„Geheimer Ort“ von Tana French – Tempus fugit

Buch: „Geheimer Ort“ (2014)

Autorin: Tana French

Verlag: Scherz

Ausgabe: Taschenbuch, 698 Seiten

Die Autorin: Tana French, geboren 1973, ist eine amerikanisch-italienische Krimi-Autorin. Sie lebt mittlerweile mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Dublin. Seit 2008 hat French insgesamt 5 Bücher veröffentlicht, für die sie bereits vielfach ausgezeichnet wurde. Inklusive „Geheimer Ort“ habe ich drei davon gelesen – und fand sie alle gut bis großartig! Das vierte folgt zeitnah…

Das Buch: Im Park des Mädcheninternats St. Kilda wird der junge Christopher Harper erschlagen. Was hat der Junge im Bereich der Mädchenschule zu suchen? Die Ermittlungen der Polizistin Antoinette Conway führen zu nichts. Ein Jahr nach dem Mord steht die St. Kilda-Schülerin Holly Mackey plötzlich in der Polizeiwache und bittet darum, mit dem Polizisten Stephen Moran sprechen zu dürfen. Sie kennt ihn aufgrund einer früheren Ermittlung und hat ihm eine wichtige Mitteilung zu machen: Sie hat an einer Pinnwand in der Schule eine Postkarte mit der Aufschrift: „ICH WEISS, WER IHN GETÖTET HAT!“ gefunden…

Stephen Moran kontaktiert Antoinette Conway und die beiden Polizisten beginnen, zusammen im Mädcheninternat St. Kilda zu ermitteln. Nach einiger Zeit stellt sich heraus, dass nur Holly oder ihre Freundinnen Julia, Selena oder Rebecca die Karte geschrieben haben können und darüber hinaus den Mord verübt haben können. Oder aber ein Mädchen aus der anderen wichtigen Gruppe an der Schule: Joanne und ihre Freundinnen Gemma, Orla und Alison.

Moran und Conway befragen alle acht Mädchen und versuchen, dem Mörder bzw. der Mörderin von Chris Harper auf die Spur zu kommen…

Fazit: Ja, „tempus fugit“, wie der Lateiner sagt – die Zeit vergeht! Das musste ich vor dem Schreiben dieser Rezension mitbekommen. Denn eigentlich habe ich das Buch schon vor einigen Tagen durchgelesen, ich kam nur aus arbeitstechnischen und sonstigen Gründen nicht dazu, zu schreiben.

Und ja, „tempus fugit“ denken sich auch die Mädels um Holly Mackey. Deswegen versuchen sie, die Zeit, die sie zusammen haben, größtmöglich zu genießen. Auch wenn die andere Gruppe um Joanne und Kolleginnen regelmäßig versucht, ihnen das Leben zur Hölle zu machen…

Tana French beschreibt in den Kapiteln abwechselnd die Ermittlungen der beiden Cops einerseits und andererseits in Rückblenden das, was wirklich passiert ist. Dabei schreibt sie, wie auch schon in ihren Büchern „Sterbenskalt“ und „Schattenstill“ (übrigens völlig schwachsinnige Übersetzungen der Originaltitel, aber darüber habe ich ja schon an anderer Stelle gemeckert) mehr als einen Krimi, eher eine Milieustudie. Und das macht sie richtig, richtig gut!

Es dauert ein Weilchen, bis Conway und Moran mitbekommen, dass sie eigentlich von fast jedem der Mädchen nach Strich und Faden belogen werden. Und man darf nach Herzenslust mitraten, wer denn nun für den Tod des jungen Christopher Harper verantwortlich ist. Es kommen ja nur acht Mädchen in Frage. Tragischerweise wusste ich so kurz vor Ende des ersten Viertels bereits, wer es war. Ich fand die Lösung auch nicht sonderlich subtil dargestellt, es war mehr so der Wink mit dem Zaunpfahl. Aber erstens kann das natürlich nur mir so gehen, ich hab also vielleicht einfach mal einen Glückstreffer gehabt (Und der geneigte Leser weiß, dass ich ansonsten mit schöner Regelmäßigkeit daneben liege), und zweitens ist „Geheimer Ort“, auch wenn man die Täterin erahnt, ein wirklich richtig gutes Buch! Lesen!

