„Die Suche“ von Nick Louth – Englische Genügsamkeit?

Buch: „Die Suche“ (2015)

Autor: Nick Louth

Verlag: Fischer

Ausgabe: Taschenbuch, 408 Seiten

Der Autor: Nick Louth ist Wirtschaftsjournalist und ehemaliger Auslandskorrespondent der Nachrichtenagentur Reuters. Während seiner Zeit bei Reuters lebte er unter anderem in Amsterdam. Dort wurde er bei einem Mediziner-Kongress auf das Thema Malaria und das mangelnde Interesse der Pharmaindustrie aufmerksam.

Nick Louth ist verheiratet und lebt in Lincolnshire, England.

(Quelle: Klappentext)

Das Buch: Seit einigen Monaten ist der Künstler Max Carver mit der Wissenschaftlerin Erica Stroud-Jones liiert. Er reist nach Amsterdam, weil Erica dort auf einem großen Kongress eine Rede halten will, bei der sie eine bedeutende Entdeckung bekannt geben möchte. Man munkelt, sie habe einen Impfstoff gegen Malaria entwickelt.

Erica und Max verbringen einige Zeit in der Stadt, bevor sie in ein Hotel einchecken. Dort wird Max morgens wach und kann seine Freundin nirgendwo finden. Er wendet sich an die Polizei, bekommt dort allerdings wenig Hilfe, und macht sich daher schließlich daran, seine Freundin auf eigene Faust wieder zu finden.

Gleichzeitig macht die angehende Medizinerin Saskia Sivali eine erschreckende Entdeckung: In ihrer Klinik wird ein Patient eingeliefert, der an einer bislang unbekannten Form der Malaria erkrankt ist. Schlimmer noch, der Erreger greift um sich, in ganz Amsterdam erkranken Menschen, Europa steht vor einer Epidemie!

Fazit: Aufgrund meines weiterhin anhaltenden TV-bedingten Super Bowl-Jetlags und der damit einhergehenden mangelnden Hirnleistung habe ich vergessen, welche einleitenden Worte ich eigentlich schreiben wollte und muss mir nun etwas anderes…Supermarkt! Ja, genau, Supermarkt, das war es, was ich schreiben wollte. Also:

Im Bereich des Bücherkaufs gibt es nur wenige ungeschriebene Gesetze, an die man sich tunlichst halten sollte. Neben der strikten Vermeidung bestimmter Autorinnen und Autoren – die naturgemäß bei jedem unterschiedlich sind – gilt dennoch für alle Buchliebhaber vor allem eine Regel: Man kauft keine Bücher im Supermarkt!

Einmal, wegen des begrenzten Angebots. Da findet man auf der rechten Seite die derzeitigen Spiegel-Bestseller, links daneben ein recht karges Krimi-Angebot, wiederum links daneben eine unfassbare Unmenge an blutiger Mord-und-Totschlag-Literatur, und ganz links außen erschreckend viel aus der Abteilung „Fifty Shades of Würg“. Das Angebot ist also begrenzt, die Wahrscheinlichkeit, zu einem guten Buch zu greifen, daher ebenso.

Darüber hinaus fehlt im Supermarkt – im Gegensatz zur Buchhandlung – ein entscheidendes Regulativ, nämlich die Buchhändlerin bzw. der Buchhändler des Vertrauens. Hätte ich dieses Buch in der Buchhandlung kaufen wollen, wäre die Buchhändlerin meines Vertrauens mit einem langgezogenen „“Neeeeeein!“ auf den Lippen quer durch den Raum fliegend auf mich zugestürzt, um mir das Buch zu entreißen und damit weitere Unbill literarischer Art von mir abzuwenden. Habe ich aber nicht, ich stand ja im Supermarkt. Hätte ich mich also an die o. g. Regel gehalten, wäre mir einiges erspart geblieben. Werden wir also mal konkret:

„Die Suche“ hat durchaus seine positiven Seiten, nämlich in erster Linie die letzten 50. Auf dem Weg dahin gibt es aber so einige Dinge, über die man sich als Leser ärgern kann. Seien es die Charaktere. Der Leser bekommt nur recht wenige Seiten Zeit, Erica Stroud-Jones kennenzulernen. Und dennoch reichten die bei mir aus, um die Gute extrem zu verabscheuen. Auch und vor allem deshalb, weil sie Max bei jeder Gelegenheit zu verstehen gibt, dass der Job für sie an erster Stelle kommt und dann erst Max. Wie nett! Und welch interessante Prioritätenliste. Die wenigsten Menschen bedauern auf dem Sterbebett, dass sie zu wenig gearbeitet haben, sagt man. Ich bin sicher, dass Erica das auch noch irgendwann einsieht.

