„Der dunkle Garten“ von Tana French

Buch: „Der dunkle Garten“

Autorin: Tana French

Verlag: Scherz

Ausgabe: Paperback, 656 Seiten

Die Autorin: »Pflichtlektüre für alle, die unnachgiebige Intelligenz und raffinierte Plots zu schätzen wissen«, sagt die New York Times über Tana French. Die irische Autorin wurde für ihr Werk vielfach ausgezeichnet; ihre Romane und ihre Kriminalliteratur stehen weltweit auf den Bestsellerlisten. Tana French wuchs in Irland, Italien und Malawi auf. Sie absolvierte eine Schauspielausbildung am Trinity College und arbeitete für Theater, Film und Fernsehen. Mit ihrer eindrücklichen Sprache zeichnet sie markante Porträts der irischen Gesellschaft und schaut tief in die Seelen von Tätern, Opfern, Ermittlern. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern im nördlichen Teil von Dublin. (Quelle: Scherz)

Das Buch: Toby Hennessy, 28, führt ein unbeschwertes Leben in Dublin. Bis er eines Nachts in seiner Wohnung brutal zusammengeschlagen wird. Toby überlebt nur knapp, kann sich nicht mehr auf seine Erinnerungen verlassen. Er flüchtet sich in das »Efeuhaus« – das alte Anwesen der Familie, wo er sich um seinen sterbenden Onkel Hugo kümmern soll. Doch der dunkle Garten des Hauses birgt ein schreckliches Geheimnis. (Quelle: Scherz)

Fazit: Wer länger bei mir liest, ist möglicherweise schon mal über über eine Begeisterungsbekundung meinerseits bezüglich der Bücher von Tana French gestolpert. Denn ich mag sie halt einfach, die irische Autorin und ihre Bücher. Somit war es nur logisch, dass ich zu „Der dunkle Garten“ griff, als ich in der Buchhandlung meines Vertrauens darauf stieß. Wesentlich seltsamer erschien mir die Tatsache, dass ich die Veröffentlichung von Frenchs neuestem Buch seinerzeit augenscheinlich schlicht verpennt hatte und es erst mit einer Verspätung von mehreren Monaten bei mir einzog. Unverzeihlich eigentlich. Aber auch ein anderes Thema, eigentlich.

Nun begab es sich, dass die geschätzte Bloggerkollegin Tally – zumindest meine ich mich erinnern zu können, dass sie es war – über „Der dunkle Garten“ sinngemäß sagte, dass man diese Geschichte auch wesentlich komprimierter als auf über 600 Seiten hätte erzählen können. Dementsprechend skeptisch machte ich mich an die Lektüre …

Und, nun ja: Ja – das kann man durchaus so sehen. Frenchs Handlung hätte in ein Buch deutlich überschaubareren Ausmaßes gepasst – aber dann hätte ich es vermutlich kaum lesen wollen.

Denn so sehr ich die Plots ihrer Bücher auch zu schätzen weiß, die wahre Stärke der Autorin, die von „Vulture“ vollkommen zu recht als „Literarin, die auch über Mord schreibt“ bezeichnet wurde, liegt seit jeher im stilistischen Bereich sowie bei den Charakteren. Und so ist es auch in ihrem neuesten Buch.

Dabei weiß die Krimihandlung durchaus zu überzeugen. Nach dem Einzug in das „Ivy House“ wird im Garten des selben durch Zufall in einem uralten, hohlen Baum ein menschlicher Schädel gefunden, kurz darauf der dazugehörige Rest. Nun war der Tote offensichtlich schon ziemlich lange in diesem Baum und muss da ja nun auch irgendwie hingekommen sein. Deshalb – und weil er, wie man zugeben muss, nichts Besseres zu tun hatte – versucht Toby herauszufinden, was passiert ist. Stück für Stück erfährt der Leser Dinge aus der Vergangenheit und langsam setzt sich ein Puzzle zusammen, das letztlich ein überzeugendes Ganzes gibt.

Bis hierher wäre „Der dunkle Garten“ allerdings noch nicht erwähnenswerter als viele andere gefällige Krimis. Was das Buch so lesenswert macht, sind erneut die oben erwähnten Stärken der Autorin.

Einmal wäre da das sprachliche Können. Der große Stephen King, der sich offenbar bereiterklärt hat, es Erhellendes zu Frenchs neuestem Buch zu sagen, lobt ihre „Sprache wie Satin“ – und ganz ehrlich: Diese Formulierung ist so treffend, dass ich es nicht besser hätte sagen können und es deswegen dabei belasse.

