„Die Tyrannei des Schmetterlings“ von Frank Schätzing – Vielschichtig

Buch: „Die Tyrannei des Schmetterlings“

Autor: Frank Schätzing

Verlag: Kiepenheuer & Witsch

Ausgabe: Hardcover, 728 Seiten

Der Autor: Frank Schätzing, geboren 1957 in Köln, veröffentlichte 1995 den historischen Roman »Tod und Teufel«, der zunächst zum regionalen, später bundesweit zum Bestseller avancierte. Nach zwei weiteren Romanen und einem Band mit Erzählungen sowie dem Thriller »Lautlos« erschien im Frühjahr 2004 der Roman »Der Schwarm«, der seit Erscheinen eine Gesamtauflage von 4,5 Millionen Exemplaren erreicht hat und weltweit in 27 Sprachen übersetzt wurde. Es folgten die internationalen Bestseller »Limit« (2009) und »Breaking News« (2014). Im Frühjahr 2018 erscheint Frank Schätzings neuer Thriller »Die Tyrannei des Schmetterlings«. Frank Schätzing lebt und arbeitet in Köln. (Quelle: Kiepenheuer & Witsch)

Das Buch: Kalifornien, Sierra Nevada. Luther Opoku, Sheriff der verschlafenen Goldgräberregion Sierra in Kaliforniens Bergwelt, hat mit Kleindelikten, illegalem Drogenanbau und steter Personalknappheit zu kämpfen. Doch der Einsatz an diesem Morgen ändert alles. Eine Frau ist unter rätselhaften Umständen in eine Schlucht gestürzt. Unfall? Mord? Die Ermittlungen führen Luther zu einer Forschungsanlage, einsam gelegen im Hochgebirge und betrieben von der mächtigen Nordvisk Inc., einem Hightech-Konzern des zweihundert Meilen entfernten Silicon Valley. Zusammen mit Deputy Sheriff Ruth Underwood gerät Luther bei den Ermittlungen in den Sog aberwitziger Ereignisse und beginnt schon bald an seinem Verstand zu zweifeln. Die Zeit selbst gerät aus den Fugen. Das Geheimnis im Berg führt ihn an die Grenzen des Vorstellbaren – und darüber hinaus. (Quelle: Kiepenheuer & Witsch)

Fazit: Heda, werte Leserschaft. Nachdem meine Rezensionspause nun ziemlich genau einen Monat gedauert hat, ist es Zeit, sie zu beenden. Ich wollte zwar erst 40 Tage daraus machen, das erschien mir aber nach genauerem Nachdenken irgendwie blasphemisch. :-) Das soll uns aber an dieser Stelle gar nicht weiter interessieren, richten wir den Blick auf Herrn Schätzing und sein neuestes Werk.

Frank Schätzing und mich, uns verbindet eine komplizierte Autor-Leser-Beziehung. Zudem eine, von der der Autor noch nicht mal etwas weiß. Wüsste er allerdings darum, wäre es ihm vermutlich auch egal. Dabei war unsere Autor-Leser-Beziehung über Jahre hinweg eigentlich recht unbelastet. Ich hatte schon ziemlich früh die Romane des Schriftstellers entdeckt und fühlte mich ausnahmslos gut von ihnen unterhalten. Dann erschien „Der Schwarm“ – ein Buch, dessen Lektüre ich heute noch jedem, an dem es bislang vorbeigegangen sein könnte, nahelegen möchte, weil es schlichtweg genial ist – und ich war begeistert.

Danach aber…

Für „Limit“ habe ich vier Anläufe gebraucht – und es bis heute nicht zu Ende gelesen. Sicher, ich hätte es handhaben können, wie eine ganz zauberhafte Person, der ich das Buch leihweise überließ und die mir nach etwa zwei Tagen mitteilte, sie habe die Lektüre dieses über 1.300 Seiten umfassenden Buches abgeschlossen. Auf meine irritierte Nachfrage, wie das denn möglich sei, hieß es sinngemäß: „Was mich nicht interessiert hat, habe ich überblättert!“ :-) Wie gesagt, das kann man so handhaben, mein Ansatz ist es indes nicht.

