„Untreue“ von Paulo Coelho – Fremdgehen salonfähig?

Buch: „Untreue“ (2014)

Autor: Paulo Coelho

Verlag: Diogenes

Ausgabe: Taschenbuch, 315 Seiten

Der Autor: Paulo Coelho ist ein 1947 in Rio de Janeiro geborener brasilianischer Schriftsteller. In einem religiös geprägten Haushalt aufgewachsen, beschließt Coelho nach der Schule, Jura zu studieren. Dieses Studium unterbrach er zwischenzeitlich für eine zweijährige Weltreise. Durch seine anschließende Tätigkeit als Theater- und Drehbuchautor, seinen Drogenkonsum sowie seine Ablehnung gegenüber den Eltern zweifeln diese an seinem Geisteszustand und lassen ihn insgesamt dreimal in die psychiatrische Anstalt „Casa de Saúde Dr. Eiras“ einweisen.  Die Erlebnisse dort verarbeitet Coelho in seinem Roman „Veronika beschließt zu sterben“.

Die weitere Lebensgeschichte Coelhos ist zu umfang- und abwechslungsreich, als dass ich sie hier in ein paar Zeilen angemessen wiedergeben könnte. Daher beschränke ich mich auf sein literarisches Werk:

Coelhos erfolgreichster Roman ist bislang „Der Alchimist“, welcher in 80 Sprachen übersetzt und über 83 Millionen Mal verkauft wurde. Insgesamt verkauften sich seine Bücher über 210 Millionen Mal.

Zwischenzeitlich stellte der Autor seine Bücher online kostenlos zur Verfügung, ein vermeintliches Desaster für die Verlage, die ihr Aufbegehren dagegen erst einstellten, als sich herausstellte, dass dadurch mehr seiner Bücher verkauft wurden.

Als Information am Rande: 2014 wurde ein Asteroid nach Paulo Coelho benannt.

Das Buch: Linda ist Journalistin, 31 Jahre alt, hübsch, gut situiert, verheiratet und lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in der Schweiz. Und im Grunde könnte Linda mit sich und ihrem Leben zufrieden sein. Ist sie aber nicht. Denn nach einem Interview mit einem Schriftsteller, dessen Maxime es ist „voller Leidenschaft zu leben, auch wenn es gefährlich ist, denn man weiß nie, wohin das führt.“ (S.8), ist für Linda nichts mehr so, wie es vorher war.

Plötzlich stellt sie sich die Frage: Ist das alles? Geht das jetzt immer so weiter? Aus Angst vor einem Leben voller Monotonie und Langeweile droht Linda, in Depressionen zu versinken.

Um der Monotonie einerseits und den Depressionen andererseits zu entgehen, stürzt sich Lisa kopfüber in eine Affäre mit ihrer alten Jugendliebe Jacob und setzt dabei das Glück ihrer Familie aufs Spiel.

Fazit: 1998 hat sich Paulo Coelho mit „Veronika beschließt zu sterben“ in die Top Ten meiner Lieblingsbücher geschrieben. Daher lasse ich diesem imposanten ersten Leseeindruck in regelmäßigen Abständen weitere Bücher von Coelho folgen, im vorliegenden Fall eben „Untreue“.

Coelhos Bücher sehen sich häufig dem Vorwurf ausgesetzt, sie seien monothematisch, beschäftigen sie sich doch immer wieder mit Sinnsuche und Selbstfindung. Das stimmt vielleicht sogar, aber wenn man, wie Coelho, gleichbleibende Themen gut verarbeitet, dann ist diese Monothematik meiner Meinung nach durchaus legitim.

Über den Stil Coelhos schrieb ich an anderer Stelle einmal „es macht jederzeit Spaß, ihn zu lesen“. Das gilt auch für „Untreue“. Der Autor verzichtet darauf, seine Sätze unnötig zu verkomplizieren und an kleine stilistische Eigenheiten, wie die, in Dialogen nur die Äußerungen von Lisas Gesprächspartnern in Anführungsstriche zu setzen, während Lisas eigene Sätze ohne diese auskommen müssen, hat man sich schnell gewöhnt. Und angesichts der Tatsache, dass der Roman in der Schweiz spielt, lässt es sich der Autor nicht nehmen, einige Äußerungen über die Schweizer zu tätigen, die man wohlwollend als charmante Seitenhiebe verstehen kann. Zwar behauptet er nicht, dass die Schweiz nur deswegen neutral sei, weil man dort einfach noch nicht wisse, auf wessen Seite Chuck Norris steht, nein, er behauptet eher, dass sich die Schweizer nicht dafür interessieren, „ob ein Politiker eine Geliebte hat, Bordelle besucht oder ein Coming-out hat. Wir wollen nur, dass er tut, wofür er gewählt wurde, und sein Budget nicht überzieht, damit wir in Frieden leben können. (S. 33)