Der größte Pluspunkt des Buches sind aber wieder einmal die Charaktere. Sowohl was die Interaktion der Figuren untereinander angeht, bezüglich der Lebensnähe der Dialoge und der anschaulich transportierten Stimmung zwischen Toby und seiner Familie, die vom Leichenfund, wie man sich denken kann, arg belastet wird, als auch hinsichtlich der Hauptfigur Toby Hennessy.

Frenchs Protagonist zeichnet sich nämlich dadurch aus, dass er ein Opfer ist. Nicht im Sinne des in den 2000er-Jahren aufkommenden Begriffs als Beleidigung unter Zwölfjährigen und/oder verbal eingeschränkten Menschen, sondern im Wortsinne. Hennessy wird Opfer eines Raubüberfalls, bei dem er nach allen Regeln der Kunst verdroschen wird. Und in der Folge beschäftigt sich die Autorin durchaus lange Zeit mit der Rekonvaleszenz ihrer Hauptfigur, aber eben auch in erster Linie mit den Auswirkungen, die der Überfall auf ihn, seine psychische und seine physische Gesundheit hat. So plagen ihn Wortfindungsschwierigkeiten ebenso wie eine allgemeine körperliche Schwäche, die es ihm vorerst unmöglich macht, seinem Job nachzugehen. Von den psychischen Problemen angesichts seiner Situation gar nicht zu reden. Und dieser Fokus auf die Hauptfigur, den finde ich durchaus spannend.

Denn sind wir mal ehrlich: In der modernen Kriminalliteratur geht es – wie im wahren Leben – nicht um die Opfer. Die sind in der Regel tot, schwer verletzt oder bestenfalls eine unwichtige Randfigur. Wichtig sind die Täter. Wer ist er? Wie ist er? Was denkt er? Umso wohltuender ist es – wiewohl man sich natürlich auch in „Der dunkle Garten“ auf die Suche nach einem Täter macht -, wenn man in einem Buch endlich auch mal die Sichtweise des Opfers, in Person des Protagonisten, gezeigt bekommt und die Schwierigkeiten, mit denen sie konfrontiert sind.

Deswegen ja, man hätte Frenchs neuen Roman kürzer halten können, aber sehr viel von dem, was das Buch ausmacht, wäre dabei auf der Strecke geblieben.

Fans stilistisch ansprechender (Kriminal-)Romane können bedenkenlos zugreifen, Tana-French-Fans ohnehin.

Wertung:

Handlung: 7,5 von 10 Punkten

Stil: 9 von 10 Punkten

Charaktere: 9,5 von 10 Punkten

Atmosphäre: 8,5 von 10 Punkten

Gesamtwertung: 8,625 von 10 Punkten

Demnächst in diesem Blog: „Senyoria“ von Jaume Cabré.

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20 Kommentare zu „„Der dunkle Garten“ von Tana French

  1. Oooh… Ich werde erwähnt 😅 (und bleibe dabei, dass er zu sehr gezogen wurde😘) aber so ging es mir bei ihr schon mal bei einem ihrer Romane. Verdammt… Mir fällt der Titel nicht ein 😑 ist somit aber auch erst das zweite Buch, was mir nicht so gut gefallen hat. Wobei ich es als hörbuch hatte und ich den Vorleser so gar nicht mochte. Eventuell hat das auch dazu beigetragen, dass es bei mir nicht so gut ankam 🤔

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    1. Natürlich wirst Du erwähnt – Ehre, wem Ehre gebührt. ;-)

      Du darst natürlich gerne bei Deiner Meinung bleiben. Und ja, sie hat manchmal einen etwas ausufernden, eher behäbigen Erzählstil. Nur: Ich mag das! :-) Gerade als Hörbuchversion stelle ich das dann aber in der Tat eher schwierig vor …

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      1. Du, ich habe ALLE bisherigen Bücher von ihr gelesen. ICH LIEBE ihren Stil! Aber bei dem Buch war es mir an manchen Stellen einfach „too much“ und ich schon irgendwie gefühlt 20 Seiten weiter und als sie endlich dort war, war ich schon wieder 10 Seiten voraus und fing an mich massiv zu langweilen. Das hatte ich wie gesagt vorher schon mal bei einem Buch bei ihr. Dies lag dann aber auch daran, dass mir die Charaktere nicht zugesagt hatten. Also ich nix zum Identifizieren hatte oder keinen, wo ich wirklich „drin“ war. Ich glaube es war das Buch „Schattenstill.“ Ich denke … es hatte auch viel mit der Entwicklung der Charaktere zu tun. Sie haben sich zu wenig „bewegt“. Also für mich zu wenig und sind zu lange auf der Stelle herumgetappst. Das wars auch bei diesem Buch hier. Der Protagonist war so unheimlich vorhersehbar. Selbst das Ende war irgendwie klar, da war ich gerade bei der Hälfte angekommen und die Auflösung hat mich dann einfach nicht mehr bekommen. Allerdings hat es mich durchaus etwas nachdenklich zurück gelassen. So ist das aber bei Tana immer. Wobei … es eben andere Bücher gibt von ihr, die mich sehr nachhaltig begeistert haben. „Totengleich“ ist mein absolutes Lieblingswerk und ich mochte, im Gegensatz zu einigen anderen kritischen Lesern „Geheimer Ort“ und ganz, ganz arg liebe ich ja auch „Sterbenskalt“ bei dem Buch hab ich rotz und Wasser geheult. Oh … oh und „gefrorener Schrei!“ das hab ich übrigens auch als Hörbuch gehört und nicht gelesen. Aber … der Vorleser war eben gut ^^! Eh … ja … also … du siehst … ich hab sie echt gern, die Tana :D und freu mich schon auf ihr nächtes Werk :-)

