„Dein Fortsein ist Finsternis“ von Jón Kalman Stefánsson

Buch: „Dein Fortsein ist Finsternis“

Autor: Jón Kalman Stefánsson

Verlag: Piper

Ausgabe: Hardcover, 544 Seiten

Der Autor: Jón Kalman Stefánsson, geboren 1963 in Reykjavík, zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern Islands. Er arbeitete in der Fischindustrie, als Maurer und Polizist, bevor er sich in Mosfellsbær bei Reykjavík niederließ. Sein Werk wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und in ganz Europa ausgezeichnet, u.a. mit dem isländischen Literaturpreis. Der internationale Durchbruch gelang ihm mit „Himmel und Hölle“, zuletzt erschienen „Etwas von der Größe des Universums“ und „Ástas Geschichte“. 2018 war Jón Kalman Stefánsson für den alternativen Literaturnobelpreis nominiert. (Quelle: Piper)

Das Buch: Ein Mann erwacht in einer Kirche, irgendwo tief in den Westfjorden Islands, und erinnert sich an nichts. Doch die Frau, der er auf dem Friedhof begegnet, erkennt ihn wieder. Rúna berichtet von ihrer verstorbenen Mutter, und sie schickt ihn zu ihrer Schwester Sóley, mit der ihn eine brüchige Nähe zu verbinden scheint. Mithilfe ihrer und anderer Erzählungen setzt er sein Leben neu zusammen – bis sich nicht nur sein, sondern das Schicksal aller Menschen dieses einsamen Fjords vor uns erhebt. (Quelle: Piper)

Fazit: Um es gleich vorweg zu sagen: Ich will Sonne! Und ich will nicht nur Sonne, ich will auch Wochenende. Ich weiß, wir hatten gerade eines. Und ich will beides zusammen, nicht jeweils separat für sich. Ich will – ich möchte für gewöhnlich, mittlerweile will ich aber – also Sonne und Wochenende. Am besten gleich. Das würde nämlich die Gelegenheit bieten, sich mal wieder ein ganzes Wochenende lang mit einem Buch im Garten einzufinden, und selbiges dann auch zügig durchzulesen. Denn es gibt Bücher – und „Dein Fortsein ist Finsternis“ ist so eins -, die profitieren vermutlich ungemein davon, wenn man sie in recht kurzer Zeit durchlesen kann und nicht nur hier und da mal ein wenig vorankommt. Der zögerliche Lesefortschritt ist vermutlich einer der Gründe, warum Stefánssons Buch, um auch das gleich vorweg zu sagen, bei mir nicht vollständig gut ankam.

Dabei wollte ich nach etwa 150 zügig gelesenen Seiten dieses Buch sogar noch verschenken. Also, nicht in dem Sinne, dass ich es einfach nur loswerden wollte, und notfalls auch für lau, sondern in dem Sinne, dass ich durchaus Menschen kenne, von denen ich sicher bin, dass ich ihnen mit diesem Buch eine kleine Freude gemacht hätte.

Auf diesen 150 Seiten lernen wir den namenlosen Protagonisten des Buches kennen – und er sich selbst auch ein bisschen -, der eines Tages in einem isländischen Örtchen in der Kirche aufwacht und sich weder daran erinnern kann, wer er ist, noch an sonst irgendwas. Für gewöhnlich, das gebe ich gerne zu, kann ich mit dem Motiv der Amnesie in der Literatur nicht mehr so wirklich etwas anfangen, weil ich es als arg überstrapaziert empfinde, vor dem Hintergrund der gesamten Thematik des Buches ergibt es aber mehr als nur ein wenig Sinn.

Beim Verlassen der Kirche trifft der Protagonist auf Rúna, die ihn zu kennen scheint. Unser vergesslicher Held versucht, sich nichts anmerken zu lassen, und sich durch die Erzählungen der Menschen so langsam selbst ein Bild zusammenzusetzen. Beispielsweise, indem Rúna ihm die Geschichte ihrer Eltern erzählt, die nur deshalb zueinander fanden, weil Rúnas Mutter und ihr damaliger Freund auf dem Weg in ein weiter nördlich gelegenes Seebad eine Reifenpanne hatten und dabei auf Rúnas späteren Vater trafen.

Ausgehend von dieser Geschichte geht Stefánsson immer weiter zurück in der Zeit, wendet sich einer durchaus nennenswerten Zahl an Figuren und deren (Vor)-Geschichten zu und setzt somit Stück für Stück ein Gesamtbild der Bewohner und eine Art Stammbaum des isländischen Örtchens zusammen.

Und das ist auf handwerklicher Ebene wirklich sehr gut gemacht, und erreicht mich anfänglich durchaus auch in emotionaler Hinsicht, reißt zuweilen zu diversen „Ahs!“ und „Ohs!“ hin. Und dem Wunsch, das Buch zu verschenken. Mit zunehmender Seitenzahl, die in umgekehrt proportionalem Verhältnis zum Lesetempo stand, offenbaren sich für mich dann aber doch so einige Schwierigkeiten, die den anfänglich positiven Eindruck ein wenig verhagelt haben.

