Vor geraumer Zeit startete der von mir sehr geschätzte Seppo die „Seppo Blog-Auszeichnung“ 2016. 112 Teilnehmer hatte der Wettbewerb zu Beginn. Da ich gerne weiterhin dabei wäre, gibt es hier nun meinen Teilnahmebeitrag für Runde 3. Wie die Aufgabe in dieser Runde aussieht, kann hier nochmal nachgelesen werden.
Oder hier:
„Fotografiert Eure Lieblings-Reisetasche oder -koffer. Dieses Foto soll das Beitragsbild des Artikels werden. Denn auch für Runde 3 muss die Aufgabe innerhalb eines publizierten Artikels in Eurem Blog erfüllt werden.
Fügt dem (fiktiven!) Koffer einen (nicht zwei, sondern einen!) Gegenstand hinzu, mit dem Ihr etwas verbindet (nein, kein Kabel!). Schreibt, warum Ihr diese Gegenstände, auch die oben gelisteten, mitnehmt und vor allem: wohin mitnehmt! Das ist ein Ort Eurer Wahl und es muss nicht die klassische einsame Insel sein. Ein Ort, der für Euch steht. Ob es ein Frauen- oder Baumhaus ist, ein Museum oder eine Industrieruine, oder ob es sich um ein fernes Land oder Rutztekostan handelt – lasst Euren Gedanken uneingeschränkten Lauf, der Ort kann auch fiktiv sein.
Schreibt, was sich in dem geheimnisvollen Kästchen befindet. Das ist nicht der Gegenstand, den ihr dem Koffer hinzufügt. Es ist somit ein weiterer Gegenstand.
An jenem Ort trefft Ihr nun eine Person. Eurer Wahl. Es können Menschen aus Eurem Leben sein, aber auch zeitgeschichtliche Persönlichkeiten. Menschen auf jeden Fall, denen Ihr etwas zu sagen habt. Sprecht mit Ihnen! Bei mir wäre es wohl Adolf Hitler. Ihr habt da freie Auswahl. Es gibt sehr viele Menschen. Und es gab noch mehr.
Übergebt diesem Menschen nun den Gegenstand aus dem geheimnisvollen Kästchen. Und sagt ihm, warum er diesen Gegenstand verdient hat.
Alles sich daraus Ergebende ist Eurer Phantasie überlassen. Verabschiedet die Person oder beginnt ein neues Leben mit ihr an jenem Ort oder was auch immer. Denn auch darum geht es beim Schreiben: um das Ausleben dessen, was im Kopf geschieht.“
Gut, ich gebe zu, im Foto-Bereich habe ich das Regelwerk ein wenig, sagen wir, gebeugt. Oder auch großzügig ausgelegt. Das ist nicht wirklich mein Koffer. Ohnehin wäre es auch eher auf „meine Jutetasche“ hinausgelaufen. Mein diesbezüglicher Versuch scheiterte aber an der Technik und meinem Unvermögen. Aber: Alle Blogger sind beschissen, die sich nicht zu helfen wissen. Daher gibt es halt alternativ obiges schönes Foto. Ich bin mir sicher, dass der unvergleichliche Seppo – er sei gepriesen! – in seiner endlosen Güte und erstaunlichen Gnade nichts dagegen hat! ;-)
Der kleine fellige Freund, der da gerade dem Koffer entsteigen will, das ist übrigens Ceallach! Ceallach O´Bär, ein Cousin von Zeilenendes Gesprächspartner in philosphischen Angelegenheiten, Seamus O´Bär. Ceallach war jahrelang im Dschungel verschollen und wurde dort auf einer guatemaltekischen Chiliplantage unter fragwürdigen Bedingungen zur Feldarbeit gezwungen. Wie er von dort in den Koffer kam – er will partout nicht darüber reden. Vielleicht entlockt ihm Seamus ja einmal die Geschehnisse. Im Übrigen leitet sich „Ceallach“ entweder vom altirischen Wort für „Kampf“ ab oder von „ceall“ (Kirche), bekannt durch den heiligen Kilian, einem irischen Missionar in Franken im 7. Jahrhundert. Ja, zu der Zeit brauchte man da unten noch Missionare! Hätte man gewusst, dass das in Teilen dieses Gebiets langfristig zur CSU führt,… Nun, all das soll uns nun an dieser Stelle aber nicht weiter interessieren, denn…