Ihr Freund Max kommt allerdings auch nicht besser rüber. Abgesehen davon, dass der arme Trottel seine Freundin – jene Freundin, die ihm klar gemacht hat, dass er erst nach ihrem Job kommt – nach gerade mal drei Monaten Beziehung mit einem Verlobungsring beglücken möchte, störte mich der gesamte Hintergrund dieser Figur irgendwie. Max war bei der Küstenwache und wurde wegen eines fehlgeschlagenen Einsatzes suspendiert. Das hat man einerseits ähnlich schon häufig gelesen, andererseits bietet es die Möglichkeit, ihn als einen der vielen unkaputtbaren Helden erscheinen zu lassen, die sich in Actionthrillern so häufig finden. Und genau so lässt der Autor Max auch erscheinen.

Auch mit dem Stil des Buches habe ich so meine Probleme. Wobei ich eingestehen muss, dass ich gar nicht so genau begründen kann, woran das liegt, auch wenn das vollkommen unprofessionell erscheinen mag. :-) Vielleicht liegt es unter anderem daran, dass der Autor in die actionlastige Handlung plötzlich Sätze einbaut wie: „Wie unerbittlich der Tod doch die Blume der Liebe zwischen seine schweren Seiten presste.“ (Seite 275) Also bitte!

Die Handlung kann man mögen, muss man aber nicht. Louth erzählt sie, indem er abwechselnd die aktuellen Ereignisse einerseits und Begebenheiten aus Ericas Vergangenheit im Kongo, die aus Tagebuchnotizen abgeleitet sind, andererseits erzählt. Diese Erzählweise ist nicht neu, aber sinnvoll, fügt sich das Gesamtbild der Handlung für den Leser auf diese Weise doch erst Stück für Stück zusammen. Abseits dieser äußeren Form habe ich mit der Handlung jedoch auch so meine Probleme, die allerdings, das muss ich zugeben, aus meiner falschen Erwartungshaltung entspringen. Wenn man bei „Die Suche“ einen Actionthriller mit fehlendem Tiefgang und einem stereotypen Ex-Cop als Hauptfigur erwartet, dann wird man mit dem Buch sicherlich zufrieden sein.

Ich hatte allerdings eine andere Erwartung an das Buch. Und an mehreren Stellen deutet „Die Suche“ an, dass das Buch so viel mehr sein könnte. Wenn der Boss eines Pharma-Konzerns etwa sinngemäß sagt: „Mich interessieren keine Medikamente gegen Krankheiten, an denen jährlich 10 Millionen Arme sterben. Gib mir ein Medikamt gegen eine Krankheit an der jährlich 10.000 Reiche sterben“, dann wäre das ein guter Aufhänger gewesen, sich mit all dem zu beschäftigen, was im Pharma-Bereich schief läuft. Wenn ein afrikanischer Rebellenführer über seine Zeit in Europa sagt: „Es gab viele Fernsehsendungen über Afrika, doch keine über Afrikaner. Es ging immer nur um Vögel und Affen, Löwen und Leoparden und Gnus. Die einzigen Menschen, die im Bild auftauchten, waren ein paar Umweltschützer. Und die waren weiß.“ (Seite 319), dann hätte auch das Potential für eine kritische Betrachtung gehabt. Stattdessen hat sich der Autor leider entschlossen, einen recht beliebigen Thriller aus „Die Suche“ zu machen. Wenigstens schafft er es auf den letzten 50 Seiten, alle bis dahin vorhandenen losen Enden zu einem zufriedenstellenden, weil in sich logischen, Ganzen zu verknüpfen.