Denn was zu Beginn noch emotional wirkt, wirkt früher oder später – weil gefühlt so wirklich jede Figur ein in irgendeiner Weise tragisches Schicksal hat – leider nur noch nervtötend. Man möchte dem Buch irgendwann: „ICH HAB ES AUCH NICHT IMMER LEICHT!“ entgegenbrüllen. Und es wirkt nervtötend, weil im späteren Verlauf deutlich wird, dass das, was Stefánssons Figuren, oder sein Protagonist, an vermeintlich hochphilosophischen Gedanken zum Leben, dem Universum und dem ganzen Rest, beizutragen haben, zwischenzeitlich nicht über Gemeinplätze hinausgeht, die nicht nennenswert tiefsinniger sind, als würde ich „Es is‘ ja, wie es is‘ …“ sagen, die aber so bedeutungsschwanger daherkommen, als wäre die Weisheit der gesamten Menschheit in ihnen gefangen. Vielleicht ist sie das ja auch und sie kommt deswegen nicht raus.

Dazu kommt dann noch die unfassbar redundante Erzählweise. Nicht, indem Handlungselemente häufiger erzählt würden, sondern eher durch die massenhafte Verwendung einzelner erzählerischer Motive und Formulierungen. Beispielsweise wird gefühlt tausendfach über die Frau des Pastors Pétur gesagt, dass sie „Hände aus Licht“ habe. Und wenn man kein unfassbar schlechtes Namensgedächtnis hat – und gut ist meins keinesfalls -, dann weiß man auch, dass Guðríður irgendwann mal einen Artikel über Regenwürmer geschrieben hat und dieser in einer Fachzeitschrift veröffentlicht wurde. Man muss das nicht milliardenfach wiederholen. Ähnliche Beispiele gäbe es zuhauf. Das mag Poesie sein, ich persönlich finde es irgendwo zwischen befremdlich und fürchterlich.

Dabei ist Stefánssons erzählerisches Anliegen ein recht hehres, denn nach meinem Verständnis des Romans liegt es im Versuch, gegen das Vergessen anzuschreiben. Er beschäftigt sich viel mit der Frage, was von uns denn bleibt, wenn wir gehen. Denn „Tot nur ist, wer vergessen wird.“, wie es nicht bei Yoda, sondern bei Christian von Zedlitz heißt. Aber was dann? Wenn die, die sich noch an uns erinnern können, ebenfalls gehen? Und die danach? Fällt man gänzlich der Vergessenheit anheim? Und ist das schlimm? Denn tragen wir nicht – in irgendeiner Hinsicht – dazu bei, dass folgende Generationen auf vergangenen und aktuellen aufbauen können? Ist es dann so tragisch, wenn die oder der Einzelne in Vergessenheit gerät? Und falls ja, kann man dagegen vielleicht irgendwas tun? Vielleicht dagegen anschreiben? Seine Gedanken und Gefühle, seine vollständige Weltsicht schriftlich festhalten, auf dass potenziell für alle Zeiten erhalten bliebe, was ich über das Leben, das Universum und den ganzen Rest denke? Und was dann?

Der isländische Autor wird diesem Anliegen mit seinem Buch in handwerklicher Hinsicht sogar vollkommen gerecht. „Dein Fortsein ist Finsternis“ ist hervorragend aufgebaut, das muntere und teils willkürlich wirkende Umherspringen zwischen Zeiten und Personen macht Spaß zu lesen und letztlich widmet er sich den im letzten Absatz genannten Fragen intensiv.

In Summe scheitert der Roman für mich aber eben an den erwähnten, erzählerischen Verschrobenheiten und dem gravitätischen, tiefgründigen Anstrich, den sich der Roman selbst verleiht, durch den aber zuweilen der Firnis der Banalität durchschimmert.

Vielleicht tue ich dem Buch aber auch unrecht. Vielleicht hätte es mir bei sonniger Wetterlage besser gefallen. An einem Wochenende. So jedoch habe ich, das gebe ich zu, die letzten etwa 80 Seiten allenfalls quergelesen und stelle fest, dass man sich dem allenthalben geäußerten Lob über einen Roman ja nicht immer anschließen muss.

Demnächst in diesem Blog: Entweder Clemens J. Setz oder Richard Osman. Oder ganz was anderes.

abc.Etüden KW 10/11/12/13 2023 I

Hallo, liebe Leserinnen und Leser,

aus aktuellem Anlass – der darin besteht, dass heute der „Welttag der Poesie“ ist – gibt es meinen Beitrag zur aktuellen Ausgabe der von der zauberhaften Christiane organisierten Etüden mal wieder in dem, was ich für ein Reimschema bzw. Versmaß halte. Also praktisch der entfernte Verwandte von beidem. Die Wortspende von Werner und seinem Blog „Mit Worten Gedanken horten“ gefiel mir überdurchschnittlich gut, war nur für den gedachten Zweck denkbar ungeeignet. Aber dafür kann Werner nichts. ;-) Also, auf gehts:

Vormärz

Man verkuppelt Schweizer Banken gegen ihren Willen,

ausgelöst durch Banker-Gier, die niemals ist zu stillen.

