„Die Geschichte der Baltimores“ von Joel Dicker – Die Goldmann-Gang

Buch: Die Geschichte der Baltimores (2016)

Autor: Joel Dicker

Verlag: Piper

Ausgabe: Gebunden, 510 Seiten

Der Autor: Joel Dicker ist ein 1985 in Genf geborener Schweizer Autor. Nach einem einjährigen Schauspielstudium in Paris beschloss Dicker, in Genf ein Jurastudium zu beginnen, das er 2010 erfolgreich beenden konnte.

Nach einer Novelle und einem ersten Roman (beide nicht auf deutsch erschienen), wurde 2013 in Deutschland sein zweiter Roman „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ veröffentlicht. Dieses Buch erhielt zahlreiche Preise, wurde in über 30 Sprachen übersetzt und millionenfach verkauft.

Nach diesem Überrschungserfolg führt Dicker nun mit „Die Geschichte der Baltimores“ die Erlebnisse seines Protagonisten Marcus Goldmann fort. Ich wage einfach mal die Prognose, dass sich dieses Buch einer ähnlichen Beliebtheit bei der weltweiten Leserschaft erfreuen wird wie sein Vorgänger.

Das Buch: Marcus Goldmann ist ein erfolgreicher Schriftsteller. Um sein neuestes Buch in aller Ruhe und Abgeschiedenheit schreiben zu können, hat sich Goldmann ein Haus in Florida gekauft. Dann kommt jedoch alles anders.

Goldmann läuft ein Hund zu. Beim Versuch, die Besitzer des Tieres zu finden, stellt sich heraus, dass der Hund Alexandra Neville gehört, einem gefeierten Popstar – und bis vor acht Jahren Goldmanns Freundin.

Durch diese Begegnung erinnert sich der Schriftsteller an seine eigene Vergangenheit und an die der Familie Goldmann. Da gab es die Goldmanns aus Baltimore, bestehend aus Marcus´ Onkel Saul, seiner Tante Anita und seinen Cousins Hillel und Woody.  Die „Baltimores“ sind reich, berühmt und priviligiert.

Und da gab es die Goldmanns aus Montclair, bestehend aus Marcus und seinen Eltern. Die „Montclairs“ sind das genaue Gegenteil von reich, berühmt und priviligiert.

Inspiriert von der Begnung mit Alexandra, erzählt Goldmann die Geschichte der Baltimores und die der Montclairs – die eine glückliche sein könnte, gäbe es da nicht das Ereignis, dass das Schicksal der Familie für immer veränderte und von allen nur als „die Katastrophe“ bezeichnet wird…

Fazit: Im Jahr 2014 habe ich bereits Dickers ersten auf deutsch erschienenen Roman „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ gelesen und war davon ziemlich beeindruckt. Die Einschätzung meiner Buchhändlerin, dass besagtes Buch „schon so ein paar Längen“ gehabt habe, kann ich bis heute nicht nachvollziehen, weswegen ich seinerzeit wegen dieser Bemerkung auch fast bewusstlos vor Empörung geworden wäre.

Aber genug vom Vorgänger, kommen wir zu Dickers aktuellem Buch.

Dicker erzählt „Die Geschichte der Baltimores“ unter Verwendung vieler Zeitsprünge. Bereits zu Beginn des Buches erfährt der Leser von „der Katastrophe“ die über die Familie Goldmann hereingebrochen ist. Die damit aufgebaute Spannung behält Dicker auf den folgenden 500 Seiten durchgehend bei. Dabei führen die Zeitsprünge nicht etwa zur Verwirrung beim Leser – schließlich sind sie datiert – sondern eher dazu, dass sich das Gesamtbild um „die Katastrophe“ erst nach und nach erschließt. Erst zum Ende hin fügen sich dann die Einzelteile der Handlung puzzleartig zu einem beeindruckenden Ganzen zusammen.

Dieser Art des Erzählens bediente sich Dicker bereits bei „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“, was mir damals bereits sehr gut gefallen hat. Die Erzählweise führt dazu, dass man niemals schlauer ist als der Protagonist selbst. Dabei baut der Autor eine Vielzahl von dem ein, was man heute so fürchterlich „cliffhanger“ nennt, was es dem Leser wirklich schwer macht, an einer Stelle einfach aufzuhören.

Dickers Stil gefiel mir dabei in „Die Geschichte der Baltimores“ noch besser als im Vorgänger. Ich hatte das Gefühl, dass wirklich jeder Satz und jedes Wort genau da steht, wo er hingehört und man auch nichts hätte entfernen können, ohne das große Ganze zu beschädigen. Großes Kino!

Die Handlung selbst kommt dabei unaufgeregter, ruhiger und nichtsdestotrotz durchgehend spannend daher. Anfangs beschreibt Dicker Marcus´ Kindheit, die dieser zum großen Teil mit und bei seinen Cousins Hillel und Woody – später gehört auch Alexandra dazu – verbracht hat. Dabei verströmt dieser Teil des Buches die angenehme Wohlfühl-Atmosphäre der 80/90er-Jahre-Serie „Wunderbare Jahre“. (Dabei fällt mir ein, was macht eigentlich Danica McKellar heute? Hach, was fand ich die in besagter Serie toll!)

Erst im Laufe der Zeit merkt man, wie langsam der Schatten „der Katastrophe“ auf die Handlung fällt. Und auch wenn man als Leser befürchtet, dass das alles unmöglich ein gutes Ende nehmen kann – man liest trotzdem weiter, weil man es wissen will!

