Prangenten e. V. prangert an: Qualitätsjournalismus und Mario Barth

Hallo, liebe Leserinnen und Leser,

vor nunmehr schon fast einem Jahr haben der geschätzte Bloggerkollege René und meine Wenigkeit den non-profit-Haufen „Prangenten e.V.“ ins Leben gerufen, mit dem Ziel, Dinge, Geschehnisse, Personen, im Grunde eigentlich alles, was einem gerade missfällt, anzuprangern und ins Licht der Öffentlichkeit zu ziehen, auf dass es dort seine hässliche Fratze zeige.

Davon habe zumindest ich in der jüngeren Vergangenheit vergleichsweise wenig Gebrauch gemacht, weswegen es allerhöchste Zeit wird, dem entgegenzuwirken.

Nun habe ich lange überlegt, ob ich diesen Beitrag überhaupt schreiben sollte, denn er ist – im Vergleich zu anderen Beiträgen meinerseits – eindeutig themenfremd und zudem ändert er vermutlich überhaupt nichts. Letztlich kamen diese Überlegungen aber zu dem Schluss, dass ich weiterhin nichts gegen gelegentliche themenfremde Beiträge einzuwenden habe, und zum anderen selbiger Beitrag möglicherweise insofern eine Veränderung herbeiführt, als ich mich nach dessen Beendigung nicht mehr dem Drang ausgesetzt sehe, willkürlich unbekannte Mitmenschen zum Zwecke der Frustbewältigung in den Hals zu beißen. Kommen wir aber nun zum Kern der Sache:

Aus Gründen, die hier nichts zur Sache tun, sah ich mich gestern genötigt, mir zumindest die erste Hälfte des „investigativen“ RTL-Formats „Mario Barth deckt auf“ anzutun. Nun bin ich kein Freund dieses „Kennste? Kennste?“-Kaspers, noch viel weniger allerdings von dem, was er und sein Sender offensichtlich unter Journalismus verstehen.

Zu Beginn der Sendung beschäftigt sich Barth mit dem E-Auto. In erster Linie mit den Problemen, mit denen das E-Auto sich konfrontiert sieht. Nur leider ist einerseits keines der Probleme wie

– Ladezeiten
– Infrastruktur
– Kinderarbeit in den Kobalt-Minen des Kongo

sonderlich neu.

Und andererseits wird so getan, als seien das alles unlösbare Probleme.

So entblödet sich Barths Studiogast Ingo Appelt auch nicht, sinngemäß von sich zu geben: „Also, wenn wir jetzt alle ein E-Auto hätten und das gleichzeitig laden wollten, das ginge ja gar nicht, da würden ja die Lichter ausgehen.“ Jau, und wenn wir jetzt alle einen Leopard-2-Panzer hätten und würden die alle gleichzeitig abfeuern, würde der kompletten bundesdeutschen Vogelpopulation das Trommelfell platzen, oder was!? Argumentationen anhand fiktiver Szenarien sind nur selten zielführend, ähnlich wie das ätzende „Wir können nicht alle aufnehmen!“.

Ein bisschen argumentieren Barths Schergen wie Wirtschaftswissenschaftler, über die wir schon zu Studienzeiten gewitzelt haben: „Wirtschaftswissenschaftler erklären Dir, wie die Wirtschaft in zehn Jahren aussieht, WENN alles so bleibt, wie heute …“

Was mich also stört, sind zu einem die Dinge, die er weglässt.

Nehmen wir die Ladezeiten. Tesla hat mittlerweile eine Ladesäule entwickelt, mit denen ein E-Auto in 0,3 Stunden aufgeladen ist. Barth sagt so etwas nicht, das würde ja auch gar nicht ins Konzept passen.

Natürlich stehen diese Ladesäulen noch nicht flächendeckend im Land, aber dafür gibt es ja Zuschüsse. Nur bemängelt Barth ja gerade eben Zuschüsse für die E-Mobilität. Ich kann aber nicht einerseits über die mangelnde Infrastruktur meckern, dann aber andererseits über die Kosten für den Ausbau ebenfalls.