…Seppo hat ja einen Koffer gepackt. Und darin befinden sich:
- ein Nasenhaartrimmer
- eine Duftkerze
- eine Tür
- ein „H&M“-Katalog
- ein Zylinder
- ein Volleyball-Schläger
- eine Landkarte von Tasmanien
- ein geheimnisvolles Kästchen“
Mein zusätzlich eingepackter Gegenstand ist der Roman „Der Wolkenatlas“ von David Mitchell. Wozu ich die anderen Sachen brauche, und was in dem geheimnisvollen Kästchen ist, dazu später…
Ich nehme also den Koffer mit und reise an einen Ort meiner Wahl. Und die fiele auf einen möglichst abgeschiedenen Ort in der unendlichen, kanadischen Weite. Und dort würde ich mich dann einer intensiven sowie mehrfachen Lektüre des mitgebrachten Mitchell-Romans widmen, da es einerseits eines der Bücher ist, die man, meiner Meinung nach, unzählige Male lesen kann und trotzdem noch etwas Neues entdeckt. Dieses dient mir dort andererseits unter anderem aber auch als Inspiration, denn…
… ich werde dort, in der kanadischen Unendlichkeit, einen revolutionären, auf persönliche Erlebnisse basierenden, sechsteiligen „coming-of-age“-Roman schreiben. Teil 1, „Ja, und nun?“, wird die Leser erstmals aufhorchen lassen. Teil 2, „Ich hatte aber was anderes bestellt!“, wird bereits ein weltweiter Bestseller und Teil 3 ,„Keine Ahnung, wie es dazu kommen konnte“, wird Iny Lorentz spontan dazu bewegen, nie wieder Bücher zu schreiben. Damit hätte ich der Menschheit bereits einen großen Dienst erwiesen und könnte mich entspannt zurücklehnen. Aber: weit gefehlt.
Die Fortsetzung der Ereignisse hängt stark davon ab, ob ich mich für die egoistische oder die altruistische Version entscheide…
Nehmen wir an, ich würde die egoistische Version wählen. Dann würde ich meinen Agenten darum bitten, ein abendliches Dinner bei Kerzenschein – und, nein, dafür brauche ich nicht die Duftkerze aus dem Koffer – mit Alexandra Maria Lara zu organisieren. Diese könnte, geblendet von meinem unendlichen Ruhm und Reichtum, gar nicht anders als zusagen. Natürlich. Ich würde meinen „H&M“-Katalog aus dem Koffer nehmen, und das mit gigantischem Abstand schärfste dort aufzufindene Abendkleid bestellen, per Express-Lieferung, manchmal muss das sein. Und nein, nicht für mich.
Abends, beim Dinner, würde ich dann bei Kerzenschein das Abendkleid überreichen und das geheimnisvolle Kästchen öffnen. Und es enthält…den Hope-Diamanten! Wie ich in den Besitz des selben gekommen bin, soll uns an dieser Stelle nicht weiter interessieren. Nur so viel: Sollte euch jemand nach mir fragen, dann habt ihr mich nicht gesehen, in Ordnung!? Besagten Diamanten würde ich Alexandra dann zum Geschenk machen und sie zum wiederholten Male darauf aufmerksam machen, dass Sam Riley echt nicht der richtige Typ für sie ist. Und dann würden wir Hand in Hand in Richtung Sonnenuntergang flanieren.