Olaf Scholz hält unsre Banken trotzdem für „gut aufgestellt“,

und sollt‘ es einmal anders sein, hat ja der Steuerzahler Geld.

Frankreichs Bürgern gießt man derzeit ganz viel Wasser in den Wein,

genügsam sind sie, doch zwei Jahre länger schuften? Nein!

Trotz der Wut des Parlaments macht dann halt ein Verfassungstrick,

auf Geheiß von Mme. Borne Frankreichs Rentenkasse schick.

Anstatt ihn zünftig zu bewerfen, ob mit Kuchen, ob mit Torten,

lauscht, wie bei ’ner Dichterlesung, der Plebs aufs Neue Donalds Worten.

Die jungen Reps bereiten schon mal prophylaktisch landesweit Randale vor,

kein Problem, mit der Erfahrung aus dem Sturm aufs Kapitol zuvor.

Staatschef Xi will fern im Osten „fest an Russlands Seite stehen“,

mir wärs, ganz ehrlich, doch am liebsten, er würd‘ einfach wieder gehen.

Xi sagt, sein Besuch bringe doch „Schwung, „Fairness“, „Gerechtigkeit“,

wo die beiden plaudern, ist Realitätsverlust nicht weit.

Zwischen all dem ruft ganz leise dann noch der Weltklimarat,

sagt, es wird jetzt doch sehr dringend und die nahe Zukunft hart,

da hör ich schon die FDP, als wären morgen Wahlen:

„Wie soll denn nur der kleine Mann das alles bloß bezahlen“?

Die fetten Jahre sind vorbei, die ruhigen Zeiten auch,

die Trägheit der Vergangenheit ist nur noch Schall und Rauch,

und ob des grausig‘ Amalgams aus Krieg, Klima, Staatsgästen,

schallts alsbald bestimmt erneut: “Friede den Hütten, Krieg den Palästen!“

237 Worte.

„Die geheimste Erinnerung der Menschen“ von Mohamed Mbougar Sarr

Buch: „Die geheimste Erinnerung der Menschen“

Autor: Mohamed Mbougar Sarr

Verlag: Hanser

Ausgabe: Hardcover, 448 Seiten

Der Autor: Mohamed Mbougar Sarr, geboren 1990 in Dakar, wuchs im Senegal auf und studierte in Frankreich Literatur und Philosophie. Er hat bereits drei Romane veröffentlicht, für die er u.a. mit dem Prix Stéphane-Hessel und Grand prix du roman métis ausgezeichnet wurde. Für „Die geheimste Erinnerung der Menschen“, seinem ersten Werk, das auf Deutsch erschien, erhielt er 2021 den Prix Goncourt. (Quelle: Hanser)

Das Buch: Mohamed Mbougar Sarr erzählt virtuos von der Suche nach einem verschollenen Autor: Als dem jungen Senegalesen Diégane ein verloren geglaubtes Kultbuch in die Hände fällt, stürzt er sich auf die Spur des rätselhaften Verfassers T.C. Elimane. Dieser wurde in den dreißiger Jahren als „schwarzer Rimbaud“ gefeiert, nach rassistischen Anfeindungen und einem Skandal tauchte er jedoch unter. Wer war er? Voll Suchtpotenzial und unnachahmlicher Ironie erzählt Sarr von einer labyrinthischen Reise, die drei Kontinente umspannt. (Quelle: Hanser)

Fazit: „Als die ersten Missionare nach Afrika kamen, besaßen sie die Bibel und wir das Land. Sie forderten uns auf, zu beten. Und wir schlossen die Augen. Als wir sie wieder öffneten, war die Lage genau umgekehrt: Wir hatten die Bibel und sie das Land.“, hat Desmond Tutu mal gesagt. Und die Folgen davon, von Missionierung und Kolonialismus in Afrika, kann man bis heute beobachten, auch im Literaturbetrieb. Das – und unfassbar vieles andere – ist Thema in Mohamed Mbougar Sarrs Roman „Die geheimste Erinnerung der Menschen“.

Wobei dessen Protagonist, der junge, aufstrebende Autor Diégane Latyr Faye, selbst die Ansicht vertritt: „In Wahrheit handelt nur ein mittelmäßiges, schlechtes oder banales Buch von etwas. Ein bedeutendes Buch hat kein Thema und spricht von nichts(…)“.

