Buch: „Schattenjunge“ (2016)
Autor: Carl-Johan Vallgren
Verlag: Heyne
Ausgabe: Taschenbuch, 400 Seiten
Der Autor: Carl-Johan Vallgren ist ein 1964 in Linköping geborener schwedischer Autor und Musiker. Im Alter von 20 Jahren ging Vallgren mit dem festen Entschluss, einen Roman zu schreiben, nach Indien und kehrte ein Jahr später mit einem halben Manuskript wieder zurück. Vallgren fand einen Verlag, der zu einem Vorschuss bereits war und so erschien 1987 das bisher nicht auf deutsch erhältliche Buch „Nomaden“.
In den Folgejahren lebte er unter anderem in Frankreich, Spanien, Dänemark und Deutschland. Bis heute sind elf Bücher von Vallgren erschienen, darunter der Roman „Geschichte einer ungeheuerlichen Liebe“ für den er im Jahr 2002 den August-Preis, die renommierteste schwedische Literaturauszeichnung, erhielt.
Das Buch: 1970: Jan Klingberg, Sohn einer mächtigen Wirtschaftsdynastie, ist mit seinen Söhnen Kristoffer und Joel unterwegs. An einem Bahnsteig verschwindet Kristoffer plötzlich spurlos. Die Polizei wird eingeschaltet, die Ermittlungen bleiben allerdings erfolglos, Kristoffer bleibt verschwunden.
2012: Über 30 Jahre später ist nun auch Joel Klingberg verschwunden. Seine Ehefrau Angela kontaktiert Danny Katz, einen alten Kollegen von Joel aus Militärzeiten, und bittet ihn, ihren Mann zu finden. Die Polizei unternimmt in dieser Angelegenheit nichts, da Klingberg sowohl bei seiner Firma als auch bei seiner Ehefrau seine vorübergehende Abwesenheit angekündigt hat. Angela glaubt dennoch, dass nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist.
Katz beginnt mit seinen Ermittlungen, kann erste Ergebnisse vorweisen und möchte sie seiner Auftraggeberin mitteilen. Als er zum vereinbarten Termin erscheint, findet er Angela jedoch tot in der Wohnung vor. In mehreren Zimmern sind Kleidungsstücke verstreut, seine Kleidungsstücke. Und das Messer, mit dem Angela erstochen wurde, ist zweifelsfrei sein Messer. Panisch ergreift Katz die Flucht.
An der Seite von Eva Westin, einer frühreren Jugendfreundin und heutigen Staatsanwältin, versucht Katz herauszufinden, in was er da hineingeraten ist.
Fazit: Es gilt weiterhin die von mir schon mehrfach erlangte Erkenntnis, dass skandinavische Krimis bzw. Thriller und ich einfach nicht gut zusammenpassen. So langsam glaube ich auch, dass das kein Zufall mehr sein kann. Dabei will ich ja sie wirklich mögen, ich hab es auch hier versucht.
Und das Ganze geht auch sehr spannend los, mit dem Verschwinden des jungen Kristoffer. Als Leser hofft man jetzt, dass durch spannende Ermittlerarbeit ein dunkles Geheimnis aufgedeckt und eine Erklärung für die Ereignisse um Kristoffer ans Tageslicht gefördert werden.
Zunächst beschäftigt sich Vallgren aber erst einmal intensiv mit seinen Protagonisten, und zwar sehr ausführlich. Das ist auch verständlich, schließlich soll „Schattenjunge“ der erste Roman einer ganzen Buchreihe sein, da sollte man Danny Katz und Eva Westin etwas näher kennenlernen. Die Handlung gerät dadurch aber schon sehr früh ins Stocken.
Darüber hinaus kann man anhand der Charaktere bereits einen der größten Schwachpunkte des Buches ausmachen: „Schattenjunge“ ist wirklich arg konstruiert. Praktisch alle wichtigen Hauptpersonen kennen sich aus grauer Vorzeit irgendwie gegenseitig und treffen jetzt, auch wenn sie sich Jahrzehnte nicht gesehen haben, zufällig wieder aufeinander. Ja, nee, is klar…
Und nicht nur die konstruierten Verbindungen der Charaktere untereinander fielen mir unangenehm auf. Auch die Vorgeschichte der Charaktere wirkt eher speziell. Danny Katz war in seiner Jugend Junkie, wurde kriminell, saß im Knast und anschließend auf der Straße. Danach machte er trotz allem eine Karriere beim Militär und ist heute selbständig tätig. Eva Westin hat in jungen Jahren ebenfalls eine Drogenkarriere hinter sich gebracht und ist heute immerhin Staatsanwältin. Als repräsentativ dürften diese Lebensläufe nicht gelten. Darüber hinaus lassen sich Vallgrens Charaktere ganz deutlich in zwei Gruppen teilen: Auf der einen Seite die Reichen und Mächtigen wie die Familie Klingberg, auf der anderen Seite alle anderen, die alle irgendwie aus schwierigen Verhältnissen stammen. Solche Schwarz-Weiß-Malerei gefällt mir nur selten bis nie.
Nachdem sich Vallgren intensiv mit seinen Protagonisten beschäftigt hat, widmet er sich dann auch der Haupthandlung. Und die enthält eine Fülle von Themen: Drogensucht, Wirtschaftskriminalität, Armut, Militär, Geheimdienste, Nationalsozialismus, Voodoo, und, und, und… Dabei verzettelt sich der Autor allerdings leider in der Themenfülle. Entweder, die angesprochenen Themen sind für die Handlung vollkommen irrelevant, oder aber sie werden nur oberflächlich behandelt, oder aber es klingt wie auswendig gelernt und runtergebetet, wenn sich Vallgren mit ihnen beschäftigt, so zum Beispiel beim Thema Voodoo.
Und während der Autor seine Handlung nun also zwischen Wirtschaftskriminalität und Voodoo wie durch Stromschnellen aufkommender Langeweile hindurchmanövriert, fällt dem Leser irgendwann auf, dass dem Buch etwas Elementares fehlt, nämlich die Spannung. So habe ich die Geschehnisse um Danny Katz und die Familie Klingberg praktisch gänzlich emotionslos verfolgt, habe keinen Charakter gefunden an dessen Schicksal mir etwas lag und war von der Auflösung der Geschichte auch alles andere als angetan.
Fairerweise muss man sagen, dass „Schattenjunge“ Vallgrens erster Thriller war und es sich bei ihm, Vallgren, um einen Bestseller-Autor handelt, vielleicht habe ich also auch einfach nur einen Wahrnehmungsfehler, oder schlicht keine Ahnung. Gerüchten zufolge soll der Nachfolgeroman „Schweine“ übrigens wesentlich besser sein. Allerdings enthält die sechszeilige Buchbeschreibung Worte wie „Perversion“, „Gewalt“, „Drogensumpf“ und „Abscheulichkeit“ und die Zeitung Göteborgs-Posten schreibt über den Nachfolger: „Brutal und rabenschwarz. Eine fast schmerzhafte Lektüre.“
Ob ich das brauche? Ich denke, nein!
Wertung:
Handlung: 6 von 10 Punkten
Charaktere: 6 von 10 Punkten
Stil: 8 von 10 Punkten
Spannung: 5 vom 10 Punkten
Gesamtwertung: 6,25 von 10 Punkten
Demnächst in diesem Blog: „Freiheit der Schmetterlinge“ von Susan Mennings.