So sehr mir dieses Szenario auch gefällt, ich schätze, ich würde mich für die altruistische Version entscheiden, die sieht wie folgt aus:
Immer noch wäre ich durch meine drei Romane weltbekannt und reich. Und ich würde gerade an der Fortsetzung, Teil vier, „Wie ich wurde, was andere aus mir machten“, schreiben. Ich hätte einen findigen Agenten, einen Hope-Diamanten, eine Menge Geld und ein Security-Team. Und dann würde ich aktiv werden:
Ich würde die Rechner von Österreichs Innenminister Sobotka, dem polnischen Staatschef Duda und ganz besonders den von Viktor Orbán hacken. Ja, rechtlich fragwürdig, aber für die gute Sache, hey… Ich würde daür sorgen, dass die drei Herrschaften regelmäßig gestellte Informationen über ein angebliches neues und revolutionäres Filmfestival zum Thema „Europäischer Film im Ausland“ in der Nähe meiner kanadischen Einöde bekommen. Schließlich, wenn die Herren von der Veranstaltung schon ganz begeistert sind und sich wundern, warum niemand in ihrem Umfeld darüber spricht, dann würde ich an alle drei Einladungen verschicken. „Das Komitee hat beschlossen, Sie zum Jurymitglied zu ernennen, etc…“
Freudig würden die Herrschaften anreisen und ich würde Herrn Orban auf seinem Hotelzimmer besuchen und mit ihm sprechen:
„Guten Abend, Herr Orban. Freut mich fast, Sie kennenzulernen!“
„Guten Abend, weltbekannter Autor dieses erstaunlichen „coming-of-age“-Mehrteilers.“
„Herr Orban, wir müssen reden! Hier, ich habe hier den Hope-Diamanten. Der gehört Ihnen, ich schenke Ihnen das Ding! Bis zu 250 Mio. Dollar wert, über 222 Mio. Euro! Den können Sie haben, wenn Sie mir versprechen, dass Sie bitte, bitte, auch Flüchtlinge aufnehmen, und auch ihre polnischen, österreichischen und sonstigen Kollegen in der Region davon überzeugen, ja!?“
„222 Millionen Euro? Was soll ich damit?“
„Herr Orban, mit dem Verkauf allein dieses Dingens da könnten Sie jedem syrischen Flüchtling umgerechnet etwa 45 Euro in die Hand drücken! Das wäre doch sinnvoll! Rechnerisch hat unsere Regierung dagegen im letzten Jahr fast 160 Hope-Diamanten in Rüstungsausgaben investiert…“
„Das Problem ist kein europäisches Problem. Das Problem ist ein deutsches Problem.“ (03. September 2015)
„Irrtum, Herr Orban, das ist weder ein europäisches, noch ein deutsches oder ein ungarisches Problem! Die Einzigen, die ein Problem haben, sind die Flüchtlinge! Denen helfen auch keine Zäune!“
„Viele sagen, dass Zäune keine gute Lösung seien, weil dann alle einen Zaun bauen müssten. Aber genau das ist die Lösung.“ (21. September 2015)
„Hören Sie sich eigentlich selbst zu, Herr Orban? Abschottung kann keine Lösung sein, auch Sie sollten sich Ihrer Verantwortung bewusst sein und Flüchtlinge aufnehmen!“
„Das werden wir mit allen Mitteln, die uns zu Gebote stehen, zu verhindern wissen!“
“ Jetzt haben Sie gerade den österreichischen Innenminister Sobotka zitiert…“
„Verzeihung!“
„Jetzt mal im Ernst! Ich bin Protestant, aber wenn Papst Franziskus vom „“Traum eines neuen europäischen Humanismus“ aus christlichen Wurzeln“ spricht, dann spricht er mir aus der Seele! Ihnen nicht?“
„Niemand kann verlangen, dass Ungarn sich ändert.“ (07. September 2015)
„Na, die Griechen würden das aber anders sehen! Da wären die Leute aber schwer begeistert, wenn Sie ihnen ein paar Flüchtlinge abnehmen würden. Viele verlangen das auch!“
„Wenn Griechenland seine Außengrenzen nicht schützt, müssen wir es tun. Ungarn grenzt nicht an Syrien. In Griechenland sind die Flüchtlinge bereits in Sicherheit. Hier in Ungarn betrachten wie sie nicht mehr als Flüchtlinge. (26. Juni und 11. September 2015)
„Nicht mal die Griechen sind in Griechenland in Sicherheit, verdammt. Zumindest nicht in wirtschaftlicher! Der genialen, experimentellen Austeritätspolitik der EU sei Dank!“
„Nun, wie dem auch sei. „Die Ungarn haben entschieden“, dass sie keine illegalen Einwanderer haben wollen und hierbei „den geistigen Amoklauf der europäischen Linken nicht teilen““ (25. Juli 2015)
„Den geistigen Amok…, nun, Herr Orban, ich denke, wir kommen wir nicht auf einen gemeinsamen Nenner. Dennoch, vielen Dank, wir sehen uns morgen zur Preisverleihung!“
Am Abend des folgenden Tages würde ich vor dem Kino stehen, in dem die fingierte Preisverleihung stattfinden wird. Über dem Eingang hängt der Zylinder aus meinem Koffer. In Gold. Die vermeintliche Trophäe des Abends.