Auch die Charaktere sind Dicker hervorragend gelungen, auch wenn dieser Bereich der einzige wäre, in dem man möglicherweise Kritik anbringen könnte – was ich aber nicht will! Würde ich etwas an den Charakteren kritisieren wollen, dann dass der Unterschied zwischen den Baltimores und den Montclairs schon sehr schwarz-weiß gezeichnet wird. Und dass die Charaktere in der Mehrzahl schon wirklich unwirklich erfolgreich sind: Onkel Saul ist berühmter Anwalt, Tante Anita eine geachtete und kompetente Ärztin, Hillel ist hochbegabt, Woody hat eine glanzvolle Sportlerkarriere in der NFL vor sich, Alexandra ist Popstar und Marcus ein gefeierter Besteller-Autor. Das ist in der Menge dann doch schon ein bisschen dolle viel aufgetragen! Das alles würde ich kritisieren, wenn es mich stören würde. Was es nicht tut, deswegen tue ich´s nicht! ;-)

Insgesamt ist „Die Geschichte der Baltimores“ ein wirklich wunderbarer und unterhaltsamer Roman, der meinetwegen gerne die doppelte Seitenzahl hätte haben dürfen. Auch wenn er dann vielleicht „schon so ein paar Längen“ gehabt hätte…

Wenn nichts außergewöhnliches mehr passiert, ist „Die Geschichte der Baltimores“ mein persönliches „Buch des Jahres“ und eine unbedingte Leseempfehlung!

Wertung:

Handlung: 10 von 10 Punkten

Stil: 10 von 10 Punkten

Charaktere: 10 von 10 Punkten

Atmosphäre: 10 von 10 Punkten

Gesamtwertung: Unfassbare 10 von 10 Punkten!

Demnächst in diesem Blog: „Corpus Delicti“ von Juli Zeh

 

8 Antworten auf „„Die Geschichte der Baltimores“ von Joel Dicker – Die Goldmann-Gang

  1. Nach geduldiger Suche in den Tiefen deiner Seite (SCHLAG mit dem Zaunpfahl 😉) habe ich doch noch deine Rezension zu den Baltimores entdeckt (und festgestellt, deine heutigen gefallen mir besser. Okay, 7 Jahre sind 7 Jahre).
    Dieses Buch kommt auf die Liste der Bücher mit + 500 Seiten, die ich fast in einem Rutsch durchgelesen habe. Okay, ich hatte Muße, was immer ein wichtiger Faktor ist, aber trotzdem ist das in den letzten Jahren extrem selten passiert, dass ich ein so umfangreiches Buch angefangen habe und nicht mehr aufhören wollte, weil ich mich so liebenswürdig und spannend unterhalten fühlte und unbedingt wissen wollte, wie es weiter-/ausgeht – und warum. Obwohl ich dir recht gebe, dass die Guten ein bisschen zu gut sind und die heile Welt ein bisschen zu heil ist. Ich kann aber auch das Bedürfnis verstehen, in den Honigtopf zu greifen. Und Längen – phhh!
    Du, der du dich im Dicker-Kosmos auskennst: Was empfiehlst du mir als Nächstes? Stephanie Mailer oder Zimmer 622 oder noch was anderes?
    Vormittagskaffeegrüße 🌥️🌳🌼☕🍪

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    1. Aaaaalso – zunächst mal gebe ich dir recht: Meine heutigen Rezensionen gefallen mir auch besser und so manchen fiesen Verriss aus meiner Anfangszeit würde ich heute so nicht mehr schreiben.

      Wenn Stephanie Mailer und Zimmer 622 die einzigen sind, die dir noch fehlen (?), dann muss ich sagen, dass beide eigentlich nicht an die Goldann-Geschichten rankommen, ich beide aber trotzdem gerne gelesen habe. Ich würde vorschlagen, zunächst „Die letzten Tage unserer Väter“ zu lesen, das durchaus Schwächen hat, die ein Debüt nun mal hat, dann mit Zimmer 622 weiterzumachen, das ich zwar durchaus gerne gelesen habe, aber Stephanie Mailetär ist objektiv gesehen das bessere Buch. Deshalb würde ich das als Abschluss nehmen.

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    1. Also, falls ich Dich dazu bringen sollte, mal wieder ein Buch zu lesen…, dann habe ich meine Mission erfüllt, dann freu ick mir ooch! ;-) Ob es jetzt zwingend dieses sein muss, weiß ich nicht, da ich ja keine Gewähr dafür übernehme, dass das was mir gefällt, auch anderen gefällt. Aber es KÖNNTE schon Dein Geschmack sein, soweit ich das aus spärlichen Informationen beurteilen kann,

      Und wenn nicht, dann wartest Du einfach auf meine Rezension von Juli Zehs „Corpus Delicti“ und den darauf folgenden Fantasy-Roman! :-)

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        1. Dann, ja DANN könntest Du das Buch mögen! ;-) Als Einstieg würde ich den Vorgänger „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ vorschlagen. Erstens, weil der Autor dringend das Geld braucht, um weiter zu schreiben, ;-) und zweitens, weil es… öhm,…, günstiger ist als das gebundene Buch über die Baltimores! :-)

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          1. Die Geschichte muss es natürlich auch wert sein, zusammengepuzzelt zu werden :D Da hab ich aber nicht wirklich Bedenken^^
            Okay, ich fülle mal meine Wunschliste – vielen Dank :)

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