Faye stammt aus dem Senegal und ging nach Paris, einerseits, um dort zu studieren, andererseits, weil man als französischsprachiger Autor dort mehr Möglichkeiten hat, wahrgenommen zu werden. Im Rahmen seines Studiums hört er von einem senegalesischen Autor namens T.C. Elimane, der im Jahr 1938 den französischen Literaturbetrieb mit seinem bahnbrechenden Roman „Das Labyrinth des Unmenschlichen“ aufgemischt hat. Das Buch wird von der Kritik zunächst ebenso gefeiert wie sein Autor, der bald als „der schwarze Rimbaud“ bezeichnet wird. Kurz darauf wird Elimane jedoch Opfer eines handfesten Literaturskandals mit rassistischen Zügen, in dessen Folge sein Buch aus dem Handel genommen wird und der Verlag pleite geht. Elimane, der sich ohnehin nie der Öffentlichkeit gezeigt hat, äußert sich nie zu den gegen ihn vorgebrachten Vorwürfen, zieht sich vielmehr vollends zurück und irgendwann scheint es fast so, als habe es ihn nie gegeben, diesen „schwarzen Rimbaud“.

Viele Jahrzehnte später befindet sich der junge Diégane Latyr Faye zu Studienzwecken in Paris. Unter anderem dient sein Aufenthalt dem Ziel, früher oder später eine Doktorarbeit zu verfassen, die aber nicht nennenswert schneller vorangeht als Joseph Grands großer Roman in Albert Camus‘ „Die Pest“. Stattdessen zieht Faye lieber mit seinen Freunden um die Häuser und ergeht sich in literarischen Grundsatzdiskussionen zu nachtschlafender Zeit. Schließlich gerät er durch Zufall in Kontakt mit einer senegalesischen Schriftstellerin, die persönliche Verbindungen zu Elimane hatte, bekommt erstmals dessen Buch zu lesen und entbrennt im Wunsch, dem Schicksal des Autors näher auf den Grund zu gehen.

In der Folge nimmt Mohamed Mbougar Sarr seine Leserschaft mit auf eine verschachtelt erzählte Reise, die sich über etwa 100 Jahre und drei Kontinente erstreckt. Dabei geht er einer Reihe an Themen auf den Grund. Dem Prozess des Schreibens an sich. Der Frage, ob afrikanische Autorinnen und Autoren nach Europa gehen sollten, um besser wahrgenommen zu werden. Der Frage, was das über die afrikanischen Autorinnen und Autoren aussagt. Und über die Europäer. Der Frage, warum Literaturkritik so viel über die Autoren hinter den Werken schreiben und so wenig über die Werke selbst. Der Frage nach dem Wesen der Literatur an sich.

Und das alles ist in erster Linie eines, nämlich höchst vergnüglich zu lesen.

Die ersten gefühlten zwei Drittel des Buches habe ich förmlich verschlungen. Zwar ist Sarrs Roman nicht unbedingt ganz leicht zu lesen, und wartet zuweilen mit Begrifflichkeiten auf, die mich, der ich von mir annahm, eigentlich über einen ganz brauchbaren Wortschatz zu verfügen, durchaus vor Rätsel stellten und die Vermutung aufkommen ließen, der Roman würde sich in erster Linie an belesenere Menschen wenden, als ich es einer bin. Aber wenn man mal akzeptiert hat, dass man vielleicht nicht jede literarische und/oder mythologische Anspielung verstehen muss, entwickelt sich ein wahres Lesevergnügen.

Lediglich im letzten Drittel entstehen dann kurzzeitig einige Längen, beispielsweise als Sarr im Gespräch zwischen seinem Protagonisten und o.g. Schriftstellerkollegin praktisch eine Geschichte in einer Geschichte in einer Geschichte erzählt, ohne das formal deutlich kenntlich zu machen, was handwerklich gut gemacht sein mag, für mich allerdings dann doch etwas zu viel des Guten war und zudem den Roman kaum voranbrachte. Ähnlich kritisch stand ich anfangs einem Abschnitt gegenüber, in dem Faye in den Senegal zurückreist und die dortigen Unruhen und Proteste thematisiert. Nicht wegen der Schilderung der Unruhen und Proteste, sondern wegen Fayes vor Ort stattfindenden gefühlsduseligem Hin und Her, das es an dieser Stelle ebenfalls nicht gebraucht hätte. Zudem entsteht der zugegebenermaßen eigentlich unbegründete Eindruck, Sarr habe sich den im Kern grenzwertigen Vorwurf, dem sich sein fiktiver Schriftsteller Elimane von der Kritik ausgesetzt sah, dass dessen Buch „zu wenig afrikanisch“ war, zu Herzen genommen und dringend noch etwas Lokalkolorit einarbeiten müssen.

Die Phase dieser Längen ist glücklicherweise aber schnell überstanden, und Sarr führt sein Buch letztlich zu einem mehr als zufriedenstellenden Ende.

„Die geheimste Erinnerung der Menschen“ ist so etwas wie eine literaturbezogene Version einer kurzen Geschichte von fast allem, und man kann das Buch tatsächlich – wie ich gerade merke – ebenso schwer beschreiben, wie man es nach einmaliger Lektüre greifen kann. Es ist eines dieser Bücher, die man, gerade in dem Moment, in dem man sie beendet hat, eigentlich sofort wieder von vorne anfangen möchte.

