Montagsmotz: Lindners La La Land

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

habt ihr sie noch im Gedächtnis, diese Zeiten, als man während der einen oder anderen großen Koalition den Eindruck hatte, dass auf politischer Bühne im Wesentlichen überhaupt nichts mehr passiert? Zeiten, in denen die größte Sorge der Bevölkerung war, ob zukünftig wirklich diese „Nacktscanner“ an Flughäfen zum Einsatz kommen würden und die größte Frage in politischer Hinsicht die, warum, um alles in der Welt, Andi Scheuer noch im Amt ist, auch wenn das letztlich irgendwann den Charakter eines Running-Gags hatte, insofern also auch schon fast wieder lustig war?

Ach, herrlich, diese Zeiten, mal so rückblickend. Paradiesisch geradezu. 

Gut, momentan fällt uns diese Zeit des politischen und gesellschaftlichen Müßiggangs ohne nennenswerten Schritt nach vorne auf die Füße, denn die Ampelkoalition scheint sich vorgenommen zu haben, in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Dinge aufzuarbeiten, die sie rückblickend als Versäumnisse während der Merkel-Jahre empfand und trifft dabei auf eine Bevölkerung, die zunehmend genervt ist und es schon als „Bevormundung“ betrachtet, wenn man von ihr erwartet, auch im eigenen Interesse an einer roten Ampel – pun not intended – zu halten. 

Aber hey, irgendwas ist ja immer. Und politischer Aktionismus nach Zeiten des gefühlten oder tatsächlichen Stillstandes muss ja nicht unbedingt schlecht sein. Wenn die Parteien dahinter den denn reibungslos organsiert kriegen. Nur leider ist das ja nicht der Fall. Stattdessen streiten sich die Ampelkoalitionäre wie die Kesselflicker auf dem Niveau von:

„Malte-Sokrates hat mich gehauen!“

„Gar nicht!“

„Wohl!“

„Kuck dich doch mal an!“

„Deine Mudda!“

Aktuell hat beispielsweise die Lisa den neoliberalen Wirtschaftsentlastungssandkasten von Christian mit ihrem Kindergrundsicherungszement befüllt. Und das findet der Christian überhaupt nicht witzig. Deswegen muss er herausstellen, dass sein Wirtschaftsentlastungssandkasten ganz dolle viel wichtiger ist, als Lisas blöder Kindergrundsicherungszement.

Und aus diesem Grund nutzte der Christian die Gelegenheit, beim Tag der offenen Tür seines Ministeriums den anderen anwesenden Spielkindern von Presse und Öffentlichkeit seine Meinung zu Lisas Plänen kundzutun. Denn grundsätzlich ist Lisas Kindergrundsicherungszement ja dafür gedacht, die Gräben, die die wirtschaftlich Schwächsten vom Rest der Bevölkerung trennen, zuzuschütten und die Folgen dieser Trennung bestmöglich zu beseitigen. Das allerdings findet der Christian doof. Und sagt das auch.

Denn, so behauptete der Christian gestern, die Kinderarmut betreffe in erster Linie Menschen, die nach 2015 ins Land gekommen seien. Und er sei durchaus gesprächsbereit, wenn es darum ginge, diesen Menschen zu helfen. Aber, so fügte er wörtlich hinzu: 

„Hilft man ihnen am besten dadurch, dass man den Eltern mehr Geld aufs Konto überweist? Oder ist nicht vielleicht mindestens diskussionswürdig, in die Sprachförderung, Integration, Beschäftigungsfähigkeit der Eltern zu investieren und die Kitas und Schulen für die Kinder so auszustatten, dass sie vielleicht das aufholen können, was die Eltern nicht leisten können?“

Und sein Fraktionsvorsitzender Dürr fügte an:

„Ich wundere mich in der Debatte um die Kindergrundsicherung, dass teilweise der Eindruck erweckt wird, dass mehr Geld vom Staat und weniger Arbeitsanreize für Eltern einen Beitrag zu Wachstum und Wohlstand leisten würden.“

Ich dagegen wundere mich, dass Dürr offensichtlich dem Irrtum unterliegt, die Kindergrundsicherung diene in irgendeiner Art und Weise „Wachstum und Wohlstand“, anstelle der Armutsbekämpfung, aber hey, das ist wahrscheinlich Ausdruck seines parteiinduzierten, neoliberalen confirmation bias, von dessen Unsinnigkeit er ohnehin schwer zu überzeugen sein dürfte.

