Buch: „Freiheitsgeld“
Autor: Andreas Eschbach
Verlag: Lübbe
Ausgabe: Hardcover, 528 Seiten
Der Autor: Andreas Eschbach, geboren am 15.09.1959 in Ulm, ist verheiratet, hat einen Sohn und schreibt seit seinem 12. Lebensjahr.
Er studierte in Stuttgart Luft- und Raumfahrttechnik und arbeitete zunächst als Softwareentwickler. Von 1993 bis 1996 war er geschäftsführender Gesellschafter einer EDV-Beratungsfirma.
Als Stipendiat der Arno-Schmidt-Stiftung „für schriftstellerisch hoch begabten Nachwuchs“ schrieb er seinen ersten Roman „Die Haarteppichknüpfer“, der 1995 erschien und für den er 1996 den „Literaturpreis des Science-Fiction-Clubs Deutschland“ erhielt. Bekannt wurde er vor allem durch den Thriller „Das Jesus-Video“ (1998), der im Jahr 1999 drei literarische Preise gewann und zum Taschenbuchbestseller wurde. ProSieben verfilmte den Roman, der erstmals im Dezember 2002 ausgestrahlt wurde und Rekordeinschaltquoten bescherte. Mit „Eine Billion Dollar“, „Der Nobelpreis“ und zuletzt „Ausgebrannt“ stieg er endgültig in die Riege der deutschen Top-Thriller-Autoren auf.
Nach über 25 Jahren in Stuttgart lebt Andreas Eschbach mit seiner Familie jetzt seit 2003 als freier Schriftsteller in der Bretagne. (Quelle: Lübbe)
Das Buch: Europa in nicht allzu ferner Zukunft. Die Digitalisierung ist weit fortgeschritten, Maschinen erledigen die meiste Arbeit, während ein bedingungsloses Grundeinkommen, das sogenannte „Freiheitsgeld“, dafür sorgt, dass jeder ein menschenwürdiges Leben führen kann. Als der Politiker, der das Freiheitsgeld eingeführt hat, tot aufgefunden wird, wirkt es zunächst wie ein Selbstmord. Doch dann wird der Journalist ermordet, der einst als sein größter Gegenspieler galt. Ahmad Müller, ein junger Polizist, ist in die Ermittlungen um beide Fälle involviert – und sieht sich mit übermächtigen Kräften konfrontiert, die im Geheimen operieren und vor nichts zurückschrecken, um eine Aufklärung zu vereiteln. (Quelle: Lübbe)
Fazit: Ich habe mich geärgert, habe geschimpft, geflucht, die Augen verdreht und die Stirn in Falten gelegt, habe ungläubig aufgelacht, den Kopf geschüttelt und mich dann wieder geärgert – durchgelesen habe ich „Freiheitsgeld“ dann aber doch. Zu vieles an Andreas Eschbachs neuem Buch hat mich allerdings gestört, um es als zufriedenstellende Lektüre zu empfinden.
Das beginnt schon beim Einstieg in das Buch. Natürlich kann man als Autor guten Gewissens ein wenig Zeit investieren, um seiner Leserschaft das Setting nahezubringen, in dem man seine Handlung stattfinden lässt. Eschbach versucht das dadurch, dass er die Handlung aus drei unterschiedlichen Perspektiven – der des Polizisten Ahmed Müller, der von Lina und Valentin, einem jungen Paar, das gerade in die sogenannte „Oase“, eine Art „gated community“ für Priviligierte, eingezogen ist, und der von Therese und Kilian, die aus selbiger gerade ausziehen mussten – schildert. Ausgiebig beschreibt der Autor, was seinen Protagonisten in ihrem jeweiligen Umfeld so passiert. Nur passiert eben wenig, weswegen dieses Vorgehen leider zulasten der Handlung geht, die mindestens im ersten Drittel des Buches praktisch keinen Meter voranschreitet.