Im späteren Verlauf der Handlung stellt Coelho übrigens die These auf, dass statistisch gesehen, einer von sieben Schweizern eine außereheliche Affäre hat. Das lasse ich jetzt einfach mal unkommentiert so stehen…

Aber auch sich selbst nimmt der Autor nicht aus, wenn es um Seitenhiebe geht. So schreibt er über Personen, die sich als Ratgeber über das Leben betrachten – und als solchen kann man Paulo Coelho ja durchaus auch selbst zählen: „Vielleicht aber sind diese Weisen (…) selber noch auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und benutzen uns als Versuchskaninchen, um zu sehen, wie wir reagieren. (S. 23)

Ein Buch wie „Untreue“, dessen Handlung sich im Wesentlichen mit der Entwicklung der Protagonistin beschäftigt, braucht starke Hauptfiguren. Und mit Lisa ist Paulo Coelho glücklicherweise eine solche gelungen. Wobei ich durchaus zugebe, dass ich Lisas Treiben – und nein, das ist kein schlüpfriger Wortwitz – über weite Strecken vollkommen unverständlich gegenübergestanden habe. Kurzzeitig habe ich mich sogar gefragt, ob der Autor mit „Untreue“ Werbung für Affären machen oder dem Leser vermitteln will, dass Seitensprünge schon okay sind, da die Hauptsache ja wohl ist, dass man selbst glücklich ist. Dem ist natürlich nicht so! Aber die Geschehnisse rund um Lisas Selbstfindung kann und sollte man kontrovers betrachten. Und zu einer kontroversen Handlung passt eben auch eine Protagonistin, an der sich der Leser auch mal metaphorisch reiben kann. In sich ist die Charakterzeichnung also vollkommen stimmig.

Wer sich gerne mit Büchern zum Thema Sinnsuche und Selbstfindung beschäftigt, der kann bei „Untreue“ bedenkenlos zugreifen. Und wer an sich mit den Büchern von Coelho etwas anfangen kann, wem also beispielsweise „11 Minuten“ gefallen hat, erst recht.

Wertung:

Handlung: 7 von 10 Punkten

Charaktere: 8 von 10 Punkten

Stil: 9 von 10 Punkten

Atmosphäre: 9 von 10 Punkten

Gesamtwertung: 8,25 von 10 Punkten

Demnächst in diesem Blog: Wahrscheinlich „Des Teufels Gebetbuch“ von Markus Heitz. Oder vielleicht „Germany 2064“ von Martin Walker. Oder aber doch schon Carlos Ruiz Zafón. Auf jeden Fall eines davon… ;-)

14 Antworten auf „„Untreue“ von Paulo Coelho – Fremdgehen salonfähig?

  1. Ich liiiiiiiiiiebe Coelho- bei ihm hatte ich immer das Gefühl, dass er genau für mich schreibt (ok- bei -Untreue- vielleicht nicht explizit^^ :-D ) aber bei den meisten seiner anderen Bücher schon. Und ich denke, vielleicht geht es Millionen ( na toll, alle fühlen und denken genauso wie ich :-O ) ebenso- Danke, für diesen Beitrag – Glg Herta

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    1. Gern geschehen, der Dank ist ganz meinerseits! ;-)

      Und ja, Coelho hat durchaus etwas für sich. Gut, dass ich eine ganze Menge seiner Bücher noch nicht gelesen habe! Nichts ist schlimmer, als auf ein neues Buch eines geschätzten Autoren warten zu müssen! :-)

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  2. Eine sehr interessante Rezension, gut geschrieben, mit einem feinen, ausgereiften Stil, ein Hochgenuss…

    Auch das rezensierte Buch ist sicher gut, wie könnte ein Coelho je schlecht sein?!
    Der Alchimist hat mich jedenfalls beeindruckt…

    Liebe Grüße zur Nacht vom Lu

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    1. Oh, so viel Lob am frühen Morgen! Danke, das kann ich heute gut gebrauchen! :-)

      Was „Der Alchimist“ angeht, muss ich gestehen, dass ich Coelhos Buch bislang noch gar nicht gelesen habe! Ich sollte es vielleicht mal nachholen…

      Liebe Morgengrüße von mir zu Dir!

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      1. Deine Rezensionen sind wirklich klasse gemacht, nicht zu lang und nicht zu kurz, eloquent, mit der richtigen Prise Eigengeschmack ☺

        Ja, tu das, es ist wirklich ein Klassiker inzwischen schon…

        Liebe Grüße von Buchfreund zu Buchfreund

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          1. Ja, das dachte ich mir! Also, das mit dem Zafón! ;-)

            Ich bin bei Markus Heitz aber schon relativ weit und bekomme übermorgen das neue Buch von Fitzek. Ich fürchte, der Herr Zafón wird sich hinter den beiden Genannten anstellen müssen. Aber DANN…! :-)

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