Auch der auf „Limit“ folgende Roman „Breaking News“ hatte es bei mir schwer und wurde erst kürzlich, etwa vier Jahre nach Erscheinen, durchgelesen.

Diese Bücher haben aus meiner Sicht ein signifikantes Problem: Sie sind – und ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal sagen würde – zu lang!

Umso wohltuender ist es, dass Schätzings neuestes Buch „nur“ mit einem Umfang von knapp 730 Seiten aufwartet. Das bedeutet folgerichtig, dass die Längen die „Limit“ und „Breaking News“ aufgrund ihrer, hm, Länge hatten in „Die Tyrannei des Schmetterlings“ meiner Meinung nach deutlich weniger auftauchen. Ganz ohne Fehl und Tadel ist Schätzings neuester Streich dann aber doch nicht.

Da wäre beispielsweise der Stil zu nennen. Schätzing versteht es durchaus – als Beweis möchte ich hier mal „Der Schwarm“ anführen -, meisterhaft zu erzählen ohne sich in komplizierte Satzgebilde Mannscher Ausmaße flüchten zu müssen, so dass man als Leser geradezu durch die Seiten fliegt. Und auch im vorliegenden Buch ist das so. Dann aber versteigt sich der Autor dazu, teils ausufernde Beschreibungen der Natur und der Atmosphäre als solcher einzufügen, die im Laufe der Zeit und mit immer häufigerem Auftreten immer ermüdender werden. Auch, weil sie meiner Meinung nach so gewollt wirken. Schätzing kann doch, wie eben erwähnt, gut erzählen. Warum er daher hier so ins Lyrisch-Poetische abdriftet, kann ich nicht so wirklich nachvollziehen. Schätzing ist Schätzing und nicht Novalis, sonst hätte er, um mal beim Thema „Tyrannei“ zu bleiben, geschrieben:

„Und sollen immer denn Tyrannen
Beherrschen unser Wohl und Leid
Erhöhen, wenn sie Redliche verbannen
Die Niederträchtigkeit!“

Von den erwähnten Passagen abgesehen, liest sich der Roman aber so gut, wie man das vom ihm gewohnt ist. Naturgemäß versteht der Autor eines ganz besonders, nämlich der Leserschaft auf unterhaltsame Weise Wissen zu vermitteln. Sei es die Meeresbiologie in „Der Schwarm“, der Mond und der Weltraum in „Limit“, die Geschichte Israels und des Nahostkonflikts in „Breaking News“ oder eben die KI-Forschung in „Die Tyrannei des Schmetterlings“, Schätzing beherrscht die Kunst, seinen Lesern Kenntnisse und Wissen zu vermitteln, ganz hervorragend. Natürlich muss man als Leser auch bereit sein, dieses Wissen aufzunehmen. Unzählige  Wahlergebnisse der jüngeren Vergangenheit lassen ja darauf schließen, dass es bei den Menschen nicht weit her ist, mit der Bereitschaft, Wissen und Kenntnisse zu erlangen. Aber lassen wir das. Ich jedenfalls finde insbesondere diese informativen Abschnitte des Buches sehr gut gelungen, auch stilistisch.

Bei einem Blick auf die Charaktere in Schätzings Büchern wurde in der Vergangenheit der Eindruck deutlich, dass dieser Bereich jetzt nicht so zu seinen Stärken gehört. In seinem neuesten Roman ist das glücklicherweise anders. Ich habe jedenfalls keine Totalausfälle jeglicher Art unter den Charakteren feststellen können, im Gegenteil, mit Ruth Underwood, so etwas wie der rechten Hand des Protagonisten, hat Schätzing eine ganz wunderbare Nebenfigur geschaffen, die mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird.

