„Finderlohn“ von Stephen King – Solider Mittelteil

Buch: „Finderlohn“ (2016)

Autor: Stephen King

Verlag: Heyne

Ausgabe: Taschenbuch, 556 Seiten

Der Autor: Stephen King ist ein 1947 in Portland, Maine, USA, geborener Schriftsteller. Er studierte Englisch an der Universität Maine und arbeitete vor Beginn seiner literarischen Karriere als Englischlehrer.

Bereits als Siebenjähriger schrieb er erste Geschichten. Ersten kommerziellen Erfolg hatte er 1974 mit dem Roman „Carrie“. Auch sein dritter Roman „Shining“ war ein großer Erfolg und wurde später von Stanley Kubrick mit Jack Nicholson verfilmt („Hier ist Jacky…“).

Bis heute hat Stephen King über 50 Romane und mehr als 100 Kurzgeschichten veröffentlicht. „Finderlohn“ ist der zweite Teil der „Mr. Mercedes Trilogie“, einem Ausflug Kings in das Krimi-Genre.

Das Buch:  1978: John Rothstein ist ein berühmter Bestsellerautor, der in den 60ern eine überaus erfolgreiche Trilogie veröffentlicht hat. Seitdem hat er jedoch keine weiteren Bücher folgen lassen und lebt zurückgezogen auf dem Land.

Morris Bellamy, ein psychopathischer Verehrer des Schriftstellers, bricht mit Hilfe von zwei seiner Freunde in das Haus des Schriftstellers ein und tötet ihn. Das Gespann erbeutet eine Menge Bargeld und – für Morris viel wichtiger – eine große Zahl an Notizbüchern, die alles enthalten, was Rothstein in den letzten 16 Jahren aufgeschrieben, jedoch nie veröffentlicht hat.

Bellamy vergräbt die Beute, wird allerdings dummerweise kurz darauf für ein völlig anderes Verbrechen inhaftiert.

2009:  Der junge Peter Saubers findet Jahrzehnte später Bellamys Versteck. Mit dem gefundenen Geld hält er seine Familie mehrere Jahre über Wasser. Schließlich will er auch die Notizbücher zu Geld machen – und gerät auf diese Weise ins Visier von Morris Bellamy, der mittlerweile aus der Haft entlassen wurde und auf der Suche nach seiner Beute ist.

Nachdem Peter bewusst wird, in welche Gefahr er sich begeben hat, wendet er sich an Bill Hodges, den Detective a. D. aus „Mr. Mercedes“. Wird Hodges ihm helfen können?

Fazit: Ursprünglich sollte diese Rezension die Überschrift „Mittelteil von Dr. Schiwago“ erhalten. Mir fiel allerdings nicht die geringste Idee ein, wie man diese Überschrift in einen sinnvollen Zusammenhang mit dem Rest des Textes bringen könnte. Also musste der Dr. Schiwago weichen. Schade eigentlich, aber lassen wir das und wenden uns Mr. King zu.

Es gibt kaum einen Schriftsteller, zu dem ich ein dermaßen gespaltenes Verhältnis habe wie zu Stephen King. In seinen Glanzzeiten hat er mich mit Büchern wie „Friedhof der Kuscheltiere“, The Green Mile“ oder „Amok“ begeistern können. Dann wieder musste ich teilweise dunkelste literarische Stunden hinter mich bringen, wie z. B. in „Needful things – In einer kleinen Stadt“. Ein Buch, in dem auf nahezu 1.000 Seiten nicht das Geringste passiert! Und apropos dunkel, ja, auch die ersten beiden Teile von „Der dunkle Turm“ haben mich arg verschreckt. Ja, ich weiß, teert mich, federt mich, tragt mich auf Bahnschienen aus der Stadt, ist mir egal, ich kann mit „Der dunkle Turm“ einfach nichts anfangen. ;-)

Mit „Finderlohn“ wandelt King glücklicherweise auf weniger dunklen Pfaden, denn richtig nennenswerte Schwächen hat das Buch eigentlich nicht.

Schon die Charaktere wissen mich zu überzeugen. Insbesondere Peter Saubers und Morris Bellamy werden sehr genau beschrieben, ihre – sehr genauen und auch wichtigen – Hintergrundgeschichten, ihre Gedanken, ihre Motivation zum Handeln.

Speziell Bellamy gefiel mir in diesem Bereich sehr gut, auch wenn er naturgemäß eine Schraube locker hat. Aber es ist spannend zu sehen, wie ein junger intelligenter Mann immer weiter abrutschen kann und wie er beharrlich die Schuld dafür immer und immer wieder anderen Menschen gibt: Seine Mutter, sein Freund Andrew, der Typ, der Morris eine Flasche Schnaps gekauft hat, als dieser noch minderjährig war – sie alle tragen Schuld an der Situation, in die er sich gebracht hat. Sogar der Schriftsteller Rothstein ist nach Bellamys Meinung dafür mitverantwortlich, obwohl sich die beiden bis zu jenem verhängnisvollen Abend 1978 noch nie begegnet sind. Selbst Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen, liegt dem jungen Mann jedoch fern. Mit Morris Bellamy hat King eine Figur geschaffen, die mir überraschend gut gefiel.

