz der Täter und ihrer Rechte hätten Vorrang vor dem Schutz der Opfer.“ (S. 162)
Sowas kann man natürlich immer gut anbringen in Zeiten von „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen“-Diskussionen, und das mag im Einzelfall auch zutreffen, ich persönlich empfinde das aber eben als das bereits erwähnte Stammtisch-Geblubber. Es ist aber auch ein Ärger, dass den Polizisten hierzulande nicht jederzeit ein „Klappspaten frei“ erlaubt ist …
Und Strobel führt die Gedanken seines Protagonisten noch weiter:
Und selbst wenn ein Mörder überführt worden war, war noch lange nicht sichergestellt, dass dieser auch seine Strafe erhielt, weil irgendein findiger Rechtsanwalt vielleicht eine Gesetzeslücke fand, durch die sein Mandant schlüpfen konnte. (S. 162)
Ich bin kein Jurist, halte aber Gesetzeslücken bei Mord für relativ unwahrscheinlich. Ich habe auch keine Statistik über die Anzahl von Verfahrensfehlern bei Mordprozessen gefunden, halte aber auch diese Zahl für relativ gering. Was ich gefunden habe, ist eine Statistik zur Sicherungsverwahrung, aus der hervorgeht, dass die Anzahl der in Sicherungsverwahrung befindlichen Strafgefangenen in Deutschland von 340 im Jahre 2005 auf 549 im Jahre 2017 – und somit um etwa 61 % – zugenommen hat, Kuscheljustiz kann man daher wohl niemanden unterstellen. Auch wenn die papierne und fälschlicherweise als Zeitung bezeichnete Rohstoffverschwendung mit den vier großen Buchstaben sich nicht entblödet, in großen Lettern „SPERRT IHN ENDLICH FÜR IMMER WEG!“ zu fordern, unter Abdruck des Bildes und Klarnamens der betreffenden Person. Qualitätsjournalismus …
Neben den Schwächen im Stil und den Charakteren, die ich mir nach wie vor nicht erklären kann und die mich auch irgendwie ärgern, bliebe da noch die Handlung. Und die wiederum ist durchaus spannend. Die Auflösung bezüglich der Täterschaft weiß wirklich zu überraschen. Weniger überraschend als das „Wer“ ist allerdings das „Warum“! Ich kritisiere immer und immer wieder, dass man in der heutigen Spannungsliteratur keine wirklich ausgefeilten Antagonisten bzw. Bösewichte mehr bekommt. Die pösen Purschen als solche teilen sich in zwei Lager auf. Da gibt es einmal die, die böse sind, weil sie eben böse sind. Und dann gibt es noch die, wie in „Kalte Angst“. Mehr werde ich natürlich nicht verraten, aber die Begründung entlockte mir dann doch mal wieder ein augenrollendes „Och, nööö!“.
Abschließend kann man sagen, dass all das im Gesamtpaket „Kalte Angst“ nicht zu einem schlechten Buch macht. Arno Strobel-Fans und Fans von spannenden, blutigen Thrillern können gerne zugreifen. Aber all das macht „Kalte Angst“ zu einem Buch, das noch so viel mehr und so viel besser hätte sein können. Schade! Vielleicht hat man ja mit dem dritten Teil mehr Glück, dieser erscheint im Februar 2019.
Wertung:
Handlung: 8 von 10 Punkten
Charaktere: 6,5 von 10 Punkten
Stil: 7 von 10 Punkten
Spannung: 8 von 10 Punkten
Gesamtwertung: 7,375 von 10 Punkten
Demnächst in diesem Blog: „Die Krone der Sterne: Hexenmacht“ von Kai Meyer.