Oder die Kobalt-Produktion. Ja, Kinderarbeit im Kongo gibt es. Und nein, das ist nicht okay! Deswegen gibt es ja auch Forscher, wie beispielsweise an der „University of California, Berkeley“, die mit Elementen wie Mangan experimentieren, das einerseits leichter verfügbar ist, andererseits die Akkus leistungsfähiger macht. Barth sagt so etwas nicht, das würde ja auch gar nicht ins Konzept passen.

Was mich aber ebenfalls stört, sind die Dinge, die er sagt und die teilweise nachweislich falsch sind.

Legendär war in diesem Zusammenhang übrigens eine frühere Sendung von ihm, die sich unter anderem mit dem Thema Feinstaub beschäftigte. Einen Tag später tat man das im „ZDF“ in der „Anstalt“ auch. Bei YouTube gibt es ein aus beiden Sendungen erfrischend zusammengeschnittenes Video, anhand dessen man genau erkennen kann, wo Barth Unsinn erzählt …

Oh, und nicht nur das, angesichts der aufgestellten These, dass Feinstaub ja auch beim Laufen aufgewirbelt werden könne, behauptet er in besagtem Video, dass sich dann ja „der vegane Diverse“, der hinter ihm laufe, sich davon belästigt fühlen könne. Eine Formulierung, die deutlich zeigt, wes Geistes Kind er ist. Aber da war er auch gestern in guter Gesellschaft, kam doch auch ein Polen-Witz von Ingo Appelt gut an …

Barth kritisiert, dass E-Mobilität und die dazugehörige Forschung gefördert wird – Forschung ist aber auch doof! -, der Diesel jedoch nicht mehr, verkennt dabei aber, dass die Mindereinnahmen an Steuern durch geringere Steuersätze auf Dieselkraftstoff aus den letzten Jahrzehnten ein vielfach größeres Ausmaß haben, als das, was jetzt in die E-Mobilität gesteckt wird.

Zum Zweiten behauptet er, bzw. ein diesbezüglich schon öfter in Erscheinung getretener Wissenschaftler, dass E-Autos anhand des erhöhten CO2-Ausstoßes für die Akku-Produktion nicht klimafreundlicher seien als Verbrenner. Dass es zuhauf anderslautende Studien gibt, erwähnt er nicht. Überhaupt lässt er in seiner Sendung niemanden zu Wort kommen, der eine von seiner eigenen Meinung abweichende Sicht vertreten könnte.

In der Folge widmet sich Ingo Appelt dem nächsten Thema, namentlich der Bundeswehr. Dass dort insbesondere im Bereich des Materials einiges im Argen liegt, ist sicherlich nicht neu. Vermittelt wird allerdings das Bild einer Bundeswehr, die insgesamt nur aus Idioten besteht. Einen Gesprächspartner aus der Bundeswehr mit der Gelegenheit zu Stellungnahme, hielt man offensichtlich nicht für nötig. Und dass man sich bei der Beurteilung natürlich nur auf die „Materialbeschaffung“ beziehe, gesteht man erst ganz zum Schluss des Themas ein.

Oh, und natürlich muss darauf eingegangen werden, dass die Bundeswehr im Verteidigungsfall nur für einen Tag Munition habe. Wie denn dieser Verteidigungsfall in der Realität aussehen könnte, wer mithin Aggressor sein sollte, dazu gibt es keine Mutmaßungen. Na, vielleicht ja die Polen? Um Ingo Appelt in die Hände zu bekommen? Allemal wahrscheinlicher, als die in der Sendung herbeigedachte Armee von „Hoppelhäschen“ (sic!), die herhalten muss, um der vermeintlichen Munitionsknappheit den Anstrich wirklicher Relevanz zu geben.