Wertung: 8,5 von 10 möglichen Punkten

Demnächst in diesem Blog: Nun, eigentlich habe ich mehr als genug Bücher hier liegen auf meinem SUB, deswegen kann ich mich schwer entscheiden, aber ich denke, es wird herauslaufen auf: „Der Mann im Park“ von Pontius Ljunghill. Schwedischer Krimi. Wallander lässt grüßen…

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„Das Babylon-Virus“ von Stephan M. Rother – New York, Rio, Tokio…

Buch: „Das Babylon-Virus“ (2010)

Autor: Stephan M. Rother

Verlag: blanvalet

Ausgabe: Taschenbuch, 574 Seiten

Der Autor: Stephan M. Rother, 1968 in Wittingen geboren, studierte in Göttingen Geschichte, Kunstgeschichte und Philologie. 1997 erfolgte seine Graduierung zum Magister Artium. Seit Mitte der Neunziger trat Rother als „Magister Rother – Deutschlands erster, bester und einziger Standup Historian“ auf den Bühnen Deutschlands auf. Seit dem Jahr 2000 hat sich Rother auf das Schreiben verlegt, seither hat er 14 Romane veröffentlicht, die häufig im Mittelalter spielen. Der Autor lebt, nach eigener Aussage, mit seiner Frau und fünf Katzen „am Rande des Wahnsinns und der Lüneburger Heide“.

Das Buch: In Deutschland und der Welt wütet eine Grippe-Epidemie. Zu den besonderen Symptomen der häufig tödlich verlaufenden Krankheit gehört, dass der Patient in einem späten Krankheitsstadium die Fähigkeit zu sprechen verliert. In dieser Situation bekommt der italienische Restaurator Amadeo Fanelli von seinem väterlichen Freund und Mentor Professor Ingolf Helmbrecht einen Brief zugeschickt. Darin befinden sich ein seltsames und offensichtlich verschlüsseltes Manuskript und ein Brief mit dem Helmbrecht vor Jahrzehnten seinerseits das Manuskript erhielt; ein Brief von Albert Einstein! Fanelli macht sich an die Entschlüsselung des Textes, der die Geschichte des Turmbaus zu Babel wiedergibt, allerdings mit einem anderen Ende. Im vorliegenden Text schickt der Herr den Menschen ein Heilmittel, um die vorher von ihm verbreitete Seuche zu heilen. Dieses Heilmittel soll noch immer irgendwo auf der Welt verborgen sein.

Nach der Entschlüsselung des Textes steht für Fanelli fest, dass es dieses Heilmittal tatsächlich geben muss und dass man damit die Epidemie beenden könnte. Gemeinsam mit seiner Freundin Rebecca macht er sich auf den Weg, um in den Besitz des Heilmittels zu kommen…

Fazit: Ein weiteres Weihnachtsgeschenk, diesmal von der zauberhaften Person, die mir schon „Der Marsianer“ zukommen ließ. Wieder mal herzlichen Dank!

Ein Mann und eine Frau brechen zu einer Art historischer Schnitzeljagd quer durch Europa, Asien und die Weltgeschichte auf, um ein Geheimnis zu lösen und nebenbei die Welt zu retten. Das erinnert den geneigten Leser doch an irgendetwas oder irgendwen…?

Ach ja, Dan Brown, richtig! Der schreibt ebenfalls solche Bücher. Gut für Herrn Rother, dass ich sie mag, diese Dan Brown-Klone! Und zumindest schafft es der Autor, dass „Das Babylon-Virus“ nicht abgeschrieben wirkt, trotz einiger unübersehbarer Parallelen: Die männliche Hauptfigur hat in beiden Fällen einen kultur- und kunsthistorischen Hintergrund, jagt, zusammen mit einer Frau, einem unbestimmten Geheimnis hinterher, wird seinerseits von „den Bösen“ gejagt und rettet die Welt. Und in beiden Fällen kommt der Protagonist viel herum. Im vorliegenden Fall geht es innerhalb weniger Tage nach Italien, Deutschland, England, dann wieder Italien und schließlich Afghanistan. Und ein kurzes Intermezzo aus Venezuala gibt es auch noch…

Ein demenstprechendes Tempo legt der Roman dann auch an den Tag, Rother hält die Spannung gleichmäßig hoch. Nach der Entschlüsselung des Einstein-Textes stellt sich heraus, dass entsprechende Texte zur Lösung des Heilmittel-Rätsel über Jahrhunderte von einem großen Genie an das nächste weitergegeben wurden. Und Fanelli dabei zu begleiten, wie er sich immer weiter vorarbeitet, von Einstein zu Goethe und so weiter und so fort, immer rückwärts in der Weltgeschichte, das macht durchaus Spaß.

Seine Freundin weilt inzwischen bei den deutschen Truppen in Afghanistan, um eine dortige Spur zu verfolgen. Der Autor wechselt dann beständig den Schauplatz und pendelt zwischen der spannenden Suche Fanellis und den deutlich actionreicheren Abschnitten in Afghanistan hin und her.