Und es ist ein Plädoyer für die afrikanische Literatur, sich zu emanzipieren, sich – ähnlich wie die Staaten, denen sie entstammt – für unabhängig zu erklären, dafür, die Abhängigkeit von Europa und dem europäischen Literaturmarkt zu beenden. Aber auch eins an die Leserschaft, auch und gerade die europäische, diese Unabhängigkeit der afrikanischen Literatur zu akzeptieren und ihr mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Tolles Buch!

Weitere Rezensionen:

LiteraturReich
Mit Büchern um die Welt
Bücheratlas

Demnächst in diesem Blog: „Dein Fortsein ist Finsternis“ von Jón Kalman Stefánsson.

Zum Weltfrauentag …

Liebe Leserinnen,

ich wünsche euch – und die Leser sind an dieser Stelle ausnahmsweise mal ausdrücklich nicht mit gemeint – einen wunderbaren Weltfrauentag. Fühlt euch geknuddelt und wertgeschätzt, denn ohne euch wäre die Welt kein lebenswerter Ort, und die Blogosphäre schon  gar nicht. Ihr seid wichtig – und dieser Tag auch. Denn mag Frau Schwarzer auch schon vor über zehn Jahren gefordert haben, „diesen gönnerhaften 8. März“ endlich abzuschaffen, und mag es vielleicht auch ein hehres Ziel sein, diesen Tag irgendwann nicht mehr zu „brauchen“, so sieht es in der Realität dann doch anders aus, finde ich.

So war gestern der sogenannte Equal Pay Day. Nun geht die Frage der Gleichberechtigung sicherlich über den Aspekt von gleicher Bezahlung weit hinaus, aber wir können uns vermutlich darauf einigen: Gleiche Bezahlung für gleiche Jobs wäre erst mal schon schön!? Und man kann glauben, hier auf einem guten Weg zu sein, schließlich hat sich der Equal Pay Day vom 20. März im Jahre 2009 auf den 7. März im letzten und in diesem Jahr vorverschoben. Na, immerhin! 13 Tage in 13 Jahren. Wenn es in diesem Tempo weitergeht, ist die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern für die gleichen Jobs in, wenn ich mich nicht verrechnet habe, etwa 66 Jahren erreicht. Also: In 66 Jahren, da fängt das Leben an …

Nun ist gleiche Bezahlung, wie erwähnt, ja nur ein Mosaikstein. Einfacher sollte es – zumindest in meiner beschränkten Denke – vielleicht sein, damit anzufangen, unabhängig vom Geschlecht übrigens, vernünftig miteinander umzugehen. Als drastisches Beispiel sei mal das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – Altkanzler Schröder sagte seinerzeit, wer wird sich nicht erinnern, dazu noch „Familie und das ganze Gedöns“ – zitiert, das da sagt: „In Deutschland wird jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von physischer und/oder sexualisierter Gewalt(…)“

Jede dritte. Da ich, man mag das kaum glauben, deutlich mehr als zwei Frauen persönlich kenne, bedeutet das statistisch gesehen zwangsläufig, dass da die eine oder andere dabei sein muss, auf die o.g. Zitat zutrifft. Ohne dass ich davon wüsste. Vermittelt mir ein schlechteres Gefühl, als ich jetzt hier zuzugeben bereit wäre. Muss ich nochmal drüber nachdenken. Sacken lassen.

Bis Frau Schwarzer – die diese Zeilen vermutlich als ebenso „gönnerhaft“ empfinden wird, wie den 8. März als solchen, weil sie von einem Mann stammen, was nachvollziehbar ist und ihr gegönnt sei – der Wunsch nach einer Abschaffung dieses Tages wegen erwiesener Obsoleszenz erfüllt werden wird, dürfte es also noch eine Weile dauern. Vielleicht sollten wir – und mit „wir“ sind jetzt explizit auch die Leser wieder mitgemeint – schon mal damit anfangen, darauf hinzuarbeiten.

Vielleicht, indem Männer lernen, dass die aus Quotenregelungen in der Arbeitswelt – von denen man ansonsten halten kann, was man will – sich zwangläufig zeitweise ergebenden Benachteiligungen von Männern einfach mal hingenommen werden müssen, bis die institutionelle Benachteiligung der Frauen im Berufsleben beendet ist. Vielleicht, indem Männer lernen, dass alles, wofür man die Hände braucht, kein Kompliment ist. Vielleicht – ach, da gebe es noch so viel …

Nur nicht aufgeben!

„Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit“ von Karl Ove Knausgård

Buch: „Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit“

Autor: Karl Ove Knausgård

Verlag: Luchterhand

Ausgabe: Hardcover, 1056 Seiten

Der Autor: Karl Ove Knausgård wurde 1968 geboren und gilt als wichtigster norwegischer Autor der Gegenwart. Die Romane seines sechsbändigen, autobiographischen Projektes wurden weltweit zur Sensation. Sie sind in über 30 Sprachen übersetzt und vielfach preisgekrönt. 2015 erhielt Karl Ove Knausgård den WELT-Literaturpreis, 2017 den Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur. Er lebt in London. (Quelle: Random House)

Das Buch: Alles beginnt 1986 im Süden Norwegens. Der junge Syvert Løyning kehrt vom Militärdienst zu seiner Mutter und seinem Bruder ins Haus der Familie zurück. Im fernen Tschernobyl ist gerade ein Atomreaktor explodiert, Norwegen selbst wird von einer Regierungskrise erschüttert. Syvert weiß nicht wirklich, wohin mit sich. Was hält die Zukunft für ihn bereit? Eines Nachts träumt er von seinem toten Vater, und ein unheimliches Gefühl beginnt sich in ihm festzusetzen: sein Vater will ihm eine Botschaft übermitteln. Aber welche könnte das sein? Ratlos beginnt er sich die nachgelassenen Sachen von ihm genauer anzuschauen. Und muss schließlich feststellen, dass es ein anderes Leben gab, das sein Vater führte. Eines, das bis in die Sowjetunion führt. (Quelle: Random House)

Fazit: Als ich gegen Mitte des letzten Jahres Knausgårds „Der Morgenstern“ – Auftakt zu einem neuen fünfbändigen Romanzyklus des norwegischen Schriftstellers – gelesen habe, war die Frage nach dem Lesehighlight des – wenigstens – an literarischen Highlights für mich nicht armen Jahres 2022 umfassend beantwortet. Schon mit Zuklappen des Buches freute ich mich damals, dass danach noch sehr viel mehr davon kommen sollte, und da „Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit“ zum Zeitpunkt des Erscheinens der deutschen Ausgabe von „Der Morgenstern“ bereits im norwegischen Original erschienen war, war die Wartezeit erfreulich kurz und ich konnte mich begierig auf die über 1.000 Seiten stürzen.

Nur wie fasst man diese über 1.000 Seiten jetzt zusammen? Und wie beantwortet man eigentlich die im Grunde ganz simple Frage danach, worum es in diesem Roman eigentlich geht? Na, vielleicht fangen wir erst mal an Anfang an …

Dort begegnet uns als erster Erzähler Helge, der auf wenigen Seiten von einer schicksalshaften Begebenheit in seiner Kindheit berichtet, von der hier nichts erwähnt werden soll, die im Zusammenhang aber wichtig ist. Bald schon verschwindet Helge jedoch von der erzählerischen Bildfläche und wird durch den jungen Syvert ersetzt. Er hat gerade seinen Wehrdienst als Koch bei der norwegischen Armee abgeleistet und kehrt zurück in sein Elternhaus in Bergen zu seiner Mutter und seinem Bruder. Sein Vater starb bereits, als Syvert etwa zehn Jahre alt war, durch einen Autounfall.

Im Folgenden versucht der junge Mann, in seiner Heimatstadt wieder Fuß zu fassen und sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie seine weitere Zukunft aussehen soll.

Auf den folgenden über 500 Seiten begleiten die Leser Syvert auf die für Knausgård typische, sehr akribische und detailgetreue Art. Sie werden Zeuge zahlreicher Konfliktsituationen mit seiner Mutter, die sich daraus ergeben, dass der junge Mann sich anfangs als bemerkenswert verantwortungslos erweist, sie beobachten ihn aber auch, wie er sich um seinen Bruder kümmert, der – ausgehend von meinen laienhaften diesbezüglichen Kenntnissen – vermutlich Anzeichen des Asperger-Syndroms aufweist, sie sehen ihn unbeholfen um die Gunst eines jungen Mädchens buhlen, und sie sind auch dabei, als Syverts Leben die Wendung vieler, nicht zu beneidender junger Menschen nimmt, die plötzlich gezwungen sind, ganz schnell erwachsen zu werden.

Und die Leser sind eben auch dabei, als er in der Garage auf russisch verfasste Briefe von bzw. an seinen Vater findet. Er lässt sich die Briefe übersetzen und stellt fest, dass sein Vater offensichtlich nicht der Mensch war, für den er ihn hielt, im Mindesten aber mal gewisse Geheimnisse hatte.

All das lässt sich wunderbar lesen, zumal Knausgård mit Syvert eine überzeugende Figur geschaffen hat, einen neugierigen Charakter, der sich viele Fragen über das Leben als solches stellt, naturwissenschaftliche wie metaphysische, und sich beispielsweise angesichts des zum Zeitpunkt der Handlung gerade geschehenen Reaktorunfalls in Tschernobyl fragt, was diese ominöse Radioaktivität eigentlich genau ist, was sie tut und wie sie es tut.