Darüber hinaus krankt das Buch nicht nur daran, dass Eschbach zu Beginn episch sein Setting ausbreitet, sondern auch wie er es tut. Zwar bemüht sich der Autor, den Rat „Show, don´t tell“ zu beherzigen, indem er seine Figuren über das Umfeld, in dem sie leben, und die ferne Vergangenheit des Landes und der Gesellschaft philospophieren lässt, die sie in besagtes Umfeld geführt hat. Allerdings fühlt sich das kein bisschen organisch, kein bisschen glaubwürdig an. Es wirkt eher so, als würde jemand heutzutage in geselliger Runde sitzen, sich zusammen mit den anderen dann zwischen zwei Folgen „Stranger Things“ die „Tagesschau“ ansehen und sich angesichts einer kurzen Berichterstattung über das bald einzuführende Bürgergeld zu einem Spontanreferat über den Marshallplan bemüßigt sehen. Zwar mögen Schätzingsche Infodumps auch nicht die perfekte Möglichkeit zur Schilderung eines Settings sein, im vorliegenden Fall wäre ein solcher Infodump aber wohl die bessere Wahl gewesen.
Erschwerend kommt hinzu, dass es dann zwischendurch immer mal wieder so Kleinigkeiten gibt, die innerhalb des Settings auf der Logik- und Stringenzebene zumindest diskussionswürdig sind. Beispielsweise heißt es da an einer Stelle:
„Brasilien hatte einmal mehr versucht, eine Weltraumrakete zu starten, doch sie war beim Aufstieg wieder explodiert, getroffen von einem der Millionen Trümmer, die den Planeten umkreisten und Raumfahrt noch für mehrere hundert Jahre unmöglich machen würde: Noch so ein Überbleibsel der vorigen Generationen, die mit ihrem Müll bedenkenlos um sich geworfen hatten.“
Mal ganz davon abgesehen, dass derartige, ich nenne sie mal Zeigefinger-Passagen, die zum Ziel haben, uns zu sagen, dass wir ganz dolle böse sind, mit unschöner, weil bald nervtötender Regelmäßigkeit auftauchen: Wenn Raumfahrt in Eschbachs Setting noch „für mehrere hundert Jahre unmöglich“ sein würde, und man das auch weiß, denn schließlich hat man es „einmal mehr“ mit einem Start versucht: Versuchen die Brasilianer dann wider besseres Wissen immer wieder dasselbe und erwarten unterschiedliche Ergebnisse? Und wenn ja, warum!? Sitzt ein ein beratungsresistenter manischer Weltraumbehörden-Bolsonaro, der bar jeder Vernunft eine Rakete nach der anderen in den Weltraum schickt, in der irrigen Annahme, dass irgendwann schon mal eine durchkommen würde? Und wenn ja, wofür?
Leider beschränkt sich meine Kritik an Eschbachs Buch nicht auf das Setting und die Darstellung desselben. Auch auf der Figurenebene hakt es deutlich. Die Charaktere wirken blass und handeln zuweilen wenig nachvollziehbar. Beispielsweise verschweigt eine Protagonistin ihrem Freund, dass sie seit geraumer Zeit, anders als behauptet, auf Verhütung verzichtet. Besager Freund reagiert ob dieses eigentlichen Vetrauensbruchs aber nicht etwa irgendwie verstimmt, sondern sinngemäß stellt er klar, dass ihm das so überhaupt nichts ausmacht, denn schließlich wolle er ja auch Kinder … – ja, nee, is´ klar. Wäre vielleicht auch zu einfach gewesen, über solch elementare Parameter einer Beziehung einfach mal zu reden.