Zurück zu Lindner: 

Die Kinderarmut betreffe zu großen Teilen Menschen, die nach 2015 ins Land gekommen sind, sagt er also. Und man fragt sich unwillkürlich: „Alice? Bist du es? Und was hast du mit Christian gemacht!?“ Aber für ihn sind zumindest die Schuldigen ausgemacht: Es müssen die bösen Einwanderer sein. Ist ja auch gerade en vogue, diese Einstellung. Denn in Krisenzeiten suchen intelligente Menschen nach Lösungen, Idioten suchen nach Schuldigen. Und jede Sonntagsfrage beweist derzeit, dass intelligente Menschen in Summe auf dem Rückzug sind. 

Aber gut, sei es drum: Für Lindner sprechen wir bezüglich Kinderarmut also in erster Linie von Einwanderern. 

Wenn wir uns nun aber mal zur Verifizierung oder Falsifizierung von Lindners Aussage in die nüchterne Welt der Zahlen und Statistiken aufmachen, dann stoßen wir dort schon sehr bald auf die Armutsgefährdungsquote bei Kindern. Und bei aller Akzeptanz für die Schwächen der Berechnung, die auch dann noch die gleiche Armutsquote ausweisen würde, wenn Elon Musk beschließen würde, ab morgen jedem Menschen in diesem Land für alle Zeit monatlich eine Million Euro zu überweisen, was auf Basis der eher erratisch veranlagten Persönlichkeit des Genannten gar nicht mal kategorisch auszuschließen ist, so bietet sie doch ausreichend Einblick.

Wir sehen dort, dass die Armutsgefährdungsquote bei Kindern im Jahr 2005 bei 19,5 % lag, was für ein Land wie Deutschland, wenn man mal ehrlich ist, ein peinlich hoher Wert ist. Zehn Jahre später, im Jahr 2015 liegt der Wert bei 19,7 %, was den überwältigenden Erfolg veranschaulicht, den vergangene Regierungen bei der Bekämpfung von Kinderarmut hatten … – nach 2015 jedenfalls steigt der Wert auf 21,6 % im Jahr 2022 an. Nun ist es ja aber auch nicht so, als hätten wir in diesem Zeitraum nicht auch noch ´ne Pandemie gehabt, oder so …

Wenn man die Armutsgefährdungsquote aller Menschen in Deutschland, also nicht nur der Kinder, betrachtet, dann zeigt die entsprechende Statistik übrigens, dass die Armutsgefährdungsquote für Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit von 34,3 % im Jahr 2005 auf 35,3 % im Jahr 2021 angestiegen ist. Für Menschen mit Migrationshintergrund sank die Armutsgefährdungsquote von 28,2 % im Jahr 2005 auf 28,1 % im Jahr 2021 …

Mit anderen Worten: Es mag sein, dass sich die Einwanderung der Menschen seit 2015 auch in der gestiegenen Armutsgefährdungsquote von Kindern wiederfindet. Wenn Lindner aber behauptet, „von Kinderarmut seien vor allem Familien betroffen, die seit 2015 nach Deutschland eingewandert seien“, dann ist das eben nachweislich Blödsinn.

Und nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder, der Christian weiß, dass er die Unwahrheit erzählt – dann ist er ein Lügner. Oder der Christian weiß es nicht – dann ist er für sein Amt ungeeignet. Es möge jeder für sich bewerten, was davon wohl zutreffend ist.

Da fällt dann kaum noch ins Gewicht, dass auch Christians Problemlösungsstrategie, sowie dessen Kritik an der Problemlösungsstrategie anderer, Anlass zu Stirnrunzeln gibt. Zunächst mal stellt er infrage, dass man jemandes Armut dadurch beseitigen könne, dass man ihm mehr Geld gibt. Ich persönlich bin bisher wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass Armut durch einen Mangel an Geld verursacht wird. Aber vielleicht ist das auch ein Irrglaube. 

Darüber hinaus ist für Christian offensichtlich wichtig, wem man hier Geld gibt, denn „Hilft man ihnen am besten dadurch, dass man den Eltern mehr Geld aufs Konto überweist“, sagt er ja. Den Eltern! Impliziert das nicht irgendwie, dass der Christian leise Zweifel daran hat, dass ein Mehr an Geld auch wirklich den Kindern zugute kommt? Impliziert das nicht, dass der Christian unterschwellig der Ansicht ist, dass die Eltern das zusätzliche Geld nicht lieber doch für Alkohol und Kippen aus dem Fenster werfen?