Das Ganze gipfelt dann in einem Finale, dass mich irgendwie an „Das Vermächtnis der Tempelritter“ und „Die Mumie“ erinnert…

Im Großen und Ganzen hat Stephan M. Rother einen actionreichen und durchaus unterhaltsamen Roman geschrieben. Da verzeihe ich dann auch, dass ein, zwei Fragen für mich nicht befriedigend geklärt wurden sowie ein, zwei Einfälle, die mir ein unwillkürliches „Oh, BITTE…!“ entlockten. ;-)

Wertung: 7,5 von 10 möglichen Punkten

Demnächst in diesem Blog: „Geheimer Ort“ von Tana French. Das liegt schon seit Wochen hier rum. Und genau so lang freue ich mich schon darauf es zu lesen! Dürfte gut werden, denke ich! Hach, ich bin ja schon so aufgeregt… ;-)

„Das Küstengrab“ von Eric Berg – Whodunit?

Buch: „Das Küstengrab“ (2014)

Autor: Eric Berg

Verlag: Limes

Ausgabe: Taschenbuch, 413 Seiten

Der Autor: Eric Berg ist das Pseudonym des deutschen Schriftstellers Eric Walz, geboren 1966 in Königsstein. Nach einer Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann und mehreren Jobs, u.a. bei einer Versicherung, einem Versandhaus und mehreren Telekommunikationsunternehmen sowie einem erfolgreich abgebrochenen Germanistik-Studium verlegte sich Eric Berg (ich bleibe einfach mal bei dem Pseudonym) im Alter von 32 Jahren gänzlich auf das Schreiben. Seitdem hat er sich hauptsächlich als Autor historischer Romane einen Namen gemacht. Unter dem Pseudonym Eric Berg wurden bislang drei Krimis veröffentlicht: „Das Nebelhaus“ (2013), „Das Küstengrab (2014) und „Schrei“ (2015).

Das Buch: Lea Mahler hat ihre Kindheit und Jugend auf der Insel Poel verbracht. Kurz nach der Wende ist sie Hals über Kopf mit ihrem Künstlerfreund Carlos nach Argentinien ausgewandert. 23 Jahre später kehrt Lea nach Poel zurück und wird dort bei einem Autounfall schwer verletzt, ihre Schwester Sabina kommt dabei ums Leben. Lea wird in einer Klinik behandelt und leidet seitdem unter Amnesie. Sie kann sich weder an den Unfall noch an den Grund ihres Aufenthaltes auf Poel erinnern.

Nach ihrer Entlassung fährt sie daher sofort wieder dorthin, um herauszufinden, warum sie auf der Insel war und wieso ihre Schwester Sabina dort war, die sie seit 23 Jahren nicht mehr gesehen hat.

Dabei braucht sie die Unterstützung ihrer damaligen Clique: Pierre hat nach dem Medizinstudium eine Arztpraxis auf der Insel eröffnet, die Geschwister Harry und Margret kümmern sich dort um ihre kranke Mutter, Mike hat eine gutgehendes Unternehmen, eine Menge Geld und ist jetzt mit Jaqueline verheiratet.

Doch mit der Zeit stellt sich heraus, dass die Freunde unterschiedliche Angaben über den Grund von Leas Aufenthalt machen. Wer von ihnen lügt? Und warum? Und hat das Ganze etwas mit dem seit 1990 verschwundenen Julian zu tun, der ebenfalls Mitglied von Leas Clique war? Was also versucht man vor Lea zu verbergen?

Fazit: Eric Berg war mir bis dahin überhaupt kein Begriff. Eigentlich habe ich zu diesem Buch nur gegriffen, weil Herbst- und Winterzeit eben Krimizeit bei mir zu sein scheint, und weil das Cover so hüsch ist: Ostdeutscher Strand mit Holzzaun und Leuchtturm, sehr malerisch. Nun, ich habe einen Glücksgriff getan!

Der Autor beschreibt in den Kapiteln abwechselnd die Nachforschungen von Lea im September 2013 und die ihrer Schwester Sabina vier Monate früher. Oft habe ich mir gewünscht, dass ein Kapitel doch nicht jetzt unbedingt genau hier an dieser Stelle aufhören würde, weil ich doch unbedingt wissen will, wie es an dieser Stelle weitergeht. Am Ende des Folgekapitels ging es mir oft genau so. Irgendwas muss der Autor da also richtig machen!