Dann greift Barth ein Thema auf, das man durchaus diskutieren könnte. In der Region Hannover haben die Verkehrsbetriebe ihre Fahrzeuge eine Weile mit einer, nun, sagen wir „Busenschnecke“ versehen, einer Art nett gezeichneter Werbefigur mit, nun ja, Brüsten eben. Aufgrund späteren massiven Protests, sahen sich sich die Verkehrsbetriebe gezwungen, diese Figur wieder von allen Fahrzeugen zu entfernen. Nun wohne ich zwar nicht in der Region Hannover, aber zumindest direkt daneben und habe die Berichterstattung seinerzeit durchaus in der Zeitung verfolgt. „Seinerzeit“, weil der ganze Sachverhalt, wie sich anhand entsprechender Zeitungsartikel belegen lässt, aus dem März 2018 datiert! Barth präsentiert das als den neuesten heißen Scheiß! Mal ehrlich, wenn die Redaktion nichts Aktuelleres findet, was man kritisieren könnte, dann geht es uns wohl vergleichsweise gut.

Letztlich dann äußert sich Barth zur Kunst. Er habe nichts gegen Kunst, sagt er sinngemäß, man müsse halt nur die Prioritäten anders ordnen. Es sei doch vielleicht wichtiger, eine funktionierende Polizei und Feuerwehr zu haben, als beispielsweise eine Ausstellung.

Mal unabhängig davon, dass damit der Eindruck vermittelt wird, man könne nicht beides – Polizei bzw. Feuerwehr und Kunst – haben, was schlichtweg Blödsinn ist und da, wo ich herkomme, mittlerweile neudeutsch „Whataboutism“ genannt wird, muss man sich das mal vorstellen:

Da plädiert jemand, der im Kulturbetrieb wohl nicht wenig Geld verdient – ich scheue mich zwar, ihn dort einzuordnen, aber sei es drum -, dafür, Zuschüsse beispielsweise für Ausstellungen zu streichen, mutmaßlich, weil er damit nichts anfangen kann! Obacht, Herr Barth: Oscar Wilde soll mal gesagt haben „Ziel der Kunst ist es, einfach eine Stimmung zu erzeugen.“ Man könnte auch sagen, eine Reaktion. Und, oh Wunder, „damit kann ich nichts anfangen“ ist bereits eine Reaktion.

Vor allem, wer bewertet denn, was innerhalb der Kunst förderungswürdig ist und was nicht!?

Irgendwie hatten wir so etwas schon mal, oder!?

Abschließend sei gesagt, dass natürlich nichts dagegen spricht, es anzusprechen, wenn in diesem Lande Dinge unrund laufen. Aber wenn man das tut, dann sollte man das auf sachliche und fundierte Art und Weise tun, ansonsten bedient man derartig effektheischender Pointenjagd einerseits platte Ressentiments und andererseits die ganz falsche Klientel.

 

18 Antworten auf „Prangenten e. V. prangert an: Qualitätsjournalismus und Mario Barth

    1. Ja, das ist ja das Ding!

      Flugzeugturbinen, Laptops, viele Arte von Akkus – und das war immer total okay, auch wenn der informierte Mensch um die Art der Produktion dieser Geräte wusste. Aber jetzt, da es gilt, gegen die pöse, pöse Elektromobilität ins Felde zu ziehen, jetzt muss man das plötzlich thematisieren, als wäre das etwas Neues. Und das alles mutmaßlich nur, weil Menschen Sorgen haben, man könnte ihnen ihre Spritschleuder mit dem Leergewicht eines Bundeswehr-Pumas wegnehmen. Scheinheilig, das Ganze!