In meinem Umfeld würden Eltern lieber hungern, bevor es ihrem Kind an irgendwas Existenziellem mangelt, aber das kann sich der Christian vermutlich einfach nicht vorstellen. Vielleicht hat der Christian deswegen gar kein wirkliches Interesse daran, dem Kind von heute zu helfen. Der Christian hat lediglich ein Interesse daran, dem potenziellen Steuerzahler von morgen zu helfen …

Der Tag der Buchliebhaber

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

heute ist der 9. August, was gleichbedeutend damit ist, dass man heute in fernen, transatlantischen Gefilden den Tag der Buchliebhaber, den „National Book Lovers Day“ feiert. Nun könnte man sagen, dass das wiederum für heimische Gefilde keinerlei Bewandtnis hat, andererseits kennt auch keine Sau mehr den Reformationstag, stattdessen murmeln Millionen hierzulande am 31.10. irgendwas von „Halloween“, und werfen in seltsamer Gewandung mit Kürbissen um sich, oder was immer man da so tut. Es gibt also eigentlich keinen Grund, nicht auch den o.g. Tag zu adaptieren. Auch für persönliche Belange.

Denn so ist dieser Tag ein perfekter Aufhänger dafür, ein Problem zu lösen, dass ich in naher Zukunft ohnehin auf ähnliche Art angegangen wäre, aber sei´s drum. Ein Problem, das dadurch verursacht wird, dass Bücher Platz brauchen. Und Platz ist das, was ich nicht habe. Nein, warte, das, was ich nicht habe, ist Geld. Na, sagen wir: Das andere, das ich nicht habe. Wobei das andere, was ich realistisch betrachtet aktuell nicht habe, eigentlich Ruhe ist. Gut, dann nochmal anders: Zu den Dingen, die ich nicht habe, gehört Platz zweifelsfrei dazu. Ja, doch, so kann man das schreiben.

Auf Basis dieser Faktenlage bin ich also gezwungen, Bücher loszuwerden. Die naheliegendste Alternative, der frei zugängliche Bücherschrank, kommt mangels in der heimischen Pampa in entsprechender Anzahl vorhandener Exemplare desselben nur eingeschränkt in Frage, und für die Nutzung anderer Onlineportale bin ich schlicht zu faul. Und ich hab außerdem keine Ruhe dazu. Erwähnte ich, dass ich keine Ruhe habe?

Aus den vorgenannten Gründen werde ich also demnächst versuchen, auf diesem Wege hier das eine oder andere Buch unters Volk zu bringen. Für umme übrigens. Einerseits, weil ich mich nicht bereichern möchte, andererseits, weil ich ein Faible für barrierefreie, niedrigschwellige Zugänge zu eigentlich so ziemlich allem habe. Wer mir dennoch über PayPal das Porto erstatten oder einen Kaffee finanzieren möchte, wird davon jedoch ausdrücklich nicht abgehalten.

Ich werde also zeitnah mal eine Reihe Bücher raussuchen, von denen ich mich trennen möchte, und diese dann hier auflisten. Und wer dann gerne eines, mehrere oder alle davon hätte, kann mir das dann guten Gewissens in die Kommentare schreiben und den Dingen anschließend ihren Lauf lassen. Dabei gilt dann: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

So stay tuned …

Was vom Lesen übrig blieb – 3 Kurzrezensionen

Hallo, liebe Leserinnen und Leser,

falls ihr euch fragt, warum das Wetter in den zurückliegenden Wochen so usselig war: Ich hatte Urlaub! Und in der mir eigenen übersteigerten Egozentrik fällt es mir nur zu leicht, hier einen Kausalzusammenhang herzustellen. Sobald sich das Wetter daran gewöhnt hat, dass mein Urlaub nunmehr vorbei ist – was so spätestens morgen oder übermorgen der Fall sein dürfte -, wird es dann mit Sicherheit wieder besser. Mea maxima culpa.

Als sicherlich unzureichende Entschädigung für das meteorologisch bedingte Ungemach gibt es heute mal einen kurzen Überblick bzw. eine vergleichsweise kurze Zusammenfassung dessen, was in der letzten Zeit gelesen, aus unterschiedlichen Gründen aber nie besprochen wurde. Los geht es mit einer finnischen Satire:

„Kunnku“ von Toumas Kyrö

Im Jahr 2014 erschien die deutsche Ausgabe der, ich erwähnte es, finnischen Satire „Kunkku“ von Tuomas Kyrö. Fast genau seitdem lag dieses Buch mehr oder weniger ungelesen bei mir rum, und verdient sich dadurch vermutlich einen Platz den Top Ten der langjährigsten Bewohner meiner Stapel ungelesener Bücher. Da mein aktuelles Bestreben ist, primär diese Stapel ungelesener Bücher abzubauen, war es dann doch endlich Zeit, „Kunkku“ anzugehen.