Was dem Autor in der ersten Hälfte des Buches jedoch so ein bisschen auf die Füße fällt – auch aus der Sicht eines vergleichsweise geduldigen Lesers, für den ich mich halte -, ist eben diese akribische detailverliebte Erzählweise, die für Knausgård so typisch ist und die sich nicht nennenswert von der in „Der Morgenstern“ unterscheidet, dort aber leichter zu verkraften war, weil Knausgård darin ganze elf Erzählstimmen einführte, man in „Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit“ aber eben über 500 Seiten nicht von Syverts Seite weicht, und die minutiöse Darstellung banalster Verrichtungen, verbunden mit dem Eindruck, dass sich irgendwann, überspitzt gesagt, Erzählzeit und erzählte Zeit fast die Waage halten, wirkt bald nur noch ermüdend.

Aber man sollte sich durchbeißen. Nach über 500 Seiten wechselt der Autor nämlich segenswerterweise die Erzählstimme. Einfach so – weil ihm die Konventionen aus dem „Wie schreibt man einen Roman“-Handbuch vermutlich recht egal sind. Mit der Erzählstimme wechselt auch die Zeit und der Ort der Handlung, hin zu Alevtina, einer Dozentin für Evolutionsbiologie, die mit ihrem Sohn irgendwann in den 2010ern in Russland lebt. Später begegnen wir ihr nochmal zu dem Zeitpunkt wieder, an dem die Handlung von „Der Morgenstern“ einsetzt.

Ab dem Zeitpunkt ihres ersten Erscheinens bilden sich erste Zusammenhänge im Bereich der Handlung heraus und man wird für das Durchhaltevermögen – abseits der Freude am Lesevorgang an sich – endlich belohnt. Da man allerdings nun Alevtina für eine gewisse Zeit folgt, stellt sich irgendwann die gleiche Wirkung beim Leser ein, wie bei den gut 500 ersten Seiten des Romans. Maßgeblich liegt das eben, wie erwähnt, daran, dass Knausgård sich auf weniger Erzählstimmen beschränkt als im Auftaktroman. Hier kommen, wenn ich mich nicht verzählt habe, nur fünf Personen als Erzähler zu Wort.

Einmal der anfangs erwähnte Helge, der nach wenigen Seiten jedoch nie wieder auftaucht. Später kommt der LKW-Fahrer Jewgeni dazu, dessen erster Auftauchen als Erzählstimme ich inhaltlich vermutlich einfach nicht verstanden habe, und dessen zweites Auftauchen mutmaßlich lediglich dazu dient, hier ein dramatisches, zukünftiges Handlungselement zu teasern. Dazu gesellt sich letztlich die Lyrikerin Vasilisa, eine Freundin von Alevtina. Vasilisa findet als Erzählstimme in erster Linie Einzug über ein von ihr verfasstes Essay – Ähnliches gab es schon in „Der Morgenstern“ -, das sich inhaltlich mit der Philosophie von Nikolai Fjodorow befasst, der das religiöse Konzept der Wiederauferstehung unter naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten betrachtete und letztlich das Ziel verfolgte, den Tod durch wissenschaftliche Mittel zu besiegen.

Witzigerweise – ich finds jedenfalls irgendwie witzig – spricht Vasilisa über ihr Essay – ist Essay eigentlich Maskulimun oder Neutrum?-, in dem sie sinngemäß sagt, dass er eigentlich als Vorwort für ein Buch gedacht war, dann aber den dafür zur Verfügung stehenden Umfang sprengte, hier und da immer mal wieder was dazukam und sie selbst noch nicht so genau wisse, wohin der Text letztlich denn so führen würde. Und exakt das ist mein Eindruck von „Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit“. Es wirkt, als hätte Knausgård eine Grundidee für seinen Roman gehabt, und dieser Idee erst an dieser, dann an jener Stelle noch ein bisschen Text hinzugefügt, bis er nicht nur die elementarsten Fragen nach dem Ursprung und dem Ende des Lebens beinhaltet, sondern seine Protagonisten auch noch detailliert bei der Ausübung ihres wöchentlichen Fußballtrainings begleitet. Und das meine ich grundpositiv.

Nun wäre aber immer noch nicht geklärt, worum es in „Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit“ eigentlich geht …

Nun, vordergründig geht es um die Familiengeschichte von Syvert bzw. Alevtina und darum, was die beiden miteinander verbindet. Hinter dieser vergleichsweise einfachen Handlungsebene spricht Knausgård jedoch zahllose unterschiedliche Dinge und Fragen an, sei es das Phänomen der Mykorrhiza – einer Symbiose zwischen Pilzen und Wurzelsystemen anderer Pflanzen – und wie es dazu kommen konnte, sei es das Wesen von Farben, die Kommunikation von Bäumen untereinander bzw. des Waldes insgesamt, Radioaktivität, deutsche und russische Literatur, Musik und der Tod. Immer wieder auch der Tod, der sich als zentrales Handlungsmotiv durch den Roman zieht.