Bevor die Vorführung beginnt, müssten noch einige Vorkehrungen getroffen werden: Ich müsste den Nasenhaartrimmer umbauen, um ihn später anders zu nutzen. Den genauen Hergang erspare ich euch, der wäre nur von Ingenieuren entsprechender Fachrichtungen zu erfassen. Darüber hinaus müsste die Tür aus dem Koffer an eine willkürlich gewählte Stelle der massiven Außenwände des Kinosaals montiert werden.
Dann gehts los! Orban, Duda und Sobotka betreten den Saal. Und wundern sich über die Leere auf den anderen Sitzen. Die wird aber erstmal mit Sicherheitsbedenken begründet. Dann wird, unbemerkt von unseren drei Ehrengästen, der Sitzbereich mit einem Draht eingezäunt, der wiederum mit dem umgebauten Nasenhaartrimmer verbunden wird. Fertig ist der elektrische Zaun! Nichts schlimmes, nur etwas das ein wenig „aua“ macht. Und was die Flucht von Rindern verhindert, sollte für diese drei auch ausreichen…
Kurz bevor die Filmvorführung beginnt, verteilt sich meine Security an den Ausgängen. Angeführt wird die Truppe von einem Berg von Mann, in seiner Freizeit begeisterter Volleballspieler, in seiner Arbeitszeit begeisterter Schläger. Man nennt ihn liebevoll den „Volleyball-Schläger“.
Dann beginnt die Vorführung, und zeigt…
…einen dreistündigen Zusammenschnitt der im Internet derzeit verfügbaren Videos aus Aleppo und Umgebung. Zur Entspannung gibt es fünf Minuten dauernde Einblendungen von Kämpfen in Afghanistan, welches man ja auch nach Steffen Seibert nicht „pauschal als Bürgerkriegsland bezeichnen“ könne…
Meine Security wird dafür sorgen, dass die Herrschaften auch fein sitzen bleiben. Sollte doch jemand entkommen, scheitert er an der falschen Tür (was ich in meiner Vorstellung sehr komisch finde) muss zur Strafe das Kleid von Alexandra Maria Lara anziehen und sich wieder setzen. Nach dreimaligem Durchlauf der Bilder – in der Zwischenzeit würde ich die Duftkerze anzünden, weil geschlossene Räume und verbrauchte Luft, und so – dürfen sich die Herrschaften erheben und ich führe mein Gespräch mit Herrn Orban nochmal. Ich bin mir sicher, er wäre etwas zugänglicher!
Falls die Herrschaften immer noch renitent sein sollten, sehe ich mich genötigt, ihren Flieger in die Heimat umleiten zu lassen. Nach Australien. 75 Km von Hobart entfernt lasse ich sie dann raus. Aber ich bin ja kein Unmensch – Sie bekommen die Landkarte von Tasmanien aus meinem Koffer.
Ich jedenfalls reise dann, in der Überzeugung, alles in meiner Macht Stehende getan zu haben, wieder nach Kanada und beschäftige mich mit Teil fünf meiner Roman-Reihe: „Von hier an blöd“.