Stück für Stück erfährt der Leser auf diese Weise, was Lea auf diese Insel geführt hat und was damals zu Zeiten der Wende auf der Insel passiert ist. Spätestens nachdem sich herausstellt, dass der seit damals vermisste Julian definitiv tot ist, entwickelt sich das Ganze zu einem tollen „Whodunit“-Krimi: Ein von der Außenwelt mehr oder weniger abgeschnittener Schauplatz, ein paar mögliche Verdächtige und zwei Schwestern, die versuchen, ein Geheimnis zu ergründen. Das erinnert ein bisschen an Agatha Christie. Kein schlechter Vergleich für einen Krimiautoren, denke ich!

Während die Handlung voranschreitet und der Leser versucht zu erraten, wie das Buch ausgeht und wer was getan hat, (ich hatte mehrere Lösungen im Kopf – richtig war keine davon…) nimmt sich Eric Berg die Zeit, um sich intensiv mit seinen Charakteren zu beschäftigen. Jede Person wird dabei auf unterschiedliche Weise betrachtet. Beispiel Jaqueline: Die junge Frau wanderte nach der Wende nach Hollywood aus, um dort Karriere zu machen und kehrte Jahre später gescheitert wieder zurück. Dann angelte sie sich ihren Ehemann Mike und lebt nun in finanzieller Sicherheit. Ihre alte Jugendfreundin Margret ist bei ihr als Putzfrau angestellt. In Margrets Augen ist Jaqueline eine versnobte reiche Tussi, die sich für etwas Besseres hält, „Pingpong“-Tee trinkt und den ganzen Tag mit einer Freundin unterwegs ist oder Volkshochschul-Kurse besucht und außerdem ihren Hund verhätschelt und nicht mal ein bisschen Extra-Geld für Margret übrig hat.

Jaqueline wiederum ist eigentlich eine vollkommen unglückliche Frau. Sie leidet darunter, dass ihre ehemalige Freundin bei ihrer putzen muss, will damit aber eigentlich nur Gutes tun, damit Margret wenigstens etwas Geld nebenbei bekommt. Außerdem putzt sie, bevor Margret kommt, wie wild, damit diese eigentlich gar nichts zu tun hat. Darüber hinaus ist sie nur mit ihrer Freundin unterwegs, weil sie keine andere hat und die Volkshochschul-Kurse besucht sie, weil sie sich völlig unterfordert fühlt und nicht das Geringste mit sich anzufangen weiß. Und der verhätschelte Hund dient als Ersatz für die Kinder, die sie nie bekommen hat…

Diese vollkommen gegensätzliche Betrachtung der Charaktere gibt es im Buch für jeden einzelnen. Niemand ist das was er scheint. Ein Plädoyer dafür, dass man immer versuchen sollte, sich in sein Gegenüber hineinzudenken, bevor man über ihn urteilt und andere Meinungen zuzulassen, weil es für alles und jeden mindestens zwei Sichtweisen gibt. Herr Berg, das gefiel mir aber mal richtig gut!

Ingesamt hat mich „Das Küstengrab“ über weite Strecken wirklich begeistert! Ein wirklich gelungener Krimi, die beiden anderen werde ich defintiv in sehr kurzer Zeit nachholen. Dennoch muss ich einen halben Punkt abziehen für den „Einfall“ der Amnesie! Ich kann es einfach nicht mehr lesen, dieses „Ich kann mich an nichts erinnern“!!!

Wertung: 8,5 von 10 möglichen Punkten

Demnächst in diesem Blog: „Das Babylon-Virus“ von Stephan M. Rother, ein weiteres Weihnachtsgeschenk.

„Zusammen ist man weniger allein“ von Anna Gavalda – Schon schön!

Buch: „Zusammen ist man weniger allein“ (2006)

Autorin: Anna Gavalda

Verlag: Fischer

Ausgabe: Taschenbuch, 551 Seiten

Die Autorin: Anna Gavalda, geboren 1970 in Boulogne-Billancourt, ist eine französische Autorin, die allein in ihrem Heimatland bereits mehr als fünf Millionen Bücher verkauft hat. Neben neun Romanen, von denen zwei bereits verfimt wurden, hat Gavalda auch Kurzgeschichten und Kinderbücher geschrieben. Bislang habe ich weder ihre Bücher gelesen, noch die dazugehörigen Filme gesehen. Warum –  dazu an anderer Stelle mehr

Das Buch: Philibert ist ein junger Mann in den Dreißigern mit einem bemerkenswerten historischen Fachwissen. Statt einer gutbezahlten Lehrtätigkeit verdient Philibert sein Geld jedoch mit dem Verkauf von Postkarten. Das hat vor allem einen Grund: Philibert stottert ganz ungemein. Und im Umgang mit Menschen hat er auch so seine Defizite. Und darüber hinaus wuchs er in einem aristokratischen Elternhaus auf, indem man den Lauf der Zeit ein wenig verschlafen hat: Eltern und Kinder siezen sich untereinander…