Bliebe letztlich noch die Geschichte selbst. Und für die muss man ein wenig Zeit und, bitte, auch ein wenig Aufmerksamkeit mitbringen. Die Geschehnisse beginnen irgendwann, relativ verschachtelt daherzukommen und da könnte man unter Umständen ein wenig den Überblick verlieren, wenn man nicht genau bei der Sache ist. Grundsätzlich überzeugt die Geschichte mich vollumfänglich, verstehe aber die Leute, die ein Problem damit haben, dass sie teilweise ein wenig in Science-Fiction ausartet. Ich persönlich mochte das sehr, brachte auch von Anfang an die Bereitschaft mit, Herrn Schätzing auf seinem Trip zu begleiten, wo auch immer mich der hinführen möge. Wer es etwas handfester und bodenständiger mag, der ist beim „Schwarm“ oder den „Breaking News“ vielleicht ein wenig besser aufgehoben, wer sich in der Vergangenheit schon gut von Schätzungs Büchern unterhalten fühlte, der macht auch mit „Die Tyrannei des Schmetterlings“ nichts verkehrt.

Wertung:

Handlung: 9 von 10 Punkten

Charaktere: 9 von 10 Punkten

Stil: 7,5 von 10 Punkten

Atmosphäre: 9 von 10 Punkten

Gesamtwertung: 8,625 von 10 Punkten

Demnächst in diesem Blog: „Vor dem Fall“ von Noah Hawley.

20 Antworten auf „„Die Tyrannei des Schmetterlings“ von Frank Schätzing – Vielschichtig

  1. Deine Meinung deckt sich so ziemlich mit meiner.
    Ich habe die ersten 150 Seiten mit der verschwurbelten Sprache gekämpft und damit, dass relativ wenig passierte. Dann hatten der SChätzing und ich uns aneinander gewöhnt und die Story verfing bei mir. Ich gabe Dir auch recht damit, dass man das Buch konzentriert und aufmerksam lesen muss, für nebenbei ist das nichts. Unterm Strich fand ich das Thema toll und die Umsetzung insgesamt doch gelungen und hab das Buch sehr genossen.
    Übrigens ging es mir auch wie Dir so, dass ich „Der Schwarm“ total geliebt habe (soll ja jetzt eine Serie beim ZDF draus werden, hab ich gelesen), durch „Limit“ hab ich mich zäh durchgearbeitet und ins Hörbuch zu „Breaking News“ bin ich gar nicht reingekommen. Das ruht hier jetzt und wartet auf bessere Zeiten. Was war ich froh, dass der Schmetterling mich wieder packen konnte.

    LG Gabi

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    1. Ich habe nach wie vor keine Ahnung, warum Schätzing da so vehement einen auf blumigen Stil machen musste, aber irgendwann hat man sich tatsächlich daran gewöhnt und nimmt es nur noch hin. ;-) Glücklicherweise reicht dieser Stil nicht, den eigentlich guten Gesamteindruck des Buches zu versauen.

      Dass aus „Der Schwarm“ eine Serie werden soll, lese ich jetzt zum ersten Mal, wahrscheinlich auch deswegen, weil ich nicht so serienaffin bin. Mir hätte eine Verfilmung wohl besser gefallen, aber ich werde das mal mit Interesse weiterverfolgen.

      Meine Erfahrungen mit Hörbüchern liegen etwa bei null, aber ich weiß wirklich nicht, ob „Breaking News“ etwas ist, was man sich als Hörbuch zu Gemüte führen sollte. Bei mir persönlich würde da zu wenig hängen bleiben. Aber ich kann es trotzdem wärmstens empfehlen, die Story – und insbesondere die Hintergründe zum Naohostkonflikt – sind es wirklich wert erzählt – und angehört – zu werden. :-)

      Liebe Grüße zurück und einen schönen Restabend noch. :-)

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      1. Das ist erst vor wenigen Tagen online an mir vorbei geflattert, dass das ZDF eine mehrteilige Serie daraus machen will. Eigentlich habe ich immer auf eine Kino-Verfilmung des Schwarms gewartet. Das stand auch immer mal wieder im Raum, scheiterte aber mal an der Finanzierung und dann daran, dass sich niemand zutraute, die Fülle an Stoff in einen einzigen Spielfilm zu pressen (das hab ich immer mal in irgendwelchen Online-Artikeln gelesen). Vermutlich kam man dann auf die Idee einer Serie wegen der vielen Dinge, die im Schwarm erzählt werden und so mehr Zeit bekommen, ausführlich behandelt zu werden. Da gibt’s ja schon einige Erzählstränge und das muss ein Regisseur erst mal in den Griff bekommen. Ich hoffe auf einen Mehrteiler in Spielfilmlänge pro Episode, aber dazu hab ich noch nichts gehört.

