Buch: „Der Store“
Autor: Rob Hart
Verlag: Heyne
Ausgabe: Hardcover, 586 Seiten
Der Autor: Rob Hart hat als politischer Journalist, als Kommunikationsmanager für Politiker und im öffentlichen Dienst der Stadt New York gearbeitet. Er ist Autor einer Krimiserie und hat zahlreiche Kurzgeschichten veröffentlicht. »Der Store« ist sein erster großer Unterhaltungsroman. Derzeit ist er Verleger von MysteriousPress unter dem Dach von The Mysterious Bookshop in Manhattan. Rob Hart lebt mit Frau und Tochter auf Staten Island. (Quelle: Heyne)
Das Buch: Der Store liefert alles. Überallhin. Der Store ist Familie. Der Store schafft Arbeit und weiß, was wir zum Leben brauchen. Aber alles hat seinen Preis.
Paxton und Zinni lernen sich bei Cloud kennen, dem weltgrößten Onlinestore. Paxton hat dort eine Anstellung als Security-Mann gefunden, nachdem sein Unternehmen ausgerechnet von Cloud zerstört wurde. Zinnia arbeitet in den Lagerhallen und sammelt Waren für den Versand ein. Das Leben im Cloud-System ist perfekt geregelt, aber unter der Oberfläche brodelt es. Die beiden kommen sich näher, obwohl sie ganz unterschiedliche Ziele verfolgen. Bis eine schreckliche Entdeckung alles ändert. (Quelle: Heyne)
Fazit: Rob Harts Debütroman wird Gemeinsamkeiten mit „Schöne neue Welt“, „1984“ oder, wenn wir uns auf einen neueren Titel – und einen, den ich wenigstens auch gelesen habe – beschränken wollen, mit „Der Circle“ von Dave Eggers nachgesagt.
Große Fusstapfen also, in die Rob Hart mit seinem Roman da treten könnte. Leider sind die Schuhe von „Der Store“ dafür zu klein. Viel zu klein.
Hart versetzt uns mit seinem Roman in ein Amerika der (vermutlich) nahen Zukunft. Weite Teile der Welt sind mittlerweile wüst, öd und leer, hier und da lässt sich eine Geisterstadt bestaunen. Leben und arbeiten findet nahezu ausschließlich beim Megakonzern Cloud statt, der zu diesem Zweck riesige Areale mit Arbeits-, sowie Wohn- und Freizeiteinrichtungen und allem, was man sonst noch so braucht, zupflastert, und von wo aus die bei Cloud hergestellten Waren per Drohnen in alle Welt geliefert werden.
In einem dieser Zentren arbeiten Paxton, der sein Geschäft gerade wegen der übermächtigen Konkurrenz durch Clord schließen musste, sowie Zinnia, deren Motive anfangs im Dunkeln bleiben. Diese beiden Figuren stellen die Protagonisten dar und in der Tat sind praktisch alle anderen Charaktere zu vernachlässigen, denn mehr als Staffage sind sie nur selten. Als einzige Ausnahme sei hier noch Gibson Wells genannt, der mittlerweile schwer erkrankte Gründer und Eigentümer von Cloud.
Abwechselnd aus Paxtons und Zinnias Sicht schildert Rob Hart den Alltag in der Cloud, der, wen wundert es, geprägt ist von Arbeit und ständiger Überwachung. Unterbrochen werden diese Kapitel von Blogeinträgen von Gibson Wells, in denen er mehr zur Hintergrundgeschichte von Cloud und seinen Motiven erzählt.
Und selten konnte man über Protagonisten so wenig schreiben wie hier. Paxton und Zinnia sind mit einer minimalen Hintergrundgeschichte ausgestattet, die sie nicht im geringsten greifbarer macht und beide sind mir von Herzen egal. Wells dagegen, ein wirtschaftsliberales Ekelpaket, irgendwo zwischen Jeff Bezos und Christian Lindner, kann man wenigstens noch leidenschaftlich verabscheuen. Er zeichnet sich durch absolute Selbstsicherheit einerseits und totale Ahnungslosigkeit bezüglich des Lebens und der Bedürfnisse normaler Menschen andererseits aus, wirkt aber in jeglicher Hinsicht überzeichnet, stellt man sich doch bald eine Art Karrikatur aus Don Vito Corleone und Ernst Stavro Blofeld vor.