Das Buch wird auf der Rückseite angepriesen als „die Thriller-Sensation aus England“. Wenn „Die Suche“ dort eine „Sensation“ war, deutet das für mich daraufhin, dass die englische Leserschaft relativ genügsam ist, was Thriller angeht. Vielleicht ist Genügsamkeit aber auch an sich ein markanter Wesenszug der Engländer, schließlich war man dort auch vor geraumer Zeit so genügsam, dass man sogar beschlossen hat, ohne Mitgliedschaft in der Euopäischen Union auszukommen. Aber das ist wieder ein anderes Thema…

Wertung:

Handlung: 6,5 von 10 Punkten

Charaktere: 5 von 10 Punkten

Stil: 6,5 von 10 Punkten

Spannung: 5 von 10 Punkten

Gesamtwertung: 5,75 von 10 Punkten

Demnächst in diesem Blog: „Tiefe Narbe“ von Arno Strobel.

17 Antworten auf „„Die Suche“ von Nick Louth – Englische Genügsamkeit?

    1. Vielen Dank! Dann machst Du es genau richtig! ;-) Ich ja eigentlich auch nicht, aber manchmal überkommt es mich halt, wenn ich da stehe und der Meinung bin, jetzt SOFORT ein neues Buch zu brauchen! ;-)

      Liebe Grüße
      F.

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  1. Ich muss doch auch mal erwähnen, dass es mir immer sehr viel Spaß macht, Deine Rezensionen zu lesen. Ich hab noch keine gelesen, bei der ich nicht schmunzeln musste. Ein richtiges Talent, Wahrheiten mit viel Sarkasmus und Ironie darzustellen hast Du da.
    Ich hab das Buch auch gelesen und meine Bewertung dreht sich auch in Richtung Durchschnitt. Ich hatte allerdings auch keine hohen Erwartungen. Allerdings hab ich – genau wie Du – die vielen guten Ansätze gesehen, mit denen das Buch noch die Kurve hätte kriegen können. Da wäre dann auch der stereotype Held nicht so schlimm gewesen.
    Und der Spruch auf dem rückseitigen Cover… na ja, diese Zitate und Bemerkungen sind ja auch immer sehr fragwürdig – da hab ich mich auch schon öfters aufgeregt. Ich frag mich wirklich, ob die Sprüche tatsächlich eine wirksame Marketingstrategie sind… ich kann mir das kaum vorstellen.

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    1. Oh, vielen lieben Dank! Ich und mein Ego, wir freuen uns gerade richtig! :-)

      Übrigens: Ohne Sarkasmus und Ironie kommt man doch kaum durchs Leben, oder!? ;-)

      Gut zu wissen, dass ich mit meiner Meinung über das Buch nicht alleine da stehe. Was die Marketingstrategie angeht, so glaube ich auch nicht, dass diese Sprüche irgendwie sinnvoll sind. Mir war der Spruch beim Kauf jedenfalls schietegal, erst später wurde der wichtig. :-)

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      1. Du hast neulich bei einer Fantasy-Rezension geschrieben, dass Du das Buch u. a. gewählt hast, weil mal kein Tolkien-Vergleich auf dem Cover stand – da musste ich gleich an meinen Kumpel denken, der kann sich auch regelmäßig darüber ereifern, dass alles im Fantasy-Bereich sich mit Tolkien messen muss, ob nun im positiven oder negativen. Im Krimi-Bereich ist das dann oft Stephen King – wobei da wohl die Kategorie eher Spannung ist, denn King ist ja nicht dediziert ein Krimi-Autor. Ich kann das dann aber auch nicht mehr ernst nehmen – King kann niemals all diese Bücher gelesen haben und dann auch noch gut gefunden haben.
        Ganz am Anfang, als ich meinen Blog noch nicht lange hatte, habe ich nach der Lektüre festgestellt, dass alle Sprüche sowas von falsch waren, dass ich darüber beispielhaft einen Beitrag geschrieben habe und allen widersprochen habe. Aber ich kaufe Bücher nie nach den Sprüchen auf dem Cover – ganz schlimm finde ich, dass die Sprüche mittlerweile ja sogar auf dem vorderen Cover geschrieben werden.
        Ach, ich hör jetzt auf. Ich muss mich nur ärgern.
        P.S.: Ohne Sarkasmus und Ironie kommt man (leider) nicht mehr durchs Leben – aber nicht jeder kann das in Rezensionen so schön einbauen. :-)

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        1. Diese Tolkien-Vergleiche stören mich wirklich! Als hätte es in den letzten 50 Jahren keine anderen brauchbaren Fantasy-Autoren gegeben! :-)

          Bei Stephen King ist es ähnlich, stört mich aber weniger, weil mir das Genre ferner liegt.