Selbige Freundin hat später noch so ein, zwei Geständnisse zu tätigen, die mich persönlich eher wütend machen würden, die hier handelnden Personen machen jedoch durch die Bank einen so zenbuddhistischen Eindruck, als würden sie sagen: „Eines fernen Tages werden wir darüber lachen …“
Darüber hinaus werden viele der Figuren, mehrheitlich die weiblichen, irgendwie übersexualisiert dargestellt, auch und gerade von ihrer persönlichen Denkweise her. Da geht einer jungen Frau in einer Art Luxusschwimmbad spontan durch den Kopf, dass ihr Freund sie praktisch hier und jetzt haben könne. Eine andere richtet sich im heimischen Bett schon mal so auf, dass ihre Brüste besonders zur Geltung kommen. Nun, wer kennt das nicht!? Gebt es zu, Leserinnen meines Blogs, das macht ihr doch zu Hause auch …!?
Dass die im Buch auftauchenden Paare entsprechend häufig miteinander ins Bett springen, fällt dementsprechend schon kaum noch ins Gewicht wie der, äh, arme Mann in der „gated community“, der dort dauernd einen Handjob über sich ergehen lassen muss, weil man aus seinem … – ach, nein, das darf ich nicht verraten. Tja, harter Job, den der Junge da hat, aber irgendeiner muss ihn ja machen. An diesen Stellen wurden zudem unangenehme Erinnerungen an aus der Ecke des Qanon-Spinner geäußerten Adrenochrom-Blödsinn wach … Die übersexualisierte Darstellung der Figuren und ihrer Denkweise würde vielleicht in einem futuristischen Cyberpunk-Setting Sinn ergeben, hier wirkt sie bestenfalls befremdlich.
Je nun, wenn das Setting wenig überzeugen kann und unpassend geschildert wird und die Figurenzeichnungen allen Grund zu diversen Fragen aufwirft, dann kann ja wenigstens die Handlung so ganz vielleicht überzeugen? Leider nein.
Andreas Eschbach nimmt sich häufig spannender Themen und Fragestellungen an und die Frage, ob und wie ein Bedingungsloses Grundeinkommen vor dem Hintergrund der zunehmenden Automatisierung in der Arbeitwelt sich auf die Gesellschaft auswirkt, ist sicherlich auch ein solches spannendes Thema. Ich persönlich – auch wenn das eigentlich nichts zur Sache tut – halte die Idee des Bedingunslosen Grundeinkommens – immer unter der Voraussetzung der Finanzierbarkeit – für die Lösung für mannigfaltige Probleme. In Eschbachs Buch wirkt die Thematik allerdings eher so, als hätte ein FDP-Thinktank die Handlung erarbeitet. Immer wieder weisen die Figuren auf die sinnstiftende Auswirkung einer Erwerbstätigkeit hin, was letzten Endes so weit geht, dass eine der Hauptfiguren sinngemäß behauptet, wenn er nicht einer geregelten Tätigkeit nachginge, wäre er vielleicht auch einer dieser dauerbetrunkenen Obdachlosen auf der Straße, die mit ihrem Freiheitsgeld einfach nicht umgehen könnten. Ooookaaay …
Zudem leidet die Handlung unter dem eingangs erwähnten, sehr langatmigen Einstieg. Sie nimmt erst recht spät Fahrt auf und endet dann in einer übertriebenen Antagonisten-Konfrontation, in der nur noch eine weiße, flauschige James-Bond-Katze und ein diabolisches „Muhahaha!“ fehlt. Zudem empfand ich die Auflösung als populär-verschwörungserzählerischen Blödsinn.
Vor dem Hintergrund, dass ich die Bücher von Andreas Eschbach schon seit sicherlich bald 20 Jahren quasi ausnahmslos mit Freude bis Begeisterung gelesen habe, bin ich von „Freiheitsgeld“ umso mehr enttäuscht, das ich, um ehrlich zu sein, wahrscheinlich nur wegen meiner Leser-Autoren-Bindung und in der Hoffnung, dass da „noch was kommt“ durchgelesen habe. Es kam aber nichts. Leider.
Demnächst in diesem Blog:„Die Leuchtturmwächter“ von Emma Stonex. Oder „Gendarm des Königs“ von Moses Wolff.
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