Mit Philibert zusammen wohnt Franck, der eine steile Karriere als Koch begonnen hat. Diese führt jedoch dazu, dass er seine Zeit praktisch ausschließlich bei der Arbeit verbringt. Für Privates oder gar eine Freundin bleibt da keine Zeit. Das Resultat sind seine zahllosen One-Night-Stands, seine hohe Stressbelastung und eine bemerkenswerte Grundaggressivität. Und dann ist da ja auch noch seine Oma Paulette, die er an seinem einzigen freien Tag in der Woche im Altersheim besucht…

Im Obergeschoss des Hauses wohnt in einer winzigen „Wohnung“ die begnadete Malerin Camille. Auch sie hat so Ihre Schwierigkeiten: Sie ist magersüchtig, arbeitet jede Nacht als Putzfrau und ist eigentlich ständig erschöpft. Kurz bevor sie im Wortsinne tot umfallen würde, holt sie Philibert, trotz all seiner zwischenmenschlichen Schwierigkeiten, in seine Wohnung. Es entwickelt sich eine skurrile 3er-WG.

Und schließlich zieht auch Oma Paulette ein..

Fazit: Eine Handvoll zauberhafter Menschen schenkt mir in regelmäßigen Abständen Bücher. So auch in diesem Fall. Vielen Dank an die edle Spenderin! Zugegeben, ich hatte hier ein anderes Buch in Aussicht gestellt, aber die Dinge ändern sich eben. ;-)

Wie eingangs erwähnt, hatte ich von Anna Gavalda bisher noch nichts gelesen. Das lag in erster Linie daran, dass ich solche Bücher eigentlich reflexartig meide. Denn, mal ehrlich, Buchtitel wie „Zusammen ist man weniger allein“, „Nur wer fälllt, lernt fliegen“, oder auch „Das Wetter ist schön, das Leben auch“, die haben aber auch einen echt hohen Würg-Faktor! ;-) Ein zarter Hauch von Rosamunde Pilcher oder Katie Fforde zieht dadurch. Zu groß erschien mir bislang die Gefahr, das könnte gefühlsduseliger Kitsch sein. Aber gut, man hatte es mir geschenkt und ich nahm die Herausforderung an!

Umso überraschter war ich schon nach so ca. 100 Seiten, wie gut mir das Ganze gefiel. Anna Gavalda kann tatsächlich schreiben. Sie beschränkt sich in ihrem Buch auf die detaillierte Beschreibung ihrer Charaktere, Handlung im eigentlichen Sinne gibt es nur wenig. Mich persönlich stört das in diesem Fall eher wenig, denn umso liebevoller gezeichnet sind die Charaktere dieser Vierer-WG. Jeder der vier befindet sich eigentlich in einer Sackgasse des Lebens. Camilles baut körperlich immer weiter ab, Philibert hat sich in sein Schicksal als Postkartenverkäufer gefügt, Franck arbeitet sich langsam zu Grunde und Paulette hadert mit dem Älterwerden.

Im Laufe des Buches macht aber jeder der Charaktere eine positive Wandlung durch. Sie richten sich aneinander auf, alleine wären sie gescheitert.

Ist das gefühlsduselig?

– Na, aber hallo, sowas von!

Ist das kitschig?

– Un-be-dingt!!!

Aber es ist echt schön! Ich habe mit dem Buch mehrere nette Abende gehabt und mich damit sehr wohl gefühlt.

Das einzige Manko, dass die Schreibe von Anna Gavalda hat: Sie schreibt haufenweise lange Dialoge, ohne zu erwähnen, wer da jetzt spricht. Manchmal hatte ich schon eine halbe Seite gelesen, bis ich begriffen hatte, dass der Dialog genau andersherum geführt wird.

Ansonsten: Ein echtes Wohlfühlbuch, mit dem man den bisher grauen Januar ein wenig weglesen kann! Eine Liebeserklärung an das Leben und die Erkenntnis, dass man alle Situationen meistern kann, wenn man Menschen um sich hat, die sich um einen kümmern. Was bin ich froh, dass ich die habe! ;-)

Wertung: 8 von 10 möglichen Punkten

Demnächst in diesem Blog: Bevor es mit einem weiteren Buchgeschenk einer anderen zauberhaften Person weitergeht, gibt es hier zeitnah erstmal „Das Küstengrab“ von Eric Berg. Endlich mal wieder ein deutscher Krimi… ;-)