Und immer, wenn sich der Roman von der Handlung ab- und einer dieser speziellen Fragen zuwendet, erreicht er seine stärksten Momente. Zwischen diesen Momenten flaniert der Leser dann durch wunderbar erzählte Alltäglichkeit, an deren Wirkung übrigens die erneut sehr gelungene Übersetzung von Paul Berf einen immensen Anteil hat. Und so wie man möglichst aufmerksam und aufgeschlossen durchs Leben gehen sollte, in Erwartung dessen, was es einem so bringt, so wandert man eben in tiefer Zufriedenheit durch diese wunderbar erzählte Alltäglichkeit und freut sich dennoch, wenn sie mal wieder von einem kleinen Exkurs unterbrochen wird.

Der Roman wirkt ein bisschen so, als hätte man das Gefühl verschriftlicht, das einen zuweilen beschleicht, wenn man beispielsweise an einem wolkenlosen, späten Sommerabend, den zu haben ich sehr bald wieder hoffe, in den Himmel blickt und man sich fragt, wie das denn bitte alles -das da oben und all das hier unten – eigentlich sein kann. Dieses Gefühl, wenn man merkt, dass man beim Gedanken an all das sehr schnell an seine zerebralen Grenzen gerät, man das eigene Verständnis sehr bald überschritten sieht.

„Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit“ ist ein bisschen wie ein literarischer Fluss aus Gold, in dem man beim Hindurchwaten hier und da einzelne schöne Edelsteine findet. Nun mag man sagen, dass es so etwas nicht gibt. Aber wer weiß das schon so genau!?

Ich danke dem Luchterhand Verlag für die freundliche Übersendung des Rezensionsexemplars. Die Tatsache, dass es sich um ein Rezensionsexemplar handelt, beeinflusst meine Meinung selbstredend nicht.

Weitere Rezensionen: „Wörter auf Papier“,

Demnächst in diesem Blog: Während der halben Ewigkeit, die ich für die Lektüre des Romans gebraucht habe, sind zahllose Bücher dazugekommen. Ich habe schlicht noch keine Ahnung, welchem ich mich als nächstes zuwende. Ich muss auch erst mal atmen.

abc.Etüden KW 6/7/8/9 2023 II

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

der folgende Beitrag zu den von Christiane organisierten Etüden zur Wortspende von Myriade liegt ausschließlich in mangelnder Impulskontrolle meinerseits begründet. Auf gehts!

„Na, wie siehts aus bei dir?“

„Ich habe kürzlich nachgedacht!“

„Ach was!?“

„Ja, kommt vor!“

„Und worüber?

„Ich habe einen Artikel in der Wochenendbeilage unserer Pampa-Lokalzeitung gelesen.“

„Worüber?“

„Über Kultur-Tafeln.“

„Ääääh …“

„Na, Kultur-Tafeln eben. Das Prinzip der Tafel sollte ja geläufig sein: Wirtschaftlich schwächere Menschen bekommen für einen schlanken Obolus Lebensmittel.

„Ja, klar.“

„Na, und eben so funktioniert das Konzept der Kulturtafeln auch. Nur dass halt statt Lebensmitteln übriggebliebene Eintrittskarten für Kulturveranstaltungen an bedürftige Menschen verteilt werden.“

„Find ich gut. Und nun?“

„Nun denke ich drüber nach, dass man das in unserer heimischen Pampa eigentlich auch mal anleiern müsste.“

„Tolle Idee? Und wie genau?

„Nun ja – es ist leider so, dass ich nicht gerade das Einmaleins der Organisationsgründung beherrsche, mangels Erfahrung.“

„Mit anderen Worten: Du weißt es nicht.“

„Ich weiß es nicht!“

„Na gut, dann: Wie viel infrage kommende Kulturveranstaltungen gibt’s denn in unserer heimischen Pampa so im Schnitt pro Monat?“

„Ich weiß es nicht.“

„Okay, ähm – dann frage ich vielleicht erst nach der Finanzierung, damit man damit keine roten Zahlen schreibt. Wie soll das Ganze also …“

„Ich weiß es nicht.“

„Halten wir fest: Eigentlich weißt du nichts, hältst es aber trotzdem für eine gute Idee?“

„Natürlich! Erstens: Dem Kulturbetrieb geht es spätestens seit der Pandemie nicht wirklich gut. Demnach hätten sowohl Kunstschaffende als auch Veranstalter wohl ein Interesse daran, lieber vor vollbesetzten Sälen aufzutreten als vor halb leeren. Zweitens: Während der Pandemie fiel mir auf, wie sehr man den Wegfall kultureller Veranstaltungen vermissen kann. Wie muss das dann erst Leuten gehen, die beispielsweise aufgrund schmaler Rente dauerhaft davon ausgeschlossen sind?“

„Auch wieder wahr.“

„Außerdem – ganz egozentrisch – würde mir eine solche Tätigkeit vielleicht die diffuse Frage, warum ich morgens aufstehe, beantworten.“

„Wie lautet denn deine jetzige Antwort auf diese Frage?“

„Ich weiß es nicht.“

„Oh.“

„Ja. Oh.“

300 Worte.