        Dass Dir „Breaking News“ doch gut gefallen hat, höre ich sehr gerne. Vielleicht lag’s auch an mir, dass ich mit dem Hörbuch Probleme hatte. Ich höre nicht so viele und es mag sein, dass ein Schätzing-Buch für eine Hör-Version nicht so gut geeignet ist und ich mir lieber den Print organisieren sollte. Auf jeden Fall werde ich dem Buch noch eine Chance geben.
        LG und ein schönes Wochenende.
        Gabi

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  2. Huhu Fraggle, Limit habe ich von der ersten bis zur letzten Seite gelesen. Aber ich muss zugeben, dass es nicht so einfach war. Danach könnte ich zustimmen, dass man einige Seiten überblättern kann. Schätzing lässt sich teilweise extrem lange über wissenschaftliche Dinge aus, die vielleicht interessant sein mögen, aber ehrlich ich muss nicht alles wissen. Trotzdem lese ich ihn immer wieder gerne und erinnere mich an ein Interview mit ihm, wo er gefragt wurde ob er verpflichtet ist nur lange Bücher zu schreiben. Ich werde mit dieses Buch auf jeden Fall auch zulegen. Und Fraggle liest Du eigentliche Deine Mails ? Oder antwortest Du mir mit Absicht nicht ?
    Trotzdem liebste Grüße
    Kenia

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    1. Hey, liebste Kenia,

      schön, Dich mal wieder zu lesen! Was meine Mails angeht: Doch, die lese ich und habe auch Deine gelesen. Ich bin mir meiner Schuldigkeit bezüglich der ausgebliebenen Antwort bewusst und gelobe Besserung, tut mir leid. Im Laufe der Woche wirst Du noch etwas von mir lesen. ;-)

      Stimmt, Schätzing breitet sich in wissenschaftlicher Hinsicht schon manchmal recht lange aus, für mich ist das aber einer der zentralen Gründe, seine Bücher zu lesen. Man lernt halt etwas dabei. Ich kann aber auch jeden verstehen, der die entsprechenden Stellen überblättert. ;-) Falls Du Dir Schätzings neues Buch zulegst, wünsche ich viel Vergnügen.

      Ich hoffe, Dir geht es so weit gut!?

      Bis ganz bald!

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  3. Schätzing stand bislang noch nie auf einer meiner unsäglichen Liste der Bücher, die ich lesen möchte oder gelesen haben möchte. Sollte ich vielleicht mal ändern. Zumindest den Schwarm sollte ich mir dann doch mal antun. ;D

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    1. Ich bitte darum! ;-) Schätzings Bücher sind wirklich nicht für Jeden etwas, aber „Der Schwarm“ stünde auf meinem persönlichen „Kanon der Bücher, die jeder im Leben mal gelesen haben sollte“, wenn ich denn so einen hätte. :-)

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    1. Da würde ich mich an Deiner Stelle vom Gefühl leiten lassen, denn diese schlechten Kritiken haben sicherlich auch ihre Berechtigung. Mir persönlich gefällt das Buch halt.

      Die Schwarz-Gelben machen es sich nicht gerade leicht heute, oder!? ;-)

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  4. „Breaking News“ habe ich neulich angefangen zu lesen, leider bin ich für dieses Thema zurzeit zu erschöpft. Schlimmer ist, dass „Der Schwarm“ hier schon ewig auf einem SuB liegt, ich schon immer mal wieder dachte, das muss ich endlich mal lesen, und immer wieder schieben sich andere Bücher in den Vordergrund. :-)
    Ich nutze das mal als Fingerzweig, „Der Schwarm“ ganz nach vorne zu holen. In der Hoffnung, dass meine Leseflaute bald mal zu Ende geht…

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