Mehr als ein Krimi – „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ von Joel Dicker

Buch: „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“

Autor: Joel Dicker

Verlag: Piper

Ausgabe: Taschenbuch, 727 Seiten

Der Autor: Der in Genf 1985 geborene Joel Dicker veröffentlichte dieses Buch im Jahre 2012 im Alter von gerade mal 27 Jahren, was mich, wie ich zähneknirschend zugeben muss, vor Neid erblassen lässt. Nach einer 2005 erschienenen Novelle ist „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ Dickers erster Roman. Ich hoffe doch sehr, dass diesem noch viele weitere folgen werden.

Das Buch: Der junge Schriftsteller Marcus Goldmann ist der neue Stern am Literaturhimmel von New York. Sein Debüt-Roman verkaufte sich außergewöhnlich erfolgreich. Goldmann genießt das Leben, feiert Partys und schiebt alle Gedanken an sein nächstes Buch möglichst weit von sich. Erst als sowohl sein Verleger als auch sein Agent beginnen, Druck auf ihn auszuüben, sieht sich Goldmann gezwungen, mit der Arbeit an seinem zweiten Roman zu beginnen – und findet sich kurz danach in einer massiven Schreibblockade wieder. Auf der Suche nach Inspiration beschließt er daher, in die kleine Stadt Aurora zu fahren. Dort lebt Harry Quebert, seit Goldmanns Studienzeit eine Art Mentor und väterlicher Freund für den jungen Nachwuchsschriftsteller – und außerdem weltbekannter Bestsellerautor. Im Hause von Quebert hofft Marcus, Ideen für sein neues Werk zu bekommen.

Dann wird bei Gartenarbeiten auf dem Grundstück Queberts eine Leiche gefunden. Schnell stellt sich heraus, dass es sich dabei um die vor 33 Jahren verschwundene Nola Kellergan handelt. Quebert gerät unter Mordverdacht und wird festgenommen. Als er gegenüber der Polizei zugibt, im Jahr 1975, als 34-jähriger, eine Liebesbeziehung mit der damals 15 Jahre alten Nola gehabt zu haben, ist der Skandal perfekt. Eine Verurteilung Queberts wegen Mordes scheint unausweichlich.

Goldmann jedoch glaubt an die Unschuld seines Idols und begibt sich in Aurora auf die Suche nach der Wahrheit…

Fazit: Nachdem ich ein Buch gelesen habe und schon weitestgehend weiß, was ich darüber schreiben möchte, begebe ich mich gerne auf die Suche nach anderen Rezensionen, unter anderem auch auf der Homepage eines großen Online-Versandhandels mit „A“ und angeblich zweifelhaften Arbeitsbedingungen. So auch in diesem Fall. Und siehe da, selten wurde ein Buch wohl so kontrovers bewertet wie dieses. Ich schließe mich diesmal ausnahmsweise der Meinung der Mehrheit an: Ich finde es großartig! Warum? Nun unter anderem wegen

des Stils: Dickers Stil ist einfach und daher unkompliziert zu lesen. Das kann man kritisch sehen. Allerdings erwarte ich in einem Kriminalroman auch keine Satzkonstruktionen à la Thomas Mann oder Marcel Proust. Vielmehr wurde mir als Leser dadurch erst ermöglicht, den immerhin über 700 Seiten langen Wälzer zügig zu verschlingen!

der Erzählweise: Marcus Goldmann führt zahlreiche Gespräche mit den Einwohnern Auroras, um dem Schicksal Nolas auf die Spur zu kommen. Aus der Sicht der einzelnen Personen wird dann in Rückblenden erzählt, was sich damals zugetragen hat. Stück für Stück fügt sich dann alles zu einem Gesamtbild zusammen. Dabei war ich als Leser niemals schlauer als Goldmann selbst, stattdessen stellte ich mir häufig die selben Fragen wie Goldmann und freute mich, wenn diese geklärt wurden. Dabei verzeihe ich Mr. Dicker auch solche „Kunstgriffe“ wie rückwärts nummerierte Kapitel (das ist nun wirklich nicht neu) und ähnliche Kleinigkeiten.

der Charaktere: Der Bereich der Charaktere deckt qualitativ alles ab. Nur wenige blieben meiner Meinung nach recht blass, wie der Bibliotheksmitarbeiter Erne Pinkas, viele machten mir eine Riesenfreude, wie der schmierige Verleger Roy Barnaski und lediglich die Mutter von Marcus Goldmann wirkt in ihrer gluckenhaften Art hoffnungslos überzeichnet, auch wenn das eine gewisse Zeit lang noch komisch wirkt. Alles in allem werden mir aber viele der im Buch auftauchenden Chraktere nachhaltig im Kopf bleiben.

des Inhalts: „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ ist kein „normaler“ Krimi. In einem „normalen“ Krimi kann ich irgendwann raten, wie das Ganze ausgeht, wer wann was gemacht hat und manchmal habe ich dann auch Glück und liege damit richtig. In diesem Buch kann man alle Mutmaßungen, die man zwischendurch anstellt aber auch mal ganz schnell und getrost vergessen. Man kommt sowieso nicht darauf, wie das Buch endet. Vielleicht erscheint der Plot dem einen oder anderen Leser arg konstruiert, und das ist er auch. Aber er ist eben gut konstruiert. Mehrmals habe ich meine Meinung über Figuren revidieren müssen, nichts und niemand stellt sich letztendlich so heraus, wie er/sie/es anfangs erscheint und und der Autor wartet mit einem Füllhorn an unvorhersehbaren Überraschungen auf. Das mag ich! ;-)

Letztlich ist „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ mehr als „nur“ ein Krimi. Es ist eine Satire über das moderne Verlagswesen. Es ist ein Buch über Bücher. Es ist ein Buch über unerfüllte Träume. Und es ist ein Buch über die eine große Liebe, die uns im Verlauf unseres Lebens vielleicht nur vergönnt ist. Meine Empfehlung daher: Wer Krimis mit wendungsreicher Handlung mag und vor dem Umfang des Buches nicht zurückschreckt, sollte diese Buch unbedingt lesen.

Nicht, dass es hinterher heißt, Ihr hättet von nichts gewusst!

Wertung: 9 von 10 möglichen Punkten

6 Antworten auf „Mehr als ein Krimi – „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ von Joel Dicker

  1. Weiß ich auch nicht Fraggle, vielleicht auch eine Täuschung meines kleinen Geistes. Tut mir auch leid, dass ich eher selten hier reinschaue. Hab soviel zu tun und dann noch dauern Arzttermine. Aber ich komme immer wieder vorbei.

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    1. Schon okay, Kenia! Tägliches Erscheinen ergibt ja auch nicht viel Sinn, wenn ich nicht täglich etwas Neues schreibe! ;-)
      Na, angesichts der dauernden Arzttermine wünsche ich mal von Herzen Gute Besserung!!!

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  2. Mönsch Fraggle, wann liest Du all die Bücher ? Ein Tag hat doch auch bei Dir nur 24 Std. oder ?
    Die Beschriebung erinnert mich an ein Buch oder Film. Aber es fällt mir natürlich nicht ein, was es war.

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    1. Ooch, das passt schon, so´n Buch hat ja auch nur 300 bis 800 Seiten, oder so!? ;-)

      Mich hat das Buch inhaltlich sehr an den Film „Lolita“ mit Jeremy Irons und Dominique Swain erinnert. Ich schätze aber nicht, dass Du den meinst!?

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