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        1. Das ist ja unter anderem das Schöne an Literatur: Man kann zu ein und demselben Buch unterschiedliche Meinungen haben, auch wenn man generell Fan der entsprechenden Autorin ist. :-) Denn ich habe auch alle ihre Bücher gelesen und teile Deinen Eindruck beispielsweise zu „Schattenstill“ vollkommen – außer zu „Gefrorener Schrei“: DA hatte ich nämlich ein Problem mit den Charakteren. Die Protagonistin war schlicht indiskutabel, eine jener Menschen, denen ich im praivaten Umfeld: „Nu halt doch endlich mal den Mund!“ sagen würde, obwohl ich das sonst nie tue. :-)

          Hier fand ich den Protagonisten aber wirklich gelungen!

          Einigen wir uns einfach auf ein „agree to disagree“ und freuen und gemeinsam auf das nächste Werk – wann immer das sein möge … :-)

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          1. Hihi… Aber bei gefrorene Schrei bewegte sich die Protagonistin und hatte eine entsprechend gelungene Entwicklung! 😋 Aber ja! Darauf können we or uns definitiv einigen 😘

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          2. Hatte. Sie. Nicht. ;-)

            Sie war zu Anfang eine nörgelnde Querulantin, sie war am Ende eine nörgelnde Querulantin und hat die Zeit dazwischen genutzt, mir auf den Geist zu gehen.

            In meiner Rezension nannte ich sie eine „misanthropische, egozentrische, kaltherzige, von sich selbst überzeugte Besserwisserin“. :-)

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          3. 😂😂😂😂😂 Mir tat sie was leid. Aber ich mochte sie und im Team mit ihrem Kollegen sowieso 🤗😋😘

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          4. Mir nicht. Wer solche Dinge sagt wie „Kein Mensch braucht eine Beziehung!“ oder – über ein Mordopfer (!) – : „Die blöde Kuh hätte es echt nötig gehabt, sich in den Griff zu bekommen.“, der hat mein Mitleid nicht verdient. :-)

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          5. Das waren bei der nur Sprüche. Die hat die „harte“ doch nur markiert und sehnte sich z. B nach einer echten Beziehung, Nähe und Akzeptanz und letztlich hat sie das ja, zumindest gedanklich sogar zugegeben 😋

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          6. Ja, sicher waren das nur Sprüche – wer aber aufgrund seiner eigenen Verletzlichkeit den harten Kotzbrocken markiert, damit dem Umfeld vor den Kopf stößt und sich dann beschwert, dass kein Ritter in schimmernder Rüstung auf weißem Pferd vor der Tür steht, um mit ihr in den Sonnenuntergang zu reiten, den kann ich nicht ernst nehmen. :-) Schade, dass sie offensichtlich niemanden hat, der ihr sagt: „Hör auf, Dich wie ein Arsch aufzuführen, Conway, dann kommt der Rest von ganz alleine!“ ;-)

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      1. Davon bin ich überzeugt. Lese dich ja schon länger und so denke ich, es passt und wird mir Vergnügen bereiten. Die Spannung ist jetzt schon vorhanden.
        Man sagt immer, während man selber schreibt, soll man nichts lesen. Da ich aber erstens ab und zu Abstand vom eigenen Geschreibsel brauche und darüber hinaus nicht im kriminellen Milieu unterwegs bin, sondern eher den ganz normalen Wahnsinn beschreibe, was sich nur bedingt gegenseitig ausschließt, erachte ich diesen Rat für mich als verzichtbar.

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    1. Nie? Wirklich nicht? Wissenslücke Komma große. ;-)

      Die Auswahl fällt mir wirklich schwer, weil ich alle gern mag, aber wenn Du mich so fragst: „Schattenstill“ fand ich gut. Im Original heißt das Ding „Broken Harbor“ – womit schon mal die Frage geklärt wäre, ob die englischen Originaltitel sinnvoll übersetzt wurden. Wurden sie nicht. ;-)

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