Kyrös Roman spielt in einer alternativen Realität bzw. Zeitlinie. In dieser dauert der Zweite Weltkrieg länger als bis 1945 an und Finnland ist zudem ein Königreich. Ein dauerhaftes, nicht der gewollt-und-nicht-gekonnt-Versuch von 1918 unter deutscher Einflussnahme. Regiert wird das Land von Kalle Penttinen, weitgehend nur „Kunkku“ genannt. Schon zu Schul- und Studienzeiten hat der junge Thronfolger lieber allerhand Blödsinn im Kopf, von anfänglichen Streichen über spätere Alkoholexzesse bis hin zu Frauengeschichten, sodass er später als Regent eigentlich nichts kann und nichts weiß. Im Grunde kein Problem für einen Monarchen. Leider sorgt Kunkku aber dafür, dass die finnische Monarchie mit Volldampf vor die Wand gefahren wird, geht seines Amtes verlustig, und muss sich nunmehr als Bürgerlicher durchschlagen.

Kyrö teilt seine Handlung in zwei Zeitebenen ein. Einerseits begegnen wir dem jungen Kunkku auf seinem Lebensweg und sehen ihn beispielsweise mit JFK Tennis spielen. Zum anderen begleiten wir den mittlerweile Bürgerlichen Kunkku dabei, das für ihn ungewohnte Leben zu managen und sich mit der Frage zu beschäftigen, ob es nicht doch eine Möglichkeit gibt, den Königstitel wiederzuerlangen.

„Kunkku“ ist eines dieser Bücher, die ich mögen möchte, trotzdem aber nicht uneingeschränkt empfehlen kann. Lange Zeit lebt es von seinem Humor, der zuweilen derbe, immer aber speziell ist. Von den skurrilen Einfällen, mit denen der Autor seinem Setting Lebendigkeit verleiht, und die immer darauf abzielen, dass Finnland das beste Land der Welt ist und absolut führend in … eigentlich allem, während beispielsweise auf Schweden eine Atombombe niedergeht, und das Land auch sonst nicht gerade vom Glück begünstigt ist. Sowohl der Humor, als auch die charmant dargestellte Rivalität Finnlands zu Schweden überzeugen anfangs durchaus – immer vor dem Hintergrund, dass Humor ohnehin Geschmackssache ist -, nur nutzt sich beides im Laufe des Buches dann doch deutlich ab.

Gleiches gilt für die Charaktere. So wirkt insbesondere der Protagonist in seiner schmerzhaften Ahnungslosigkeit irgendwann zunehmend nervtötend.

Wenn man das ausblenden kann oder diesbezüglich schmerzbefreit ist, wird man dann sogar mit einer recht herzerfrischenden Geschichte belohnt, in der es viel menschelt. Ich persönlich fand diese Mischung aus Jonas Jonasson, Douglas Adams und Terry Pratchett aber insgesamt vergleichsweise anstrengend.

„Wolkenkuckucksland“ von Anthony Doerr

Wer eloquente, tiefgehende Rezensionen lesen will, der bleibt entweder hier *hüstel*, oder – wer das Genannte wirklich will – schaut mal bei der geschätzten Bloggerkollegin Sandra und ihrem Blog vorbei. Im Rahmen eines dortigen Kommentaraustauschs wurde mir vor geraumer Zeit von ihr „Wolkenkuckucksland“ von Anthony Doerr empfohlen.

Der Einstieg in den Roman fiel mir dabei tatsächlich alles andere als leicht. Doerrs Handlung findet auf verschiedenen Erzählebenen statt. Wir begleiten beispielsweise das junge Mädchen Anna, die sich ungünstigerweise im Konstantinopel des 15. Jahrhunderts zum Zeitpunkt der Belagerung durch die Türken befindet. Auf der Seite dieser Belagerer erleben wir den wegen seiner Gaumenspalte vom gesellschaftlichen Leben weitgehend ausgeschlossenen und kritisch beäugten Omeir, den Umweltaktivisten Seymour in aktueller Zeit, sowie Konstance, die sich fern in der Zukunft an Bord eines Generationenraumschiffs befindet.