          Abgesehen davon, ja, sich bei der Buchkaufentscheidung von diesen Sprüchen leiten zu lassen, ist eine dumme Idee!

          Hinsichtlich Deines P.S.´ erröte ich schon wieder! ;-)

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        2. Wo finde ich denn Deinen Artikel zu den „Spruchwahrheiten“? Habe auf Deinen Dunklen Fellen auf die Schnelle(n) nichts finden können. Interessiert mich, weil auch bei mir der Ärger diesbezüglich stets und ständig größer wird. Das letzte in dieser Hinsicht war Ryans „Lied des Blutes“, auf dem ein Zitat aus der Süddeutschen prangte: „Eine neue, intelligentere (!) Form von Fantasy.“ Ich mochte das Buch, aber was daran neu und intelligenter als etwa Rothfuss‘ „Name des Windes“ sein soll, erschließt sich mir nicht …

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          1. Ich habe „Lied des Blutes“ auch gelesen und, ja, zugegeben, intelligenter ist da nichts. Auch wenn ich es nicht mit Rothfuss vergleichen kann, denn den habe ich zu meiner Schande noch nicht gelesen.

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          2. Also zuerst muss ich mich kurz bei Dir bedanken. Ich hab noch nie in meinen Archiven gewühlt und hatte einige überraschende Augenblicke, als ich den Artikel gesucht habe. Am meisten Kopfschütteln hat mir mein geänderter Lesegeschmack eingebracht….
            Aber nun zu Deiner Frage – ich habe in der Tat nur zwei Artikel geschrieben, in denen ich mich über Gepflogenheiten in der Buchbranche aufgeregt habe – warum eigentlich? Ich erinnere mich, dass mir das Schreiben Spaß gemacht hat und das nochmal Lesen jetzt auch sehr – und zwar einmal über die fehlenden Leseempfehlungen am Buchende (veröffentlich am 15.07.2014) und über die Empfehlungen auf den Covern (29.09.2014). Ich verlinke nicht auf fremden Blogs, da ich das bei mir auch nicht mag – aber Du kannst die Artikel leicht finden, wenn Du auf meiner Seitenleiste rechts nach unten zum Archiv scrollst und den entsprechenden Monat aussuchst – dann musst Du nur noch ein wenig zum entsprechenden Artikel scrollen, das Datum hab ich Dir zur Hilfe in die Klammern gesetzt. Ich habe zwar eine Rezensionsübersicht, aber sonstige Beiträge sind nirgends aufgelistet.
            Heute würden diese beiden Beiträge wesentlich schärfer ausfallen – aber damals war ich noch jung… *lach*
            Ich bekomme allerdings Lust, sowas mal wieder zu schreiben, mal sehen, welches das nächste Thema ist, worüber ich mich so richtig aufregen kann… :-)

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  2. Köstlich! Ich freu mich immer wie ein Schneekönig, wenn ich eine neue Rezi von Dir lese. Nicht nur ob Deiner Sprachkunst sondern auch ob dem allgemeingültigen Drumherum. Nur das jeweilige Buchcover würde ich mir noch wünschen – hier zum Beispiel, damit sich mir die Abschreckung auch visuell einprägt und ich beim nächsten Buchkauf im Supermarkt nicht … :-)

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    1. Danke! Vielen Dank, ich erröte jetzt mal ob des Lobes! :-) Ja, zugegeben, das Cover könnte ich noch irgendwie einbauen, dazu müsste ich mich aber mit Dingen wie Technik und Layout beschäftigen, die mir zutiefst zuwider sind! :-)

      Aber hey, mal schauen, was sich machen lässt… ;-)

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    1. Das ist zwar einerseits ein massiver Verlust für den Einzelhandel, aber andererseits die einzig richtige Entscheidung! ;-)

      Ich wusste es doch, dass es in eurer schönen Alpenrepublik Dinge gibt, die besser sind als hier! :-)

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