Dabei ist die Geschichte um Peter Saubers und seinen Verfolger auch stilistisch gut umgesetzt, allerdings beinhaltete die Art des Erzählens ein elementares Problem für mich: Bei „Finderlohn“ handelt es sich um den zweiten Teil eines Dreiteilers, der sogenannten „Mr. Mercedes-Trilogie“ bestehend aus „Mr. Mercedes“, „Finderlohn“ und „Mind Control“(Gerade bei letzerem hat der Heyne-Verlag mal wieder alles gegeben, als man dort den englischen Originaltitel „End of Watch“ in einen anderen englischen Titel für die deutsche Ausgabe „übersetzte“…). Da es sich nun um einen zweiten Teil handelt, bleiben üblicherweise diverse Hinweise auf den ersten Teil nicht aus. Hier allerdings erzählt King quasi nochmal die komplette Handlung von Teil 1 in einer Kurzfassung, die zumindest mir jegliche Motivation geraubt hat, diesen ersten Teil jetzt noch nachzuholen. Allerdings kann Mr. King nichts dafür, dass einer seiner Leser so paddelig ist, mit dem zweiten Teil in eine Trilogie einzusteigen, außerdem ergibt diese Art des Erzählens vor dem Hintergrund, dass beide Bücher inhaltlich zusammenhängen, durchaus Sinn. Jedenfalls, wer sich mit dem Gedanken trägt, „Finderlohn“ zu lesen, dem sei erst die Lektüre von „Mr. Mercedes“ angeraten.

Die Geschichte selbst gehört sicherlich nicht zu den originellsten und spannendsten, die man im Krimibereich finden könnte, aber sie bleibt über die komplette Länge des Buches unterhaltsam und meistens spannend. Auch da gibt es also nichts zu meckern.

Kurz gesagt: Wer die Bücher von Stephen King gerne liest, kann mit „Finderlohn“ eigentlich nicht das Geringste falsch machen. Und für wen Reihen wie „Der dunkle Turm“ zu abgedreht sind, weil sie den Eindruck erwecken, als hätten Kubrick und Tarantino während eines gemeinsamen Alkoholrausches die Handlung ausbaldowert und Stephen King anschließend mit Waffengewalt gezwungen, sie aufzuschreiben – für Leute wie mich also – ist „Finderlohn“ eine erfreuliche Abwechslung in Kings Schaffen.

Wertung:

Handlung: 8 von 10 Punkten

Charaktere: 8,5 von 10 Punkten

Stil: 7,5 von 10 Punkten

Spannung: 8 von 10 Punkten

Gesamtwertung: 8 von 10 Punkten

Demnächst in diesem Blog: „Die Blausteinkriege 1 – Das Erbe von Berun“. Endlich wieder Fantasy! :-) Der zweite Teil liegt schon neben mir und wartet darauf, gelesen zu werden. Also: Ich muss weg! :-)

12 Antworten auf „„Finderlohn“ von Stephen King – Solider Mittelteil

  1. Hihi mir geht es mit Stephen King genauso. Manche Bücher wie der Turm haben mich so genervt, dass ich nur weil ich mal beschlossen hatte jedes Buch zu Ende zu lesen richtig wütend wurde. Immer fragte ich mich was will der Schreiber mir sagen ? Mir kann es so vor als wenn er zu viele Bücher kurz hintereinander veröffentlichte und ihm einfach nichts Vernünftiges mehr eingefallen ist.
    ♥ Kenia

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    1. Besser eine späte Erkenntnis als gar keine. ;-) Bei Gelegenheit würde ich mich über eine Info über den Leseeindruck des dritten Teils freuen. Ich trage mich nämlich mit dem Gedanken, ihn zu lesen, bin mir aber nicht ganz so sicher… :-)

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      1. Der dritte Teil ist wirklich ein schöner „runder“ Abschluss. Bescheuert ist nur – wie Du ja schon schreibst – der dämliche „deutsche“ Titel. Mir hat’s gut gefallen. Ob Du’s mögen würdest, weiß ich nicht so genau, weil die Story doch wieder leicht ins king-mysthische geht.

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        1. Ja, dass Buchtitel bei der Übersetzung verschlimmbessert und/oder sinnentstellt werden, passiert ja schon andauernd. Aber hier hat man es nochmal auf die Spitze getrieben. :-)

          Ins king-mysthische? Dann bin ich diesbezüglich wohl raus… ;-)

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          1. Also nicht in die Richtung, dass er wie bei anderen Büchern seinen eigenen Kosmos miteinbaut oder so. Aber eben doch ins Übernatürliche. Ähnlich wie in „The Green Mile“, nur nicht so stark und wenn man will, doch wieder naturwissenschaftlich erklärbar (Gott, ist das schwer zu beschreiben, wenn man net spoilern will :-) ).

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          2. Okay, auf dem Level von „The Green Mile“ könnte ich das ertragen, aber ich denke, ich bin da trotzdem raus. ;-)

            Ja, bei der einer solchen Beschreibung nicht zu spoilern, fällt schon schwer. Das ging mir neulich erst so, als ich einigen Leuten meinen Eindruck von „Rogue One“ schildern sollte – aber bitte ohne zu spoilern! Gar nicht so einfach. :-)

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  2. Wie stets eine so launige wie fundierte Kritik – meinen Dank. Schiwago hättest Du aber trotzdem einbauen müssen – irgendwie :-) King wandelte ja schon immer mal wieder auf den „reinen“ Thriller- und Krimipfaden, etwa in „Misery“ („Sie“), „Stand by me“ oder „Die Verurteilten“ – insofern fand ich das ganz stringent, dass er sich mal als Krimiautor probiert. Was mir persönlich (als Turmianer) naturgegeben nicht so gefiel. Liebe Grüße! P.S.: Im zweiten Absatz fehlt dem Erfolg ein „f“.

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    1. Vielen herzlichen Dank! Auch für das „f“, es ist mittlerweile implementiert. ;-) Von „Die Veruteilten“ kenne ich bis heute peinlicherweise nur die Verfilmung. Die allerdings ist großartig – könnte ich mir mal wieder ansehen… :-)

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