Zu Beginn sprang mir Doerr zu sehr zwischen den Erzählebenen hin und her, ohne dass sich mir ein roter Faden gezeigt hätte. Daher habe ich das Buch zunächst ganze zweimal angelesen weggelegt. Erst der dritte Versuch war von Erfolg gekrönt, nachdem ich dann endlich mal begriffen hatte, welche Elemente das Buch und seine Handlung inhaltlich und auf der Bedeutungsebene zusammenhalten.

Und wenn man die Bereitschaft mitbringt, sich in diesen Roman reinzuarbeiten, dann wird man wirklich mit einer komplexen, vielschichtigen und wunderschönen Geschichte belohnt. Eine, die in Aristophanes‘ „Die Vögel“ und dem darin enthaltenen „Wolkenkuckucksland“ seinen Ursprung hat, und die eine Hommage an die Literatur darstellt und an die Wirkung von Büchern, die sich über Zeiten und (Länder)Grenzen hinweg verbreiten kann.

Trotz meiner Einstiegsprobleme und eines manchmal leicht unübersichtlichen Mittelteils, ist „Wolkenkuckucksland“ aus meiner Sicht eine ganz klare Leseempfehlung. Vertraut mir! Ich meine es nur gut.

„Jeder stirbt für sich allein“ von Hans Fallada

Braucht es zu diesem Klassiker der deutschen Literaturgeschichte tatsächlich noch ein paar Worte aus meinem unberufenen Munde? Zweifellos nein. Ebenso zweifellos gibt es aber eben Bücher, über die man mit voller Berechtigung sagt, dass man sie „mal gelesen haben sollte“, und „Jeder stirbt für sich allein“ gehört, auch und gerade in aktuellen Zeiten, mit Sicherheit dazu.

In Falladas Roman begegnen wir dem Ehepaar Quangel, das während des Zweiten Weltkriegs in einem Reihenhaus lebt, unter ihnen die Familie Persicke, überzeugte Nazis, sowie ein pensionierter Richter, über ihnen eine ältere jüdische Dame. Quangels werden zu Beginn des Romans mit der Nachricht konfrontiert, dass ihr einziger Sohn Otto im Krieg gefallen ist. Während man bei Persickes noch den erfolgreichen Westfeldzug feiert, trauert man bei Quangels.

Aus der Trauer ergibt sich irgendwann jedoch der Wunsch, etwas zu tun. Etwas, das dazu beiträgt, dass nicht weitere zahllose Eltern ähnliche Nachrichten erhalten müssen. So entwickelt sich die Idee, Postkarten mit subversiven, antifaschistischen Texten zu versehen, und diese in Treppenhäusern öffentlich zugänglicher Gebäude auszulegen.

Natürlich bleibt das Treiben das Quangels nicht unbemerkt, und irgendwann tritt die Gestapo auf den Plan …

Falladas Buch, das auf der Lebensgeschichte des 1943 hingerichteten Ehepaares Elise und Otto Hampel basiert, besticht in erster Linie dadurch, dass es trotz oder gerade wegen seiner eigentlichen sprachlichen Einfachheit über eine bemerkenswerte Atmosphäre verfügt. Die Angst und die Beklemmung, vor deren Hintergrund sich das Ehepaar Quangel zum Handeln gezwungen sieht, sind zum Greifen und man wünscht Ihnen irgendwie einen alternativen Geschichtsverlauf, in dem der Braunauer Gefreite durchs Dach der Reichskanzlei kracht, von Albert Speer in den Fundamenten der neu errichteten Welthauptstadt Germania einbetoniert wird oder beim Fototermin mit Leni Riefenstahl einen Schritt zu weit nach hinten macht und daraufhin vom Obersalzberg fällt, oder so.

Nur findet Geschichte, auch diese Geschichte hier, eben nicht im Konjunktiv statt, und dementsprechend ist „Jeder stirbt für sich allen“ selbstverständlich kein Gute-Laune-Buch, sondern ein eher düsterer Vertreter. Aber, um es mit den Worten Falladas höchstselbst zu sagen, „mehr Helligkeit hätte Lüge bedeutet“.

Falladas Roman empfinde ich als ein in aktuellen Zeiten immens wichtiges Buch, das jedem Vertreter der Man-darf-aber-auch-gar-nichts-mehr-sagen-Fraktion zur täglichen Lektüre ans Ohrläppchen genagelt werden sollte. Nur würde es von denen leider sowieso niemand lesen …