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  1. Es stellt sich bei dem Herrn doch seit dem ersten Tag die Frage, wie jemand darauf kommt einen Comedian solch eine Art von Show präsentieren zu lassen. Vielleicht, ganz vielleicht, ist das ja auch als großer Witz angelegt. Dafür hat es aber dann doch wieder zu sehr Bild-Niveau…

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    1. Es mag als großer Witz angelegt sein, dafür ist das Thema aber zu ernst. Man bedient hier auf simple Weise die Vorurteile von Bürgern, die nicht willens oder in der Lage sind, sich eigenständig über die vollständige Faktenlage diverser Themen zu informieren, gegenüber dem Staat, damit sich diese Klientel im Recht fühlt. Ich habe dabei ein ganz mieses Gefühl …

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      1. Was total verständlich ist. Das Problem an der Sache ist ja, dass ein Klientel bedient wird die auf diese Art und Weise unterhalten werden möchten. Weil ja solche Formate gar nicht funktionieren würden, wenn das keiner schauen würde möchte ich meinen

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  2. Ich bewundere dein Durchhaltevermögen, du hast ja augenscheinlich ziemlich viel von der Sendung angeschaut.
    Mein diesbezüglicher Protest ginge allerdings eher in Richtung des verantwortlichen Senders, der wohl nur billig und populistisch Quote machen will und dafür eine Gallionsfigur nutzt, die sich für nix zu schade ist.
    Denn mal ehrlich: Mario Barth und Qualitätsjournalismus, das sind zwei Enden einer seeeeeehr langen Straße. Da hilft nur eins: Fernseher aus.

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    1. Ja, zugegeben, das wäre die richtige Vorgehensweise gewesen, aber man hatte mich freundlich gebeten, mit zuzusehen, was ich auch lange halbwegs stillschweigend ertragen habe.

      Sicherlich wäre da der Sender in erster Linie der Adressat, aber denen ist das scheißegal, denn alles zwischen besorgtem und Wutbürger sieht im ja applaudierend zu. Was auch völlig in Ordnung ist. Aber kurz: Denen ist meine Meinung scheißegal, weswegen ich sie mangels sinnvoller Alternativen in die unendlichen Weiten des Internets jage. :-)

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  3. Ich muss gestehen: Wenn ich diesen Barth auftauchen sehe, ist der Griff zur Fernbedienung schneller, als dessen Name ausgesprochen werden kann. Und wenn mir noch so langweilig ist. Lieber zappe ich auf einen Kanal, wo gerade MediaShop zu sehen ist. :roll:

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    1. Ich eigentlich auch. Und das ist ja auch völlig legitim, ebenso, wie ich es völlig legitim finde, ihm zuzujubeln, wenn man ihn mag. MediaShop als Alternative ist allerdings schon ein bisschen hart … :-)

      Im vorliegenden Fall muss sich Mario Barth allerdings der Folgen seiner Berichterstattung bewusst sein. Und ich glaube, das ist er nicht. Er will nur unterhalten. Dafür gibt es aber bessere „Formate“, ein solches wie das hier erwähnte sollte anders aufgezogen werden.

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      1. Ich sag mal so, MediaShop kann manchmal schon amüsant sein, wenn man nicht gerade was kaufen muss. :lol:
        Die privaten Sender meide ich, so gut es geht. Allein schon wegen ihrer Werbung, von den Inhalten mal ganz zu schweigen. Allerdings nähern sich die ÖffentlichRechtlichen den Formaten immer mehr an; aber solange sie mich nicht mit Barth foltern…
        Es gibt durchaus einige, die ich gerne sehen mag, als da wären Torsten Sträter, Simone Solga, Hazel Brugger und noch einige andere. Weil ein bisschen Niveau sollte es schon sein. :)
        Ladies Night gehört auch dazu. Auch noch, nachdem sich Gerburg Jahnke leider von dort verabschiedet hat…

        Liebe Grüße,
        Werner :)

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  4. Da stimme ich aus vollem Herzen zu. Ich verstehe nicht, wer sich diesen Barth überhaupt ansieht. Wobei ich kürzlich Markus Barth gesehen habe, den ich gerne empfehle.

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