Auch inhaltlich stolpert der Roman zu häufig. Nach einem noch recht gefälligen Einstieg verflacht der Spannungsbogen im Laufe der Handlung zusehends, um erst gegen Ende des Buches wieder anzusteigen. Bis dahin wird das Leben bei und für Cloud zwar anschaulich geschildert, die Spannung bleibt dabei aber weitgehend auf der Strecke. Allerdings möchte ich nicht ausschließen, dass dieser Eindruck auch damit zusammenhängt, dass mir die Charaktere schlicht wurscht waren.
Dabei fallen dem aufmerksamen Leser immer wieder kleinere Logiklöcher in der Handlung auf. Wie auch schon die Bloggerkollegin Nicole Plath in ihrer Rezension, so bin auch ich über die Frage gestolpert: „Wenn die Welt da draußen so lebensfeindlich ist und die meisten Menschen bei Cloud arbeiten: An wen liefern die Drohnen die ganzen Waren und wer bezahlt sie wovon?“ Die einzigen Nichtbewohner der Cloud, die uns Hart in seinem Roman präsentiert, sind nämlich ein paar aufmüpfige Revolutionshillbillies, die nicht den Eindruck machen, als könnten sie sich etwas von Cloud leisten …
Dazu schleichen sich immer wieder sprachliche Schnitzer ein, und auch wenn manche meine Kritik daran vielleicht als überzogen empfinden, so haben sie mich doch empfindlich gestört. Da ist schon mal die Rede davon, „neben jemand anders“ aufzuwachen statt neben jemand anderem, und „wo“ ist für mich immer noch ein Wort, das im Zweifelsfall mit Ortsbestimmung zu tun hat, weswegen Textstellen wie „Wo sie schon dabei war, (…)“ (S.314) oder „(…) den Ort hier in einem Moment zu erleben, wo niemand unterwegs war.“ einen Tritt in die Weichteile meines Sprachempfindens darstellen. Insgesamt wirkt „Der Store“ stilistisch nicht sonderlich aufregend oder anspruchsvoll.
Rob Hart wollte nach eigener sinngemäßer Aussage einen Roman schreiben, in dem er die aktuelle Situation der amerikanischen Arbeitnehmer anprangert. Und das ist ihm auch gelungen. Warum er dann sein Setting, das dazu noch unausgereift ist, in die Zukunft verlegen musste, erschließt sich mir jedoch nicht. Auch ein Gegenwartssetting hätte sich schließlich wunderbar geeignet, um das Thema aufzugreifen. So muss sich „Der Store“ vorwerfen lassen, seine Intention zwar zu erfüllen, aber keine Vision für die Zukunft zu bieten, nichts was – anders als z. B. bei „Der Circle“, unabhängig davon, was man sonst von dem Buch hält – nennenswert von heute abweicht.
Letztlich scheitert Harts Roman somit an so ziemlich allen möglichen Fronten. Aufgrund des relativ einfach gehaltenen Stils hat man es aber dennoch ziemlich schnell durchgelesen. Und wer mit „Der Circle“ Freude hatte, hat diese vielleicht auch mit „Der Store“. Ich hatte sie eher weniger.
Ich danke dem Heyne-Verlag und dem Bloggerportal für die freundliche Übersendung des Rezensionsexemplars. Die Tatsache, dass es sich bei meiner Ausgabe um ein kostenloses Rezensionsexemplar handelt, beeinflusst meine Meinung selbstredend nicht.
Wertung:
Handlung: 6,5 von 10 Punkten
Charaktere: 5 von 10 Punkten
Stil: 6,5 von 10 Punkten
Atmosphäre: 8 von 10 Punkten
Gesamtwertung: 6,5 von 10 Punkten
Demnächst in diesem Blog: „Ein angesehener Mann“ von Abir Mukherjee.